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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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3) Goldene Bulle 1356.
Brandenburgischen Stamms erledigtes Reichslehn
einzuziehen, und einem seiner Söhne zu vergeben,
der jetzt als Marggraf von Brandenburg im Be-
sitz der Churwürde war. Konnte das aber einen
hinlänglichen Rechtsgrund abgeben, einen andern
Bruder derselben als Herzog von Baiern von der
Churwürde auszuschließen? Oder sollte auch bey
der Collision, die nach vorausgesetzter Siebenzahl
zwischen Böhmen und Baiern hier einzutreten schien,
mit dazu beygetragen haben, das Uebergewicht ge-
gen letzteres zu bewirken? Doch dem allem sey,
wie ihm wolle, in der goldenen Bulle wurde nun
einmal an Baiern als ein Churfürstenthum gar nicht
gedacht. Das Haus Baiern erscheint auch in der
folgenden Geschichte bis auf den dreyßigjährigen
Krieg nicht als ein churfürstliches Haus, sondern
nur als herzoglich.

Ein anderer Streit, der bisher zwischen Sach-V.
sen-Lauenburg und Sachsen Wittenberg wegen
der Sächsischen Churstimme obgewaltet hatte, ward
ebenfalls so entschieden, daß es schwer fällt, Carl
den IV. vom Verdacht eines persönlich partheyi-
schen Einflusses frey zu sprechen. So lange Carl
noch mit Ludewig von Baiern und Günthern von
Schwarzburg über die Kaiserwürde zu streiten hatte,
war immer nur Sachsen-Wittenberg auf seiner
Seite, Sachsen-Lauenburg gegen ihn gewesen.
Nun wird in der goldenen Bulle Sachsen-Lauen-
burg gar nicht genannt; Sachsen-Wittenberg aber
als unbestrittener Churfürst für bekannt angenom-
men. In der Folge ist zwar noch einmal (1437.)
von Sachsenlauenburgischen Ansprüchen auf diese

Chur-
Q

3) Goldene Bulle 1356.
Brandenburgiſchen Stamms erledigtes Reichslehn
einzuziehen, und einem ſeiner Soͤhne zu vergeben,
der jetzt als Marggraf von Brandenburg im Be-
ſitz der Churwuͤrde war. Konnte das aber einen
hinlaͤnglichen Rechtsgrund abgeben, einen andern
Bruder derſelben als Herzog von Baiern von der
Churwuͤrde auszuſchließen? Oder ſollte auch bey
der Colliſion, die nach vorausgeſetzter Siebenzahl
zwiſchen Boͤhmen und Baiern hier einzutreten ſchien,
mit dazu beygetragen haben, das Uebergewicht ge-
gen letzteres zu bewirken? Doch dem allem ſey,
wie ihm wolle, in der goldenen Bulle wurde nun
einmal an Baiern als ein Churfuͤrſtenthum gar nicht
gedacht. Das Haus Baiern erſcheint auch in der
folgenden Geſchichte bis auf den dreyßigjaͤhrigen
Krieg nicht als ein churfuͤrſtliches Haus, ſondern
nur als herzoglich.

Ein anderer Streit, der bisher zwiſchen Sach-V.
ſen-Lauenburg und Sachſen Wittenberg wegen
der Saͤchſiſchen Churſtimme obgewaltet hatte, ward
ebenfalls ſo entſchieden, daß es ſchwer faͤllt, Carl
den IV. vom Verdacht eines perſoͤnlich partheyi-
ſchen Einfluſſes frey zu ſprechen. So lange Carl
noch mit Ludewig von Baiern und Guͤnthern von
Schwarzburg uͤber die Kaiſerwuͤrde zu ſtreiten hatte,
war immer nur Sachſen-Wittenberg auf ſeiner
Seite, Sachſen-Lauenburg gegen ihn geweſen.
Nun wird in der goldenen Bulle Sachſen-Lauen-
burg gar nicht genannt; Sachſen-Wittenberg aber
als unbeſtrittener Churfuͤrſt fuͤr bekannt angenom-
men. In der Folge iſt zwar noch einmal (1437.)
von Sachſenlauenburgiſchen Anſpruͤchen auf dieſe

Chur-
Q
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[241/0275] 3) Goldene Bulle 1356. Brandenburgiſchen Stamms erledigtes Reichslehn einzuziehen, und einem ſeiner Soͤhne zu vergeben, der jetzt als Marggraf von Brandenburg im Be- ſitz der Churwuͤrde war. Konnte das aber einen hinlaͤnglichen Rechtsgrund abgeben, einen andern Bruder derſelben als Herzog von Baiern von der Churwuͤrde auszuſchließen? Oder ſollte auch bey der Colliſion, die nach vorausgeſetzter Siebenzahl zwiſchen Boͤhmen und Baiern hier einzutreten ſchien, mit dazu beygetragen haben, das Uebergewicht ge- gen letzteres zu bewirken? Doch dem allem ſey, wie ihm wolle, in der goldenen Bulle wurde nun einmal an Baiern als ein Churfuͤrſtenthum gar nicht gedacht. Das Haus Baiern erſcheint auch in der folgenden Geſchichte bis auf den dreyßigjaͤhrigen Krieg nicht als ein churfuͤrſtliches Haus, ſondern nur als herzoglich. Ein anderer Streit, der bisher zwiſchen Sach- ſen-Lauenburg und Sachſen Wittenberg wegen der Saͤchſiſchen Churſtimme obgewaltet hatte, ward ebenfalls ſo entſchieden, daß es ſchwer faͤllt, Carl den IV. vom Verdacht eines perſoͤnlich partheyi- ſchen Einfluſſes frey zu ſprechen. So lange Carl noch mit Ludewig von Baiern und Guͤnthern von Schwarzburg uͤber die Kaiſerwuͤrde zu ſtreiten hatte, war immer nur Sachſen-Wittenberg auf ſeiner Seite, Sachſen-Lauenburg gegen ihn geweſen. Nun wird in der goldenen Bulle Sachſen-Lauen- burg gar nicht genannt; Sachſen-Wittenberg aber als unbeſtrittener Churfuͤrſt fuͤr bekannt angenom- men. In der Folge iſt zwar noch einmal (1437.) von Sachſenlauenburgiſchen Anſpruͤchen auf dieſe Chur- V. Q

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/275>, abgerufen am 22.11.2024.