Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

5) Carl IV. -- Sigism. 1376-1414.
Welcher Monarch konnte solche Schätze aufweisen,
oder so vielerley reichhaltiger Quellen sich rühmen!
Wie drückend mußte es aber auch bald allen Völ-
kern vorkommen, denen, bey ohnedem noch so
geldlosen Zeiten, solche Geldsummen unaufhörlich
und ohne alle Wiederkehr entzogen wurden! Fühl-
bar mußte es bald auch ohne großes Nachdenken
werden; mit irgend einiger Aufklärung und Denk-
freyheit war es gar nicht zu vermeiden, daß end-
lich laute Beschwerden ganzer Nationen daraus er-
wachsen mußten.

Mußte sichs nun gerade fügen, daß ein Engli-V.
scher Universitätsgelehrter, Johann Wiclef, tiefer
auf den wahren Grund der ganzen Religion for-
schend, die Augen noch weiter öffnete, um Hierar-
chie und Mönchswesen von einer andern Seite,
als es bisher der große Haufe gethan hatte, an-
zusehen; -- Und kam nun vollends hinzu, daß
eine von Gregor dem XI. (1376.) von Avignon
nach Rom versuchte Rückkehr nach dessen Tode den
unerwarteten Erfolg hatte, daß ein zu Rom an
dessen Stelle erwehlter Pabst Urban der VI. zwar
zu Rom blieb, aber ein anderer Pabst Clemens
der VII., den bald hernach eben die Cardinäle zu
Fondi unter dem Schutze der Krone Neapel erwehlt
hatten, in Begleitung dieser Cardinäle nach Avi-
gnon zurückgieng, jedoch auch Urban zu Rom sich
wieder ein Cardinalscollegium schuf, also jetzt so-
wohl Rom als Avignon, jedes seinen eignen Pabst,
und jedes sein eignes Cardinalscollegium hatte --;
so mußten für jeden nachdenkenden Kopf sich ge-
waltige Anstände äußern, deren Hebung nieman-
den gleichgültig seyn konnte. Und doch ließ sich

gar

5) Carl IV. — Sigism. 1376-1414.
Welcher Monarch konnte ſolche Schaͤtze aufweiſen,
oder ſo vielerley reichhaltiger Quellen ſich ruͤhmen!
Wie druͤckend mußte es aber auch bald allen Voͤl-
kern vorkommen, denen, bey ohnedem noch ſo
geldloſen Zeiten, ſolche Geldſummen unaufhoͤrlich
und ohne alle Wiederkehr entzogen wurden! Fuͤhl-
bar mußte es bald auch ohne großes Nachdenken
werden; mit irgend einiger Aufklaͤrung und Denk-
freyheit war es gar nicht zu vermeiden, daß end-
lich laute Beſchwerden ganzer Nationen daraus er-
wachſen mußten.

Mußte ſichs nun gerade fuͤgen, daß ein Engli-V.
ſcher Univerſitaͤtsgelehrter, Johann Wiclef, tiefer
auf den wahren Grund der ganzen Religion for-
ſchend, die Augen noch weiter oͤffnete, um Hierar-
chie und Moͤnchsweſen von einer andern Seite,
als es bisher der große Haufe gethan hatte, an-
zuſehen; — Und kam nun vollends hinzu, daß
eine von Gregor dem XI. (1376.) von Avignon
nach Rom verſuchte Ruͤckkehr nach deſſen Tode den
unerwarteten Erfolg hatte, daß ein zu Rom an
deſſen Stelle erwehlter Pabſt Urban der VI. zwar
zu Rom blieb, aber ein anderer Pabſt Clemens
der VII., den bald hernach eben die Cardinaͤle zu
Fondi unter dem Schutze der Krone Neapel erwehlt
hatten, in Begleitung dieſer Cardinaͤle nach Avi-
gnon zuruͤckgieng, jedoch auch Urban zu Rom ſich
wieder ein Cardinalscollegium ſchuf, alſo jetzt ſo-
wohl Rom als Avignon, jedes ſeinen eignen Pabſt,
und jedes ſein eignes Cardinalscollegium hatte —;
ſo mußten fuͤr jeden nachdenkenden Kopf ſich ge-
waltige Anſtaͤnde aͤußern, deren Hebung nieman-
den gleichguͤltig ſeyn konnte. Und doch ließ ſich

gar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="283"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">5) Carl <hi rendition="#aq">IV.</hi> &#x2014; Sigism. 1376-1414.</hi></fw><lb/>
Welcher Monarch konnte &#x017F;olche Scha&#x0364;tze aufwei&#x017F;en,<lb/>
oder &#x017F;o vielerley reichhaltiger Quellen &#x017F;ich ru&#x0364;hmen!<lb/>
Wie dru&#x0364;ckend mußte es aber auch bald allen Vo&#x0364;l-<lb/>
kern vorkommen, denen, bey ohnedem noch &#x017F;o<lb/>
geldlo&#x017F;en Zeiten, &#x017F;olche Geld&#x017F;ummen unaufho&#x0364;rlich<lb/>
und ohne alle Wiederkehr entzogen wurden! Fu&#x0364;hl-<lb/>
bar mußte es bald auch ohne großes Nachdenken<lb/>
werden; mit irgend einiger Aufkla&#x0364;rung und Denk-<lb/>
freyheit war es gar nicht zu vermeiden, daß end-<lb/>
lich laute Be&#x017F;chwerden ganzer Nationen daraus er-<lb/>
wach&#x017F;en mußten.</p><lb/>
          <p>Mußte &#x017F;ichs nun gerade fu&#x0364;gen, daß ein Engli-<note place="right"><hi rendition="#aq">V.</hi></note><lb/>
&#x017F;cher Univer&#x017F;ita&#x0364;tsgelehrter, Johann <hi rendition="#fr">Wiclef,</hi> tiefer<lb/>
auf den wahren Grund der ganzen Religion for-<lb/>
&#x017F;chend, die Augen noch weiter o&#x0364;ffnete, um Hierar-<lb/>
chie und Mo&#x0364;nchswe&#x017F;en von einer andern Seite,<lb/>
als es bisher der große Haufe gethan hatte, an-<lb/>
zu&#x017F;ehen; &#x2014; Und kam nun vollends hinzu, daß<lb/>
eine von Gregor dem <hi rendition="#aq">XI.</hi> (1376.) von Avignon<lb/>
nach Rom ver&#x017F;uchte Ru&#x0364;ckkehr nach de&#x017F;&#x017F;en Tode den<lb/>
unerwarteten Erfolg hatte, daß ein zu Rom an<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Stelle erwehlter Pab&#x017F;t Urban der <hi rendition="#aq">VI.</hi> zwar<lb/>
zu Rom blieb, aber ein anderer Pab&#x017F;t Clemens<lb/>
der <hi rendition="#aq">VII.</hi>, den bald hernach eben die Cardina&#x0364;le zu<lb/>
Fondi unter dem Schutze der Krone Neapel erwehlt<lb/>
hatten, in Begleitung die&#x017F;er Cardina&#x0364;le nach Avi-<lb/>
gnon zuru&#x0364;ckgieng, jedoch auch Urban zu Rom &#x017F;ich<lb/>
wieder ein Cardinalscollegium &#x017F;chuf, al&#x017F;o jetzt &#x017F;o-<lb/>
wohl Rom als Avignon, jedes &#x017F;einen eignen Pab&#x017F;t,<lb/>
und jedes &#x017F;ein eignes Cardinalscollegium hatte &#x2014;;<lb/>
&#x017F;o mußten fu&#x0364;r jeden nachdenkenden Kopf &#x017F;ich ge-<lb/>
waltige An&#x017F;ta&#x0364;nde a&#x0364;ußern, deren Hebung nieman-<lb/>
den gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn konnte. Und doch ließ &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gar</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0317] 5) Carl IV. — Sigism. 1376-1414. Welcher Monarch konnte ſolche Schaͤtze aufweiſen, oder ſo vielerley reichhaltiger Quellen ſich ruͤhmen! Wie druͤckend mußte es aber auch bald allen Voͤl- kern vorkommen, denen, bey ohnedem noch ſo geldloſen Zeiten, ſolche Geldſummen unaufhoͤrlich und ohne alle Wiederkehr entzogen wurden! Fuͤhl- bar mußte es bald auch ohne großes Nachdenken werden; mit irgend einiger Aufklaͤrung und Denk- freyheit war es gar nicht zu vermeiden, daß end- lich laute Beſchwerden ganzer Nationen daraus er- wachſen mußten. Mußte ſichs nun gerade fuͤgen, daß ein Engli- ſcher Univerſitaͤtsgelehrter, Johann Wiclef, tiefer auf den wahren Grund der ganzen Religion for- ſchend, die Augen noch weiter oͤffnete, um Hierar- chie und Moͤnchsweſen von einer andern Seite, als es bisher der große Haufe gethan hatte, an- zuſehen; — Und kam nun vollends hinzu, daß eine von Gregor dem XI. (1376.) von Avignon nach Rom verſuchte Ruͤckkehr nach deſſen Tode den unerwarteten Erfolg hatte, daß ein zu Rom an deſſen Stelle erwehlter Pabſt Urban der VI. zwar zu Rom blieb, aber ein anderer Pabſt Clemens der VII., den bald hernach eben die Cardinaͤle zu Fondi unter dem Schutze der Krone Neapel erwehlt hatten, in Begleitung dieſer Cardinaͤle nach Avi- gnon zuruͤckgieng, jedoch auch Urban zu Rom ſich wieder ein Cardinalscollegium ſchuf, alſo jetzt ſo- wohl Rom als Avignon, jedes ſeinen eignen Pabſt, und jedes ſein eignes Cardinalscollegium hatte —; ſo mußten fuͤr jeden nachdenkenden Kopf ſich ge- waltige Anſtaͤnde aͤußern, deren Hebung nieman- den gleichguͤltig ſeyn konnte. Und doch ließ ſich gar V.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/317
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/317>, abgerufen am 22.11.2024.