Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
7) Relig. Fr. 1555. b) geistl. Gerichtb.


VII.
Verordnungen des Religionsfriedens 1555. in
Ansehung der geistlichen Gerichtbarkeit.


I. Ungleiche Gesinnungen der beiden Religionstheile über
die geistliche Gerichtbarkeit, wie sie bisher in Uebung war. --
II. III. Im Religionsfrieden wurde sie über die Protestanten
bis zur Vereinigung beider Religionen aufgehoben; --
IV. V. zwar noch mit einiger Einschränkung in Ansehung
der Gegenstände, die aber nicht von Bestand seyn konnte. --
VI. Was aber für eine neue Kirchenverfassung unter den
Evangelischen statt finden sollte, war kein Gegenstand des
Religionsfriedens. -- VII. Evangelische Landschaften ließen
jetzt gern ihren Landesherren alle die Rechte, welche die
päbstliche Hierarchie der höchsten Gewalt mit Unrecht entzo-
gen hatte. -- VIII. Aber auch viele Rechte, die jetzt eine
jede Gemeinde collegialisch hätte ausüben können, überließ
man gern einem Landesherrn von eben der Religion, und
seinem Consistorium. -- IX. So stellten evangelische Reichs-
stände jetzt zweyerley Personen vor, eben wie die catholischen
geistlichen Reichsstände; nehmlich eine andere Person sofern
sie Landeshoheit, eine andere, sofern sie bischöfliche Rechte
ausübten. -- X. Letztere waren deswegen auch unter den
Evangelischen keine Bestandtheile der Landeshoheit, daß auch
ein catholischer Landesherr über evangelische Unterthanen sie
behaupten könnte. -- XI. Auch ward darum den Reichs-
gerichten keine geistliche Gerichtbarkeit über Protestanten ein-
geräumt.



Eine große Schwierigkeit zeigte sich bey Abfas-I.
sung des Religionsfriedens in Ansehung der
geistlichen Gerichtbarkeit, wie sie nach päbst-
lichen Grundsätzen bisher im Gange gewesen war,
und von evangelischen Reichsständen für sich und
ihre Unterthanen nicht mehr anerkannt wurde. Ein
jeder Bischof, dessen Dioeces über Länder oder
Reichsstädte, die jetzt evangelisch waren, sich er-
streckt hatte, sah die geistliche Gerichtbarkeit, wie

er
7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb.


VII.
Verordnungen des Religionsfriedens 1555. in
Anſehung der geiſtlichen Gerichtbarkeit.


I. Ungleiche Geſinnungen der beiden Religionstheile uͤber
die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie ſie bisher in Uebung war. —
II. III. Im Religionsfrieden wurde ſie uͤber die Proteſtanten
bis zur Vereinigung beider Religionen aufgehoben; —
IV. V. zwar noch mit einiger Einſchraͤnkung in Anſehung
der Gegenſtaͤnde, die aber nicht von Beſtand ſeyn konnte. —
VI. Was aber fuͤr eine neue Kirchenverfaſſung unter den
Evangeliſchen ſtatt finden ſollte, war kein Gegenſtand des
Religionsfriedens. — VII. Evangeliſche Landſchaften ließen
jetzt gern ihren Landesherren alle die Rechte, welche die
paͤbſtliche Hierarchie der hoͤchſten Gewalt mit Unrecht entzo-
gen hatte. — VIII. Aber auch viele Rechte, die jetzt eine
jede Gemeinde collegialiſch haͤtte ausuͤben koͤnnen, uͤberließ
man gern einem Landesherrn von eben der Religion, und
ſeinem Conſiſtorium. — IX. So ſtellten evangeliſche Reichs-
ſtaͤnde jetzt zweyerley Perſonen vor, eben wie die catholiſchen
geiſtlichen Reichsſtaͤnde; nehmlich eine andere Perſon ſofern
ſie Landeshoheit, eine andere, ſofern ſie biſchoͤfliche Rechte
ausuͤbten. — X. Letztere waren deswegen auch unter den
Evangeliſchen keine Beſtandtheile der Landeshoheit, daß auch
ein catholiſcher Landesherr uͤber evangeliſche Unterthanen ſie
behaupten koͤnnte. — XI. Auch ward darum den Reichs-
gerichten keine geiſtliche Gerichtbarkeit uͤber Proteſtanten ein-
geraͤumt.



Eine große Schwierigkeit zeigte ſich bey Abfaſ-I.
ſung des Religionsfriedens in Anſehung der
geiſtlichen Gerichtbarkeit, wie ſie nach paͤbſt-
lichen Grundſaͤtzen bisher im Gange geweſen war,
und von evangeliſchen Reichsſtaͤnden fuͤr ſich und
ihre Unterthanen nicht mehr anerkannt wurde. Ein
jeder Biſchof, deſſen Dioeces uͤber Laͤnder oder
Reichsſtaͤdte, die jetzt evangeliſch waren, ſich er-
ſtreckt hatte, ſah die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0447" n="413"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">7) Relig. Fr. 1555. <hi rendition="#aq">b</hi>) gei&#x017F;tl. Gerichtb.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VII.</hi><lb/>
Verordnungen des Religionsfriedens 1555. in<lb/>
An&#x017F;ehung der gei&#x017F;tlichen Gerichtbarkeit.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Ungleiche Ge&#x017F;innungen der beiden Religionstheile u&#x0364;ber<lb/>
die gei&#x017F;tliche Gerichtbarkeit, wie &#x017F;ie bisher in Uebung war. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">II. III.</hi> Im Religionsfrieden wurde &#x017F;ie u&#x0364;ber die Prote&#x017F;tanten<lb/>
bis zur Vereinigung beider Religionen aufgehoben; &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">IV. V.</hi> zwar noch mit einiger Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung in An&#x017F;ehung<lb/>
der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, die aber nicht von Be&#x017F;tand &#x017F;eyn konnte. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">VI.</hi> Was aber fu&#x0364;r eine neue Kirchenverfa&#x017F;&#x017F;ung unter den<lb/>
Evangeli&#x017F;chen &#x017F;tatt finden &#x017F;ollte, war kein Gegen&#x017F;tand des<lb/>
Religionsfriedens. &#x2014; <hi rendition="#aq">VII.</hi> Evangeli&#x017F;che Land&#x017F;chaften ließen<lb/>
jetzt gern ihren Landesherren alle die Rechte, welche die<lb/>
pa&#x0364;b&#x017F;tliche Hierarchie der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gewalt mit Unrecht entzo-<lb/>
gen hatte. &#x2014; <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Aber auch viele Rechte, die jetzt eine<lb/>
jede Gemeinde collegiali&#x017F;ch ha&#x0364;tte ausu&#x0364;ben ko&#x0364;nnen, u&#x0364;berließ<lb/>
man gern einem Landesherrn von eben der Religion, und<lb/>
&#x017F;einem Con&#x017F;i&#x017F;torium. &#x2014; <hi rendition="#aq">IX.</hi> So &#x017F;tellten evangeli&#x017F;che Reichs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde jetzt zweyerley Per&#x017F;onen vor, eben wie die catholi&#x017F;chen<lb/>
gei&#x017F;tlichen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde; nehmlich eine andere Per&#x017F;on &#x017F;ofern<lb/>
&#x017F;ie Landeshoheit, eine andere, &#x017F;ofern &#x017F;ie bi&#x017F;cho&#x0364;fliche Rechte<lb/>
ausu&#x0364;bten. &#x2014; <hi rendition="#aq">X.</hi> Letztere waren deswegen auch unter den<lb/>
Evangeli&#x017F;chen keine Be&#x017F;tandtheile der Landeshoheit, daß auch<lb/>
ein catholi&#x017F;cher Landesherr u&#x0364;ber evangeli&#x017F;che Unterthanen &#x017F;ie<lb/>
behaupten ko&#x0364;nnte. &#x2014; <hi rendition="#aq">XI.</hi> Auch ward darum den Reichs-<lb/>
gerichten keine gei&#x017F;tliche Gerichtbarkeit u&#x0364;ber Prote&#x017F;tanten ein-<lb/>
gera&#x0364;umt.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ine große Schwierigkeit zeigte &#x017F;ich bey Abfa&#x017F;-<note place="right"><hi rendition="#aq">I.</hi></note><lb/>
&#x017F;ung des Religionsfriedens in An&#x017F;ehung der<lb/><hi rendition="#fr">gei&#x017F;tlichen Gerichtbarkeit,</hi> wie &#x017F;ie nach pa&#x0364;b&#x017F;t-<lb/>
lichen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen bisher im Gange gewe&#x017F;en war,<lb/>
und von evangeli&#x017F;chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nden fu&#x0364;r &#x017F;ich und<lb/>
ihre Unterthanen nicht mehr anerkannt wurde. Ein<lb/>
jeder Bi&#x017F;chof, de&#x017F;&#x017F;en Dioeces u&#x0364;ber La&#x0364;nder oder<lb/>
Reichs&#x017F;ta&#x0364;dte, die jetzt evangeli&#x017F;ch waren, &#x017F;ich er-<lb/>
&#x017F;treckt hatte, &#x017F;ah die gei&#x017F;tliche Gerichtbarkeit, wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0447] 7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb. VII. Verordnungen des Religionsfriedens 1555. in Anſehung der geiſtlichen Gerichtbarkeit. I. Ungleiche Geſinnungen der beiden Religionstheile uͤber die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie ſie bisher in Uebung war. — II. III. Im Religionsfrieden wurde ſie uͤber die Proteſtanten bis zur Vereinigung beider Religionen aufgehoben; — IV. V. zwar noch mit einiger Einſchraͤnkung in Anſehung der Gegenſtaͤnde, die aber nicht von Beſtand ſeyn konnte. — VI. Was aber fuͤr eine neue Kirchenverfaſſung unter den Evangeliſchen ſtatt finden ſollte, war kein Gegenſtand des Religionsfriedens. — VII. Evangeliſche Landſchaften ließen jetzt gern ihren Landesherren alle die Rechte, welche die paͤbſtliche Hierarchie der hoͤchſten Gewalt mit Unrecht entzo- gen hatte. — VIII. Aber auch viele Rechte, die jetzt eine jede Gemeinde collegialiſch haͤtte ausuͤben koͤnnen, uͤberließ man gern einem Landesherrn von eben der Religion, und ſeinem Conſiſtorium. — IX. So ſtellten evangeliſche Reichs- ſtaͤnde jetzt zweyerley Perſonen vor, eben wie die catholiſchen geiſtlichen Reichsſtaͤnde; nehmlich eine andere Perſon ſofern ſie Landeshoheit, eine andere, ſofern ſie biſchoͤfliche Rechte ausuͤbten. — X. Letztere waren deswegen auch unter den Evangeliſchen keine Beſtandtheile der Landeshoheit, daß auch ein catholiſcher Landesherr uͤber evangeliſche Unterthanen ſie behaupten koͤnnte. — XI. Auch ward darum den Reichs- gerichten keine geiſtliche Gerichtbarkeit uͤber Proteſtanten ein- geraͤumt. Eine große Schwierigkeit zeigte ſich bey Abfaſ- ſung des Religionsfriedens in Anſehung der geiſtlichen Gerichtbarkeit, wie ſie nach paͤbſt- lichen Grundſaͤtzen bisher im Gange geweſen war, und von evangeliſchen Reichsſtaͤnden fuͤr ſich und ihre Unterthanen nicht mehr anerkannt wurde. Ein jeder Biſchof, deſſen Dioeces uͤber Laͤnder oder Reichsſtaͤdte, die jetzt evangeliſch waren, ſich er- ſtreckt hatte, ſah die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie er I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/447
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/447>, abgerufen am 22.11.2024.