Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Neuere Zeit. Westph. Fr. 1648.
schlagung konnte nicht wohl ohne ein gewisses Di-
rectorium, wie man nachher jenes alles in diesem
Worte zusammengefasset hat, von statten gehen.
Jedes Collegium hatte es nun freylich in seiner
Gewalt, einem seines Mittels durch freye Wahl ein
solches Directorium aufzutragen. Gemeiniglich
geschah es inzwischen, daß der erste im Range auch
jene Directorialverrichtungen übernahm. Dadurch
hörte jedoch das reichsständische Collegium nicht
auf, seine völlige Freyheit und die vollkommene
Gleichheit seiner Mitglieder beyzubehalten. Nicht
etwa, wie ein Cammercollegium aus mehreren
Cammerräthen besteht, denen der Fürst einen Cam-
merpräsidenten mit selbstbeliebiger Macht vorsetzen
kann, der alsdann Befehlsweise sprechen darf.
Sondern hier hatte unter mehreren völlig gleichen
Mitgliedern einer collegialischen Versammlung nur
einer als der erste im Range (primus inter pares)
das Directorium zu führen.


XIV.

So war z. B. was das churfürstliche Colle-
gium betrifft, Churmainz, indem es das Directo-
rium darin zu führen bekam, damit nicht berech-
tiget, seine Mitchurfürsten gleichsam als seine Un-
tergebenen anzusehen, oder nach Willkühr zu ver-
fahren, oder gar Befehlsweise zu sprechen. Son-
dern von selbigen Zeiten her, da die Churfürsten
meist noch in eignen Personen sich zu versammlen
pflegten, lieset man mit Vergnügen, wie der Chur-
fürst von Mainz bey allen Gelegenheiten, z. B.
wenn die Frage war, was bey der nächsten Ses-
sion vorzunehmen seyn möchte? erst freundschaft-
liche Rücksprache mit den übrigen Churfürsten hielt,

und

VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
ſchlagung konnte nicht wohl ohne ein gewiſſes Di-
rectorium, wie man nachher jenes alles in dieſem
Worte zuſammengefaſſet hat, von ſtatten gehen.
Jedes Collegium hatte es nun freylich in ſeiner
Gewalt, einem ſeines Mittels durch freye Wahl ein
ſolches Directorium aufzutragen. Gemeiniglich
geſchah es inzwiſchen, daß der erſte im Range auch
jene Directorialverrichtungen uͤbernahm. Dadurch
hoͤrte jedoch das reichsſtaͤndiſche Collegium nicht
auf, ſeine voͤllige Freyheit und die vollkommene
Gleichheit ſeiner Mitglieder beyzubehalten. Nicht
etwa, wie ein Cammercollegium aus mehreren
Cammerraͤthen beſteht, denen der Fuͤrſt einen Cam-
merpraͤſidenten mit ſelbſtbeliebiger Macht vorſetzen
kann, der alsdann Befehlsweiſe ſprechen darf.
Sondern hier hatte unter mehreren voͤllig gleichen
Mitgliedern einer collegialiſchen Verſammlung nur
einer als der erſte im Range (primus inter pares)
das Directorium zu fuͤhren.


XIV.

So war z. B. was das churfuͤrſtliche Colle-
gium betrifft, Churmainz, indem es das Directo-
rium darin zu fuͤhren bekam, damit nicht berech-
tiget, ſeine Mitchurfuͤrſten gleichſam als ſeine Un-
tergebenen anzuſehen, oder nach Willkuͤhr zu ver-
fahren, oder gar Befehlsweiſe zu ſprechen. Son-
dern von ſelbigen Zeiten her, da die Churfuͤrſten
meiſt noch in eignen Perſonen ſich zu verſammlen
pflegten, lieſet man mit Vergnuͤgen, wie der Chur-
fuͤrſt von Mainz bey allen Gelegenheiten, z. B.
wenn die Frage war, was bey der naͤchſten Seſ-
ſion vorzunehmen ſeyn moͤchte? erſt freundſchaft-
liche Ruͤckſprache mit den uͤbrigen Churfuͤrſten hielt,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Neuere Zeit. We&#x017F;tph. Fr. 1648.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chlagung konnte nicht wohl ohne ein gewi&#x017F;&#x017F;es Di-<lb/>
rectorium, wie man nachher jenes alles in die&#x017F;em<lb/>
Worte zu&#x017F;ammengefa&#x017F;&#x017F;et hat, von &#x017F;tatten gehen.<lb/>
Jedes Collegium hatte es nun freylich in &#x017F;einer<lb/>
Gewalt, einem &#x017F;eines Mittels durch freye Wahl ein<lb/>
&#x017F;olches Directorium aufzutragen. Gemeiniglich<lb/>
ge&#x017F;chah es inzwi&#x017F;chen, daß der er&#x017F;te im Range auch<lb/>
jene Directorialverrichtungen u&#x0364;bernahm. Dadurch<lb/>
ho&#x0364;rte jedoch das reichs&#x017F;ta&#x0364;ndi&#x017F;che Collegium nicht<lb/>
auf, &#x017F;eine vo&#x0364;llige Freyheit und die vollkommene<lb/>
Gleichheit &#x017F;einer Mitglieder beyzubehalten. Nicht<lb/>
etwa, wie ein Cammercollegium aus mehreren<lb/>
Cammerra&#x0364;then be&#x017F;teht, denen der Fu&#x0364;r&#x017F;t einen Cam-<lb/>
merpra&#x0364;&#x017F;identen mit &#x017F;elb&#x017F;tbeliebiger Macht vor&#x017F;etzen<lb/>
kann, der alsdann Befehlswei&#x017F;e &#x017F;prechen darf.<lb/>
Sondern hier hatte unter mehreren vo&#x0364;llig gleichen<lb/>
Mitgliedern einer collegiali&#x017F;chen Ver&#x017F;ammlung nur<lb/>
einer als der er&#x017F;te im Range (<hi rendition="#aq">primus inter pares</hi>)<lb/>
das Directorium zu fu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XIV.</hi> </note>
          <p>So war z. B. was das churfu&#x0364;r&#x017F;tliche Colle-<lb/>
gium betrifft, Churmainz, indem es das Directo-<lb/>
rium darin zu fu&#x0364;hren bekam, damit nicht berech-<lb/>
tiget, &#x017F;eine Mitchurfu&#x0364;r&#x017F;ten gleich&#x017F;am als &#x017F;eine Un-<lb/>
tergebenen anzu&#x017F;ehen, oder nach Willku&#x0364;hr zu ver-<lb/>
fahren, oder gar Befehlswei&#x017F;e zu &#x017F;prechen. Son-<lb/>
dern von &#x017F;elbigen Zeiten her, da die Churfu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
mei&#x017F;t noch in eignen Per&#x017F;onen &#x017F;ich zu ver&#x017F;ammlen<lb/>
pflegten, lie&#x017F;et man mit Vergnu&#x0364;gen, wie der Chur-<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;t von Mainz bey allen Gelegenheiten, z. B.<lb/>
wenn die Frage war, was bey der na&#x0364;ch&#x017F;ten Se&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ion vorzunehmen &#x017F;eyn mo&#x0364;chte? er&#x017F;t freund&#x017F;chaft-<lb/>
liche Ru&#x0364;ck&#x017F;prache mit den u&#x0364;brigen Churfu&#x0364;r&#x017F;ten hielt,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0172] VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648. ſchlagung konnte nicht wohl ohne ein gewiſſes Di- rectorium, wie man nachher jenes alles in dieſem Worte zuſammengefaſſet hat, von ſtatten gehen. Jedes Collegium hatte es nun freylich in ſeiner Gewalt, einem ſeines Mittels durch freye Wahl ein ſolches Directorium aufzutragen. Gemeiniglich geſchah es inzwiſchen, daß der erſte im Range auch jene Directorialverrichtungen uͤbernahm. Dadurch hoͤrte jedoch das reichsſtaͤndiſche Collegium nicht auf, ſeine voͤllige Freyheit und die vollkommene Gleichheit ſeiner Mitglieder beyzubehalten. Nicht etwa, wie ein Cammercollegium aus mehreren Cammerraͤthen beſteht, denen der Fuͤrſt einen Cam- merpraͤſidenten mit ſelbſtbeliebiger Macht vorſetzen kann, der alsdann Befehlsweiſe ſprechen darf. Sondern hier hatte unter mehreren voͤllig gleichen Mitgliedern einer collegialiſchen Verſammlung nur einer als der erſte im Range (primus inter pares) das Directorium zu fuͤhren. So war z. B. was das churfuͤrſtliche Colle- gium betrifft, Churmainz, indem es das Directo- rium darin zu fuͤhren bekam, damit nicht berech- tiget, ſeine Mitchurfuͤrſten gleichſam als ſeine Un- tergebenen anzuſehen, oder nach Willkuͤhr zu ver- fahren, oder gar Befehlsweiſe zu ſprechen. Son- dern von ſelbigen Zeiten her, da die Churfuͤrſten meiſt noch in eignen Perſonen ſich zu verſammlen pflegten, lieſet man mit Vergnuͤgen, wie der Chur- fuͤrſt von Mainz bey allen Gelegenheiten, z. B. wenn die Frage war, was bey der naͤchſten Seſ- ſion vorzunehmen ſeyn moͤchte? erſt freundſchaft- liche Ruͤckſprache mit den uͤbrigen Churfuͤrſten hielt, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/172
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/172>, abgerufen am 09.11.2024.