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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VIII. Folgen d. Westph. Fr. 1648-1657.
kleine Gebiet, das jetzt unter der Anzahl der be-
sonderen Teutschen Staaten begriffen ist, hat seine
ganz eigne Regierung, seine eigne Grundgesetze,
sein eignes Steuerwesen, Justitzwesen, Polizey,
Münze, und was noch mehr ist, wenn es will
und kann, seine eigne Kriegsverfassung, und das
Recht Bündnisse zu machen, Krieg zu führen,
Frieden zu schließen und Gesandten zu schicken.
Kurz, was irgend einem, der mehrere unabhän-
gige Staaten in Europa bereiset, deren Verschie-
denheit in Verfassung, Gesetzen und anderen Ein-
richtungen begreiflich machen kann, das wird einen
Reisenden in Teutschland bald eben so deutlich,
und oft noch viel auffallender belehren, daß es ganz
verschiedene Staaten sind, wo er oft nicht halbe
Tagereisen braucht, um bald republicanische, bald
monarchische, bald eingeschränkte, bald beynahe
despotische, bald erbliche, bald auf Wahlfreyheit
beruhende Regierungsformen wahrzunehmen, um
mit jedem neuen Gebiete wieder ganz andere Ge-
setze, ganz andere Münzen, andere Posten, an-
dere Soldaten zu finden. Ungleich häufiger wird
ein jeder, der auch nur kurze Zeit auf Teutschem
Boden lebt, die Erfahrung machen, daß Teutsch-
land aus mehreren ganz verschiedenen Staaten
besteht, als daß es noch unter einem gemeinsa-
men höchsten Oberhaupte vereiniget ist.


IX.

Ein der Teutschen Verfassung ganz eignes
Verhältniß, so hieraus erwachsen ist, wird in
Unterscheidung mittelbarer und unmittelbarer
Mitglieder
des Teutschen Reichs bemerklich ge-
macht. Gleichwie nehmlich zweyerley Dinge, de-
ren Verhältniß unter einander sich denken läßt,

ohne

VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
kleine Gebiet, das jetzt unter der Anzahl der be-
ſonderen Teutſchen Staaten begriffen iſt, hat ſeine
ganz eigne Regierung, ſeine eigne Grundgeſetze,
ſein eignes Steuerweſen, Juſtitzweſen, Polizey,
Muͤnze, und was noch mehr iſt, wenn es will
und kann, ſeine eigne Kriegsverfaſſung, und das
Recht Buͤndniſſe zu machen, Krieg zu fuͤhren,
Frieden zu ſchließen und Geſandten zu ſchicken.
Kurz, was irgend einem, der mehrere unabhaͤn-
gige Staaten in Europa bereiſet, deren Verſchie-
denheit in Verfaſſung, Geſetzen und anderen Ein-
richtungen begreiflich machen kann, das wird einen
Reiſenden in Teutſchland bald eben ſo deutlich,
und oft noch viel auffallender belehren, daß es ganz
verſchiedene Staaten ſind, wo er oft nicht halbe
Tagereiſen braucht, um bald republicaniſche, bald
monarchiſche, bald eingeſchraͤnkte, bald beynahe
deſpotiſche, bald erbliche, bald auf Wahlfreyheit
beruhende Regierungsformen wahrzunehmen, um
mit jedem neuen Gebiete wieder ganz andere Ge-
ſetze, ganz andere Muͤnzen, andere Poſten, an-
dere Soldaten zu finden. Ungleich haͤufiger wird
ein jeder, der auch nur kurze Zeit auf Teutſchem
Boden lebt, die Erfahrung machen, daß Teutſch-
land aus mehreren ganz verſchiedenen Staaten
beſteht, als daß es noch unter einem gemeinſa-
men hoͤchſten Oberhaupte vereiniget iſt.


IX.

Ein der Teutſchen Verfaſſung ganz eignes
Verhaͤltniß, ſo hieraus erwachſen iſt, wird in
Unterſcheidung mittelbarer und unmittelbarer
Mitglieder
des Teutſchen Reichs bemerklich ge-
macht. Gleichwie nehmlich zweyerley Dinge, de-
ren Verhaͤltniß unter einander ſich denken laͤßt,

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[162/0204] VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657. kleine Gebiet, das jetzt unter der Anzahl der be- ſonderen Teutſchen Staaten begriffen iſt, hat ſeine ganz eigne Regierung, ſeine eigne Grundgeſetze, ſein eignes Steuerweſen, Juſtitzweſen, Polizey, Muͤnze, und was noch mehr iſt, wenn es will und kann, ſeine eigne Kriegsverfaſſung, und das Recht Buͤndniſſe zu machen, Krieg zu fuͤhren, Frieden zu ſchließen und Geſandten zu ſchicken. Kurz, was irgend einem, der mehrere unabhaͤn- gige Staaten in Europa bereiſet, deren Verſchie- denheit in Verfaſſung, Geſetzen und anderen Ein- richtungen begreiflich machen kann, das wird einen Reiſenden in Teutſchland bald eben ſo deutlich, und oft noch viel auffallender belehren, daß es ganz verſchiedene Staaten ſind, wo er oft nicht halbe Tagereiſen braucht, um bald republicaniſche, bald monarchiſche, bald eingeſchraͤnkte, bald beynahe deſpotiſche, bald erbliche, bald auf Wahlfreyheit beruhende Regierungsformen wahrzunehmen, um mit jedem neuen Gebiete wieder ganz andere Ge- ſetze, ganz andere Muͤnzen, andere Poſten, an- dere Soldaten zu finden. Ungleich haͤufiger wird ein jeder, der auch nur kurze Zeit auf Teutſchem Boden lebt, die Erfahrung machen, daß Teutſch- land aus mehreren ganz verſchiedenen Staaten beſteht, als daß es noch unter einem gemeinſa- men hoͤchſten Oberhaupte vereiniget iſt. Ein der Teutſchen Verfaſſung ganz eignes Verhaͤltniß, ſo hieraus erwachſen iſt, wird in Unterſcheidung mittelbarer und unmittelbarer Mitglieder des Teutſchen Reichs bemerklich ge- macht. Gleichwie nehmlich zweyerley Dinge, de- ren Verhaͤltniß unter einander ſich denken laͤßt, ohne

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/204>, abgerufen am 21.11.2024.