Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
VIII. Folgen d. Westph. Fr. 1648-1657.


III.
Besondere Beschaffenheit der geistlichen Länder.


I. In den geistlichen Ländern machen die Domcapitel
den ersten Landstand aus, oder vertreten auch wohl überhaupt
die Stelle der Landschaft. -- II. Sie errichten besondere
Wahlcapitulationen mit den geistlichen Fürsten. -- III. Wenn
kein Coadjutor zum voraus gewehlt ist, führen sie in der
Sedisvacanz die Regierung. -- IV. Auch sonst haben ihre
Vorrechte großen Einfluß auf die Verfassung der geistlichen
Länder. -- V. Sind sie gleich nicht Grundherren oder Mit-
eigenthümer des Landes; so bekleiden doch Domherren meist
wichtige Stellen im Lande. -- VI. Einiger Unterschied, nach-
dem Prinzen oder Edelleute geistliche Fürsten werden. --
VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Bischöfe
oder auch nur Domherren sind. -- VIII. Manche Stifter
sind fürstlichen Häusern auf lange Zeit nach einander zu Theil
geworden. -- IX. Sonst gibt es gemeiniglich öftere Ab-
wechselungen in der Regierung, -- und eben deswegen we-
niger Gleichförmigkeit in Grundsätzen. -- X-XII. Außerdem
sind die geistlichen Länder mit starken Abgaben nach Rom
beschwert. -- XIII. Alles das macht einen merklichen Unter-
schied zwischen dem Wohlstande geistlicher und weltlicher
Länder.



I.

Unsere geistliche Länder haben noch das beson-
dere, daß sie Domcapitel haben, d. i. eine
gewisse Anzahl geistlicher Herren von stiftsmäßigem
Adel, die berechtiget sind, das Haupt ihrer Kirche,
das dann zugleich der Regent des dazu gehörigen
geistlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch selbst
dazu gewehlet zu werden. Diese Domcapitel ma-
chen in den meisten geistlichen Ländern zugleich den
ersten Landstand aus. Oder, wo auch keine Land-
stände sind, ersetzen sie gewissermaßen ihre Stelle,
in so fern als wenigstens ohne Einwilligung der
Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat

oder
VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.


III.
Beſondere Beſchaffenheit der geiſtlichen Laͤnder.


I. In den geiſtlichen Laͤndern machen die Domcapitel
den erſten Landſtand aus, oder vertreten auch wohl uͤberhaupt
die Stelle der Landſchaft. — II. Sie errichten beſondere
Wahlcapitulationen mit den geiſtlichen Fuͤrſten. — III. Wenn
kein Coadjutor zum voraus gewehlt iſt, fuͤhren ſie in der
Sedisvacanz die Regierung. — IV. Auch ſonſt haben ihre
Vorrechte großen Einfluß auf die Verfaſſung der geiſtlichen
Laͤnder. — V. Sind ſie gleich nicht Grundherren oder Mit-
eigenthuͤmer des Landes; ſo bekleiden doch Domherren meiſt
wichtige Stellen im Lande. — VI. Einiger Unterſchied, nach-
dem Prinzen oder Edelleute geiſtliche Fuͤrſten werden. —
VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Biſchoͤfe
oder auch nur Domherren ſind. — VIII. Manche Stifter
ſind fuͤrſtlichen Haͤuſern auf lange Zeit nach einander zu Theil
geworden. — IX. Sonſt gibt es gemeiniglich oͤftere Ab-
wechſelungen in der Regierung, — und eben deswegen we-
niger Gleichfoͤrmigkeit in Grundſaͤtzen. — X-XII. Außerdem
ſind die geiſtlichen Laͤnder mit ſtarken Abgaben nach Rom
beſchwert. — XIII. Alles das macht einen merklichen Unter-
ſchied zwiſchen dem Wohlſtande geiſtlicher und weltlicher
Laͤnder.



I.

Unſere geiſtliche Laͤnder haben noch das beſon-
dere, daß ſie Domcapitel haben, d. i. eine
gewiſſe Anzahl geiſtlicher Herren von ſtiftsmaͤßigem
Adel, die berechtiget ſind, das Haupt ihrer Kirche,
das dann zugleich der Regent des dazu gehoͤrigen
geiſtlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch ſelbſt
dazu gewehlet zu werden. Dieſe Domcapitel ma-
chen in den meiſten geiſtlichen Laͤndern zugleich den
erſten Landſtand aus. Oder, wo auch keine Land-
ſtaͤnde ſind, erſetzen ſie gewiſſermaßen ihre Stelle,
in ſo fern als wenigſtens ohne Einwilligung der
Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat

oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0214" n="172"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Folgen d. We&#x017F;tph. Fr. 1648-1657.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">III.</hi><lb/>
Be&#x017F;ondere Be&#x017F;chaffenheit der gei&#x017F;tlichen La&#x0364;nder.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi> In den gei&#x017F;tlichen La&#x0364;ndern machen die Domcapitel<lb/>
den er&#x017F;ten Land&#x017F;tand aus, oder vertreten auch wohl u&#x0364;berhaupt<lb/>
die Stelle der Land&#x017F;chaft. &#x2014; <hi rendition="#aq">II.</hi> Sie errichten be&#x017F;ondere<lb/>
Wahlcapitulationen mit den gei&#x017F;tlichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten. &#x2014; <hi rendition="#aq">III.</hi> Wenn<lb/>
kein Coadjutor zum voraus gewehlt i&#x017F;t, fu&#x0364;hren &#x017F;ie in der<lb/>
Sedisvacanz die Regierung. &#x2014; <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auch &#x017F;on&#x017F;t haben ihre<lb/>
Vorrechte großen Einfluß auf die Verfa&#x017F;&#x017F;ung der gei&#x017F;tlichen<lb/>
La&#x0364;nder. &#x2014; <hi rendition="#aq">V.</hi> Sind &#x017F;ie gleich nicht Grundherren oder Mit-<lb/>
eigenthu&#x0364;mer des Landes; &#x017F;o bekleiden doch Domherren mei&#x017F;t<lb/>
wichtige Stellen im Lande. &#x2014; <hi rendition="#aq">VI.</hi> Einiger Unter&#x017F;chied, nach-<lb/>
dem Prinzen oder Edelleute gei&#x017F;tliche Fu&#x0364;r&#x017F;ten werden. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">VII.</hi> Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Bi&#x017F;cho&#x0364;fe<lb/>
oder auch nur Domherren &#x017F;ind. &#x2014; <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Manche Stifter<lb/>
&#x017F;ind fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Ha&#x0364;u&#x017F;ern auf lange Zeit nach einander zu Theil<lb/>
geworden. &#x2014; <hi rendition="#aq">IX.</hi> Son&#x017F;t gibt es gemeiniglich o&#x0364;ftere Ab-<lb/>
wech&#x017F;elungen in der Regierung, &#x2014; und eben deswegen we-<lb/>
niger Gleichfo&#x0364;rmigkeit in Grund&#x017F;a&#x0364;tzen. &#x2014; <hi rendition="#aq">X-XII.</hi> Außerdem<lb/>
&#x017F;ind die gei&#x017F;tlichen La&#x0364;nder mit &#x017F;tarken Abgaben nach Rom<lb/>
be&#x017F;chwert. &#x2014; <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Alles das macht einen merklichen Unter-<lb/>
&#x017F;chied zwi&#x017F;chen dem Wohl&#x017F;tande gei&#x017F;tlicher und weltlicher<lb/>
La&#x0364;nder.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">I.</hi> </note>
          <p><hi rendition="#in">U</hi>n&#x017F;ere gei&#x017F;tliche La&#x0364;nder haben noch das be&#x017F;on-<lb/>
dere, daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Domcapitel</hi> haben, d. i. eine<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Anzahl gei&#x017F;tlicher Herren von &#x017F;tiftsma&#x0364;ßigem<lb/>
Adel, die berechtiget &#x017F;ind, das Haupt ihrer Kirche,<lb/>
das dann zugleich der Regent des dazu geho&#x0364;rigen<lb/>
gei&#x017F;tlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
dazu gewehlet zu werden. Die&#x017F;e Domcapitel ma-<lb/>
chen in den mei&#x017F;ten gei&#x017F;tlichen La&#x0364;ndern zugleich den<lb/>
er&#x017F;ten Land&#x017F;tand aus. Oder, wo auch keine Land-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ind, er&#x017F;etzen &#x017F;ie gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen ihre Stelle,<lb/>
in &#x017F;o fern als wenig&#x017F;tens ohne Einwilligung der<lb/>
Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0214] VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657. III. Beſondere Beſchaffenheit der geiſtlichen Laͤnder. I. In den geiſtlichen Laͤndern machen die Domcapitel den erſten Landſtand aus, oder vertreten auch wohl uͤberhaupt die Stelle der Landſchaft. — II. Sie errichten beſondere Wahlcapitulationen mit den geiſtlichen Fuͤrſten. — III. Wenn kein Coadjutor zum voraus gewehlt iſt, fuͤhren ſie in der Sedisvacanz die Regierung. — IV. Auch ſonſt haben ihre Vorrechte großen Einfluß auf die Verfaſſung der geiſtlichen Laͤnder. — V. Sind ſie gleich nicht Grundherren oder Mit- eigenthuͤmer des Landes; ſo bekleiden doch Domherren meiſt wichtige Stellen im Lande. — VI. Einiger Unterſchied, nach- dem Prinzen oder Edelleute geiſtliche Fuͤrſten werden. — VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Biſchoͤfe oder auch nur Domherren ſind. — VIII. Manche Stifter ſind fuͤrſtlichen Haͤuſern auf lange Zeit nach einander zu Theil geworden. — IX. Sonſt gibt es gemeiniglich oͤftere Ab- wechſelungen in der Regierung, — und eben deswegen we- niger Gleichfoͤrmigkeit in Grundſaͤtzen. — X-XII. Außerdem ſind die geiſtlichen Laͤnder mit ſtarken Abgaben nach Rom beſchwert. — XIII. Alles das macht einen merklichen Unter- ſchied zwiſchen dem Wohlſtande geiſtlicher und weltlicher Laͤnder. Unſere geiſtliche Laͤnder haben noch das beſon- dere, daß ſie Domcapitel haben, d. i. eine gewiſſe Anzahl geiſtlicher Herren von ſtiftsmaͤßigem Adel, die berechtiget ſind, das Haupt ihrer Kirche, das dann zugleich der Regent des dazu gehoͤrigen geiſtlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch ſelbſt dazu gewehlet zu werden. Dieſe Domcapitel ma- chen in den meiſten geiſtlichen Laͤndern zugleich den erſten Landſtand aus. Oder, wo auch keine Land- ſtaͤnde ſind, erſetzen ſie gewiſſermaßen ihre Stelle, in ſo fern als wenigſtens ohne Einwilligung der Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/214
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/214>, abgerufen am 21.11.2024.