III. Besondere Beschaffenheit der geistlichen Länder.
I. In den geistlichen Ländern machen die Domcapitel den ersten Landstand aus, oder vertreten auch wohl überhaupt die Stelle der Landschaft. -- II. Sie errichten besondere Wahlcapitulationen mit den geistlichen Fürsten. -- III. Wenn kein Coadjutor zum voraus gewehlt ist, führen sie in der Sedisvacanz die Regierung. -- IV. Auch sonst haben ihre Vorrechte großen Einfluß auf die Verfassung der geistlichen Länder. -- V. Sind sie gleich nicht Grundherren oder Mit- eigenthümer des Landes; so bekleiden doch Domherren meist wichtige Stellen im Lande. -- VI. Einiger Unterschied, nach- dem Prinzen oder Edelleute geistliche Fürsten werden. -- VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Bischöfe oder auch nur Domherren sind. -- VIII. Manche Stifter sind fürstlichen Häusern auf lange Zeit nach einander zu Theil geworden. -- IX. Sonst gibt es gemeiniglich öftere Ab- wechselungen in der Regierung, -- und eben deswegen we- niger Gleichförmigkeit in Grundsätzen. -- X-XII. Außerdem sind die geistlichen Länder mit starken Abgaben nach Rom beschwert. -- XIII. Alles das macht einen merklichen Unter- schied zwischen dem Wohlstande geistlicher und weltlicher Länder.
I.
Unsere geistliche Länder haben noch das beson- dere, daß sie Domcapitel haben, d. i. eine gewisse Anzahl geistlicher Herren von stiftsmäßigem Adel, die berechtiget sind, das Haupt ihrer Kirche, das dann zugleich der Regent des dazu gehörigen geistlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch selbst dazu gewehlet zu werden. Diese Domcapitel ma- chen in den meisten geistlichen Ländern zugleich den ersten Landstand aus. Oder, wo auch keine Land- stände sind, ersetzen sie gewissermaßen ihre Stelle, in so fern als wenigstens ohne Einwilligung der Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat
oder
VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
III. Beſondere Beſchaffenheit der geiſtlichen Laͤnder.
I. In den geiſtlichen Laͤndern machen die Domcapitel den erſten Landſtand aus, oder vertreten auch wohl uͤberhaupt die Stelle der Landſchaft. — II. Sie errichten beſondere Wahlcapitulationen mit den geiſtlichen Fuͤrſten. — III. Wenn kein Coadjutor zum voraus gewehlt iſt, fuͤhren ſie in der Sedisvacanz die Regierung. — IV. Auch ſonſt haben ihre Vorrechte großen Einfluß auf die Verfaſſung der geiſtlichen Laͤnder. — V. Sind ſie gleich nicht Grundherren oder Mit- eigenthuͤmer des Landes; ſo bekleiden doch Domherren meiſt wichtige Stellen im Lande. — VI. Einiger Unterſchied, nach- dem Prinzen oder Edelleute geiſtliche Fuͤrſten werden. — VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Biſchoͤfe oder auch nur Domherren ſind. — VIII. Manche Stifter ſind fuͤrſtlichen Haͤuſern auf lange Zeit nach einander zu Theil geworden. — IX. Sonſt gibt es gemeiniglich oͤftere Ab- wechſelungen in der Regierung, — und eben deswegen we- niger Gleichfoͤrmigkeit in Grundſaͤtzen. — X-XII. Außerdem ſind die geiſtlichen Laͤnder mit ſtarken Abgaben nach Rom beſchwert. — XIII. Alles das macht einen merklichen Unter- ſchied zwiſchen dem Wohlſtande geiſtlicher und weltlicher Laͤnder.
I.
Unſere geiſtliche Laͤnder haben noch das beſon- dere, daß ſie Domcapitel haben, d. i. eine gewiſſe Anzahl geiſtlicher Herren von ſtiftsmaͤßigem Adel, die berechtiget ſind, das Haupt ihrer Kirche, das dann zugleich der Regent des dazu gehoͤrigen geiſtlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch ſelbſt dazu gewehlet zu werden. Dieſe Domcapitel ma- chen in den meiſten geiſtlichen Laͤndern zugleich den erſten Landſtand aus. Oder, wo auch keine Land- ſtaͤnde ſind, erſetzen ſie gewiſſermaßen ihre Stelle, in ſo fern als wenigſtens ohne Einwilligung der Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat
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VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
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I. In den geiſtlichen Laͤndern machen die Domcapitel
den erſten Landſtand aus, oder vertreten auch wohl uͤberhaupt
die Stelle der Landſchaft. — II. Sie errichten beſondere
Wahlcapitulationen mit den geiſtlichen Fuͤrſten. — III. Wenn
kein Coadjutor zum voraus gewehlt iſt, fuͤhren ſie in der
Sedisvacanz die Regierung. — IV. Auch ſonſt haben ihre
Vorrechte großen Einfluß auf die Verfaſſung der geiſtlichen
Laͤnder. — V. Sind ſie gleich nicht Grundherren oder Mit-
eigenthuͤmer des Landes; ſo bekleiden doch Domherren meiſt
wichtige Stellen im Lande. — VI. Einiger Unterſchied, nach-
dem Prinzen oder Edelleute geiſtliche Fuͤrſten werden. —
VII. Vortheile adelicher Familien, deren Verwandte Biſchoͤfe
oder auch nur Domherren ſind. — VIII. Manche Stifter
ſind fuͤrſtlichen Haͤuſern auf lange Zeit nach einander zu Theil
geworden. — IX. Sonſt gibt es gemeiniglich oͤftere Ab-
wechſelungen in der Regierung, — und eben deswegen we-
niger Gleichfoͤrmigkeit in Grundſaͤtzen. — X-XII. Außerdem
ſind die geiſtlichen Laͤnder mit ſtarken Abgaben nach Rom
beſchwert. — XIII. Alles das macht einen merklichen Unter-
ſchied zwiſchen dem Wohlſtande geiſtlicher und weltlicher
Laͤnder.
Unſere geiſtliche Laͤnder haben noch das beſon-
dere, daß ſie Domcapitel haben, d. i. eine
gewiſſe Anzahl geiſtlicher Herren von ſtiftsmaͤßigem
Adel, die berechtiget ſind, das Haupt ihrer Kirche,
das dann zugleich der Regent des dazu gehoͤrigen
geiſtlichen Landes wird, zu wehlen, oder auch ſelbſt
dazu gewehlet zu werden. Dieſe Domcapitel ma-
chen in den meiſten geiſtlichen Laͤndern zugleich den
erſten Landſtand aus. Oder, wo auch keine Land-
ſtaͤnde ſind, erſetzen ſie gewiſſermaßen ihre Stelle,
in ſo fern als wenigſtens ohne Einwilligung der
Domcapitel in wichtigen Sachen, die den Staat
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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