Seite auch andere Reichsstände zu Bundesgenossen hatten.
Eben das gab Anlaß, daß der Nordische KriegII. ein traurigbelehrendes Beyspiel einer neuen Un- vollkommenheit in der Teutschen Reichsverfassung blicken ließ. Vermöge des Westphälischen Frie- dens hatte jeder Reichsstand das Recht der Bünd- nisse, Krieges und Friedens; aber vermöge des Landfriedens, der schon älter als der Westphälische Friede, und in diesem von neuem befestiget war, sollte kein Reichsstand des andern Land mit Krieg überziehen. Allein wie wenn nun Dänemark Chur- sachsen, Schweden hingegen den Herzog von Braunschweig-Zelle zu Bundesgenossen hatte? und wie wenn nun die Kriegsläufte zwischen Dä- nemark und Schweden sich so fügten, daß Chur- sächsische Kriegsvölker als Dänische Bundesgenossen gegen Braunschweig-Zellische als Schwedische Hülfsvölker zu fechten kamen, oder jene gar ins Zellische feindlich einbrachen? Da waren freylich Chursachsen und Braunschweig-Zelle nicht die ei- gentlich kriegführenden Theile; aber sie verübten doch alle Gattungen von Feindseligkeiten gegen ein- ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens- bruch die Frage war. So schien beynahe der Land- friede eine allgemeine Ausnahme zu bekommen, wenn zwey auswärtige Mächte mit einander Krieg führten, und jede diesen oder jenen Teutschen Reichsstand zum Bundesgenossen hatte; wo nicht gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs- stände unter sich in Mißhelligkeiten geriethen, und auswärtige Mächte als Bundesgenossen dieses oder jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in
den
12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705.
Seite auch andere Reichsſtaͤnde zu Bundesgenoſſen hatten.
Eben das gab Anlaß, daß der Nordiſche KriegII. ein traurigbelehrendes Beyſpiel einer neuen Un- vollkommenheit in der Teutſchen Reichsverfaſſung blicken ließ. Vermoͤge des Weſtphaͤliſchen Frie- dens hatte jeder Reichsſtand das Recht der Buͤnd- niſſe, Krieges und Friedens; aber vermoͤge des Landfriedens, der ſchon aͤlter als der Weſtphaͤliſche Friede, und in dieſem von neuem befeſtiget war, ſollte kein Reichsſtand des andern Land mit Krieg uͤberziehen. Allein wie wenn nun Daͤnemark Chur- ſachſen, Schweden hingegen den Herzog von Braunſchweig-Zelle zu Bundesgenoſſen hatte? und wie wenn nun die Kriegslaͤufte zwiſchen Daͤ- nemark und Schweden ſich ſo fuͤgten, daß Chur- ſaͤchſiſche Kriegsvoͤlker als Daͤniſche Bundesgenoſſen gegen Braunſchweig-Zelliſche als Schwediſche Huͤlfsvoͤlker zu fechten kamen, oder jene gar ins Zelliſche feindlich einbrachen? Da waren freylich Churſachſen und Braunſchweig-Zelle nicht die ei- gentlich kriegfuͤhrenden Theile; aber ſie veruͤbten doch alle Gattungen von Feindſeligkeiten gegen ein- ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens- bruch die Frage war. So ſchien beynahe der Land- friede eine allgemeine Ausnahme zu bekommen, wenn zwey auswaͤrtige Maͤchte mit einander Krieg fuͤhrten, und jede dieſen oder jenen Teutſchen Reichsſtand zum Bundesgenoſſen hatte; wo nicht gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs- ſtaͤnde unter ſich in Mißhelligkeiten geriethen, und auswaͤrtige Maͤchte als Bundesgenoſſen dieſes oder jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0407"n="365"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705.</hi></fw><lb/>
Seite auch andere Reichsſtaͤnde zu Bundesgenoſſen<lb/>
hatten.</p><lb/><p>Eben das gab Anlaß, daß der Nordiſche Krieg<noteplace="right"><hirendition="#aq">II.</hi></note><lb/>
ein traurigbelehrendes Beyſpiel einer neuen Un-<lb/>
vollkommenheit in der Teutſchen Reichsverfaſſung<lb/>
blicken ließ. Vermoͤge des Weſtphaͤliſchen Frie-<lb/>
dens hatte jeder Reichsſtand das Recht der Buͤnd-<lb/>
niſſe, Krieges und Friedens; aber vermoͤge des<lb/>
Landfriedens, der ſchon aͤlter als der Weſtphaͤliſche<lb/>
Friede, und in dieſem von neuem befeſtiget war,<lb/>ſollte kein Reichsſtand des andern Land mit Krieg<lb/>
uͤberziehen. Allein wie wenn nun Daͤnemark Chur-<lb/>ſachſen, Schweden hingegen den Herzog von<lb/>
Braunſchweig-Zelle zu Bundesgenoſſen hatte?<lb/>
und wie wenn nun die Kriegslaͤufte zwiſchen Daͤ-<lb/>
nemark und Schweden ſich ſo fuͤgten, daß Chur-<lb/>ſaͤchſiſche Kriegsvoͤlker als Daͤniſche Bundesgenoſſen<lb/>
gegen Braunſchweig-Zelliſche als Schwediſche<lb/>
Huͤlfsvoͤlker zu fechten kamen, oder jene gar ins<lb/>
Zelliſche feindlich einbrachen? Da waren freylich<lb/>
Churſachſen und Braunſchweig-Zelle nicht die ei-<lb/>
gentlich kriegfuͤhrenden Theile; aber ſie veruͤbten<lb/>
doch alle Gattungen von Feindſeligkeiten gegen ein-<lb/>
ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens-<lb/>
bruch die Frage war. So ſchien beynahe der <hirendition="#fr">Land-<lb/>
friede</hi> eine allgemeine <hirendition="#fr">Ausnahme</hi> zu bekommen,<lb/>
wenn zwey auswaͤrtige Maͤchte mit einander Krieg<lb/>
fuͤhrten, und jede dieſen oder jenen Teutſchen<lb/>
Reichsſtand zum Bundesgenoſſen hatte; wo nicht<lb/>
gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs-<lb/>ſtaͤnde unter ſich in Mißhelligkeiten geriethen, und<lb/>
auswaͤrtige Maͤchte als Bundesgenoſſen dieſes oder<lb/>
jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[365/0407]
12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705.
Seite auch andere Reichsſtaͤnde zu Bundesgenoſſen
hatten.
Eben das gab Anlaß, daß der Nordiſche Krieg
ein traurigbelehrendes Beyſpiel einer neuen Un-
vollkommenheit in der Teutſchen Reichsverfaſſung
blicken ließ. Vermoͤge des Weſtphaͤliſchen Frie-
dens hatte jeder Reichsſtand das Recht der Buͤnd-
niſſe, Krieges und Friedens; aber vermoͤge des
Landfriedens, der ſchon aͤlter als der Weſtphaͤliſche
Friede, und in dieſem von neuem befeſtiget war,
ſollte kein Reichsſtand des andern Land mit Krieg
uͤberziehen. Allein wie wenn nun Daͤnemark Chur-
ſachſen, Schweden hingegen den Herzog von
Braunſchweig-Zelle zu Bundesgenoſſen hatte?
und wie wenn nun die Kriegslaͤufte zwiſchen Daͤ-
nemark und Schweden ſich ſo fuͤgten, daß Chur-
ſaͤchſiſche Kriegsvoͤlker als Daͤniſche Bundesgenoſſen
gegen Braunſchweig-Zelliſche als Schwediſche
Huͤlfsvoͤlker zu fechten kamen, oder jene gar ins
Zelliſche feindlich einbrachen? Da waren freylich
Churſachſen und Braunſchweig-Zelle nicht die ei-
gentlich kriegfuͤhrenden Theile; aber ſie veruͤbten
doch alle Gattungen von Feindſeligkeiten gegen ein-
ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens-
bruch die Frage war. So ſchien beynahe der Land-
friede eine allgemeine Ausnahme zu bekommen,
wenn zwey auswaͤrtige Maͤchte mit einander Krieg
fuͤhrten, und jede dieſen oder jenen Teutſchen
Reichsſtand zum Bundesgenoſſen hatte; wo nicht
gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs-
ſtaͤnde unter ſich in Mißhelligkeiten geriethen, und
auswaͤrtige Maͤchte als Bundesgenoſſen dieſes oder
jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in
den
II.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/407>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.