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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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X. Carl der VI. 1711-1740.
er selbst die geistliche Gerichtbarkeit ausübt, wenn
sie sich beschwert halten, keine Zuflucht weiter zu
einer höhern Instanz zu gute kommen? -- Wird
das nicht eine unerträgliche Anomalie, ein Uebel-
stand und ein Widerspruch in der ganzen Teutschen
Verfassung seyn? -- So scheinbar gefährlich das
dem ersten Anblick nach aussieht, so wenig hat das
alles im Grunde zu bedeuten.


XIII.

Es geschieht in mehreren Fällen nicht selten,
daß unsere Reichsstände in ihren eignen Sa-
chen,
wenn sie ihrer Cammergüter und Regalien
wegen mit ihren eignen Unterthanen in Rechtsstreit
gerathen, sich den Aussprüchen ihrer eignen Ge-
richte, die in solcher Absicht ihrer sonst dem Lan-
desherrn geleisteten Pflichten entlaßen werden, un-
terwerfen. Eben so pflegen evangelische Reichs-
stände, wenn nicht etwa von beiden Theilen ein
Compromiß auf ein drittes Consistorium oder
Rechtscollegium beliebet wird, sich ihren eignen
Consistorien in ihren persönlichen geistlichen Sachen
zu unterwerfen; wobey desto weniger zu erinnern
ist, da ein jeder Theil am Ende allenfalls um Ver-
schickung der Acten an auswärtige unpartheyische
Rechtsgelehrten, oder auch an eine theologische
und juristische Facultät zugleich bitten kann.


XIV.

Daß aber von Aussprüchen evangelischer
Reichsstände in geistlichen Sachen ihrer Untertha-
nen keine Appellation an die Reichsgerichte statt
findet, ist bey weitem nicht der einzige Fall in sei-
ner Art. Eben das ist der Fall mit allen reichs-
ständischen Erkenntnissen in peinlichen Sachen.
Und wie viele Reichsstände sind nicht auch in bloß

bür-

X. Carl der VI. 1711-1740.
er ſelbſt die geiſtliche Gerichtbarkeit ausuͤbt, wenn
ſie ſich beſchwert halten, keine Zuflucht weiter zu
einer hoͤhern Inſtanz zu gute kommen? — Wird
das nicht eine unertraͤgliche Anomalie, ein Uebel-
ſtand und ein Widerſpruch in der ganzen Teutſchen
Verfaſſung ſeyn? — So ſcheinbar gefaͤhrlich das
dem erſten Anblick nach ausſieht, ſo wenig hat das
alles im Grunde zu bedeuten.


XIII.

Es geſchieht in mehreren Faͤllen nicht ſelten,
daß unſere Reichsſtaͤnde in ihren eignen Sa-
chen,
wenn ſie ihrer Cammerguͤter und Regalien
wegen mit ihren eignen Unterthanen in Rechtsſtreit
gerathen, ſich den Ausſpruͤchen ihrer eignen Ge-
richte, die in ſolcher Abſicht ihrer ſonſt dem Lan-
desherrn geleiſteten Pflichten entlaßen werden, un-
terwerfen. Eben ſo pflegen evangeliſche Reichs-
ſtaͤnde, wenn nicht etwa von beiden Theilen ein
Compromiß auf ein drittes Conſiſtorium oder
Rechtscollegium beliebet wird, ſich ihren eignen
Conſiſtorien in ihren perſoͤnlichen geiſtlichen Sachen
zu unterwerfen; wobey deſto weniger zu erinnern
iſt, da ein jeder Theil am Ende allenfalls um Ver-
ſchickung der Acten an auswaͤrtige unpartheyiſche
Rechtsgelehrten, oder auch an eine theologiſche
und juriſtiſche Facultaͤt zugleich bitten kann.


XIV.

Daß aber von Ausſpruͤchen evangeliſcher
Reichsſtaͤnde in geiſtlichen Sachen ihrer Untertha-
nen keine Appellation an die Reichsgerichte ſtatt
findet, iſt bey weitem nicht der einzige Fall in ſei-
ner Art. Eben das iſt der Fall mit allen reichs-
ſtaͤndiſchen Erkenntniſſen in peinlichen Sachen.
Und wie viele Reichsſtaͤnde ſind nicht auch in bloß

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[428/0470] X. Carl der VI. 1711-1740. er ſelbſt die geiſtliche Gerichtbarkeit ausuͤbt, wenn ſie ſich beſchwert halten, keine Zuflucht weiter zu einer hoͤhern Inſtanz zu gute kommen? — Wird das nicht eine unertraͤgliche Anomalie, ein Uebel- ſtand und ein Widerſpruch in der ganzen Teutſchen Verfaſſung ſeyn? — So ſcheinbar gefaͤhrlich das dem erſten Anblick nach ausſieht, ſo wenig hat das alles im Grunde zu bedeuten. Es geſchieht in mehreren Faͤllen nicht ſelten, daß unſere Reichsſtaͤnde in ihren eignen Sa- chen, wenn ſie ihrer Cammerguͤter und Regalien wegen mit ihren eignen Unterthanen in Rechtsſtreit gerathen, ſich den Ausſpruͤchen ihrer eignen Ge- richte, die in ſolcher Abſicht ihrer ſonſt dem Lan- desherrn geleiſteten Pflichten entlaßen werden, un- terwerfen. Eben ſo pflegen evangeliſche Reichs- ſtaͤnde, wenn nicht etwa von beiden Theilen ein Compromiß auf ein drittes Conſiſtorium oder Rechtscollegium beliebet wird, ſich ihren eignen Conſiſtorien in ihren perſoͤnlichen geiſtlichen Sachen zu unterwerfen; wobey deſto weniger zu erinnern iſt, da ein jeder Theil am Ende allenfalls um Ver- ſchickung der Acten an auswaͤrtige unpartheyiſche Rechtsgelehrten, oder auch an eine theologiſche und juriſtiſche Facultaͤt zugleich bitten kann. Daß aber von Ausſpruͤchen evangeliſcher Reichsſtaͤnde in geiſtlichen Sachen ihrer Untertha- nen keine Appellation an die Reichsgerichte ſtatt findet, iſt bey weitem nicht der einzige Fall in ſei- ner Art. Eben das iſt der Fall mit allen reichs- ſtaͤndiſchen Erkenntniſſen in peinlichen Sachen. Und wie viele Reichsſtaͤnde ſind nicht auch in bloß buͤr-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/470>, abgerufen am 22.11.2024.