Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

XIII. Joseph II. 1764-1786.
de, könne die Kaiserinn von Rußland die Sache
nicht mehr als eine bloße Mißhelligkeit betrachten,
von welcher sie Hoffnung gehabt habe, selbige
auf eine freundschaftliche Art geendiget zu sehen.
Teutschland sey sowohl wegen seiner Lage, als auch
wegen seiner Macht, der Mittelpunct aller Staats-
geschäffte und aller Angelegenheiten von Europa.
Es müße also alle übrige Staaten im höchsten
Grade interessiren, ob seine Regierungsform un-
verletzt erhalten werde, oder Veränderungen lei-
de, ob es den Frieden genieße, oder durch Kriege
zerrissen werde. Besonders müße hieran denen
Staaten gelegen seyn, die, wie das Russische
Reich, ausser dem Interesse und den Verbindun-
gen, die ein Staat natürlicher Weise mit dem an-
dern habe, und ausser den Freundschaftsverbindun-
gen mit dem größten Theile der Reichsfürsten,
auch noch die genaue Allianz mit derjenigen Macht
in Betrachtung ziehen müßen, welche nm dem
thätlichen Verfahren des kaiserlich königlichen Ho-
fes Widerstand zu thun, zu den Waffen gegriffen
habe. Es stehe also nicht bey der Kaiserinn, in
den anfänglichen und bisherigen Schranken der
äussersten Schonung und Gleichgültigkeit in An-
sehung der Untersuchung der Ansprüche auf die
Bairische Erbfolge zu verbleiben; sondern sie sehe
sich nun zum Gegentheile verpflichtet."


VIII.

"Ohne sich auf das Teutsche Staatsrecht ein-
zulaßen, nehme die Kaiserinn bloß die natürliche
Billigkeit, und diejenigen Grundsätze, auf wel-
chen jede Gesellschaft beruhe, zur Regel; und sel-
biger zufolge finde sie, daß alles bey der wichtigen
Frage, die das ganze Reich in Bewegung setze,

dar-

XIII. Joſeph II. 1764-1786.
de, koͤnne die Kaiſerinn von Rußland die Sache
nicht mehr als eine bloße Mißhelligkeit betrachten,
von welcher ſie Hoffnung gehabt habe, ſelbige
auf eine freundſchaftliche Art geendiget zu ſehen.
Teutſchland ſey ſowohl wegen ſeiner Lage, als auch
wegen ſeiner Macht, der Mittelpunct aller Staats-
geſchaͤffte und aller Angelegenheiten von Europa.
Es muͤße alſo alle uͤbrige Staaten im hoͤchſten
Grade intereſſiren, ob ſeine Regierungsform un-
verletzt erhalten werde, oder Veraͤnderungen lei-
de, ob es den Frieden genieße, oder durch Kriege
zerriſſen werde. Beſonders muͤße hieran denen
Staaten gelegen ſeyn, die, wie das Ruſſiſche
Reich, auſſer dem Intereſſe und den Verbindun-
gen, die ein Staat natuͤrlicher Weiſe mit dem an-
dern habe, und auſſer den Freundſchaftsverbindun-
gen mit dem groͤßten Theile der Reichsfuͤrſten,
auch noch die genaue Allianz mit derjenigen Macht
in Betrachtung ziehen muͤßen, welche nm dem
thaͤtlichen Verfahren des kaiſerlich koͤniglichen Ho-
fes Widerſtand zu thun, zu den Waffen gegriffen
habe. Es ſtehe alſo nicht bey der Kaiſerinn, in
den anfaͤnglichen und bisherigen Schranken der
aͤuſſerſten Schonung und Gleichguͤltigkeit in An-
ſehung der Unterſuchung der Anſpruͤche auf die
Bairiſche Erbfolge zu verbleiben; ſondern ſie ſehe
ſich nun zum Gegentheile verpflichtet.”


VIII.

”Ohne ſich auf das Teutſche Staatsrecht ein-
zulaßen, nehme die Kaiſerinn bloß die natuͤrliche
Billigkeit, und diejenigen Grundſaͤtze, auf wel-
chen jede Geſellſchaft beruhe, zur Regel; und ſel-
biger zufolge finde ſie, daß alles bey der wichtigen
Frage, die das ganze Reich in Bewegung ſetze,

dar-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XIII.</hi> Jo&#x017F;eph <hi rendition="#aq">II.</hi> 1764-1786.</fw><lb/>
de, ko&#x0364;nne die Kai&#x017F;erinn von Rußland die Sache<lb/>
nicht mehr als eine bloße Mißhelligkeit betrachten,<lb/>
von welcher &#x017F;ie Hoffnung gehabt habe, &#x017F;elbige<lb/>
auf eine freund&#x017F;chaftliche Art geendiget zu &#x017F;ehen.<lb/>
Teut&#x017F;chland &#x017F;ey &#x017F;owohl wegen &#x017F;einer Lage, als auch<lb/>
wegen &#x017F;einer Macht, der Mittelpunct aller Staats-<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;ffte und aller Angelegenheiten von Europa.<lb/>
Es mu&#x0364;ße al&#x017F;o alle u&#x0364;brige Staaten im ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Grade intere&#x017F;&#x017F;iren, ob &#x017F;eine Regierungsform un-<lb/>
verletzt erhalten werde, oder Vera&#x0364;nderungen lei-<lb/>
de, ob es den Frieden genieße, oder durch Kriege<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;en werde. Be&#x017F;onders mu&#x0364;ße hieran denen<lb/>
Staaten gelegen &#x017F;eyn, die, wie das Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Reich, au&#x017F;&#x017F;er dem Intere&#x017F;&#x017F;e und den Verbindun-<lb/>
gen, die ein Staat natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e mit dem an-<lb/>
dern habe, und au&#x017F;&#x017F;er den Freund&#x017F;chaftsverbindun-<lb/>
gen mit dem gro&#x0364;ßten Theile der Reichsfu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
auch noch die genaue Allianz mit derjenigen Macht<lb/>
in Betrachtung ziehen mu&#x0364;ßen, welche nm dem<lb/>
tha&#x0364;tlichen Verfahren des kai&#x017F;erlich ko&#x0364;niglichen Ho-<lb/>
fes Wider&#x017F;tand zu thun, zu den Waffen gegriffen<lb/>
habe. Es &#x017F;tehe al&#x017F;o nicht bey der Kai&#x017F;erinn, in<lb/>
den anfa&#x0364;nglichen und bisherigen Schranken der<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Schonung und Gleichgu&#x0364;ltigkeit in An-<lb/>
&#x017F;ehung der Unter&#x017F;uchung der An&#x017F;pru&#x0364;che auf die<lb/>
Bairi&#x017F;che Erbfolge zu verbleiben; &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ehe<lb/>
&#x017F;ich nun zum Gegentheile verpflichtet.&#x201D;</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">VIII.</hi> </note>
          <p>&#x201D;Ohne &#x017F;ich auf das Teut&#x017F;che Staatsrecht ein-<lb/>
zulaßen, nehme die Kai&#x017F;erinn bloß die natu&#x0364;rliche<lb/>
Billigkeit, und diejenigen Grund&#x017F;a&#x0364;tze, auf wel-<lb/>
chen jede Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft beruhe, zur Regel; und &#x017F;el-<lb/>
biger zufolge finde &#x017F;ie, daß alles bey der wichtigen<lb/>
Frage, die das ganze Reich in Bewegung &#x017F;etze,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dar-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0224] XIII. Joſeph II. 1764-1786. de, koͤnne die Kaiſerinn von Rußland die Sache nicht mehr als eine bloße Mißhelligkeit betrachten, von welcher ſie Hoffnung gehabt habe, ſelbige auf eine freundſchaftliche Art geendiget zu ſehen. Teutſchland ſey ſowohl wegen ſeiner Lage, als auch wegen ſeiner Macht, der Mittelpunct aller Staats- geſchaͤffte und aller Angelegenheiten von Europa. Es muͤße alſo alle uͤbrige Staaten im hoͤchſten Grade intereſſiren, ob ſeine Regierungsform un- verletzt erhalten werde, oder Veraͤnderungen lei- de, ob es den Frieden genieße, oder durch Kriege zerriſſen werde. Beſonders muͤße hieran denen Staaten gelegen ſeyn, die, wie das Ruſſiſche Reich, auſſer dem Intereſſe und den Verbindun- gen, die ein Staat natuͤrlicher Weiſe mit dem an- dern habe, und auſſer den Freundſchaftsverbindun- gen mit dem groͤßten Theile der Reichsfuͤrſten, auch noch die genaue Allianz mit derjenigen Macht in Betrachtung ziehen muͤßen, welche nm dem thaͤtlichen Verfahren des kaiſerlich koͤniglichen Ho- fes Widerſtand zu thun, zu den Waffen gegriffen habe. Es ſtehe alſo nicht bey der Kaiſerinn, in den anfaͤnglichen und bisherigen Schranken der aͤuſſerſten Schonung und Gleichguͤltigkeit in An- ſehung der Unterſuchung der Anſpruͤche auf die Bairiſche Erbfolge zu verbleiben; ſondern ſie ſehe ſich nun zum Gegentheile verpflichtet.” ”Ohne ſich auf das Teutſche Staatsrecht ein- zulaßen, nehme die Kaiſerinn bloß die natuͤrliche Billigkeit, und diejenigen Grundſaͤtze, auf wel- chen jede Geſellſchaft beruhe, zur Regel; und ſel- biger zufolge finde ſie, daß alles bey der wichtigen Frage, die das ganze Reich in Bewegung ſetze, dar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/224
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/224>, abgerufen am 26.11.2024.