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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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6) Recurse u. Cerem. 1745-1748.
laßen, daß "den in letzteren Zeiten bey Ermange-
lung der Revision an den Reichstag genommenen
Recursen Ziel und Maaß zu setzen" sey (n). Da
aber statt dessen selbst unter Carl dem VII. das neue
Beyspiel des Hessencasselischen Recurses vielmehr
neuen Muth machte; so nahm seitdem die Zahl
der Recurse noch immer zusehends zu. Gleich in
dem ersten Regierungsjahre Franz des I. wurden
insonderheit vier Recurse, welche von Churpfalz,
Sachsenweimar, Anhaltcöthen und Salm schon
unter der vorigen Regierung wider das Cammer-
gericht am Reichstage angebracht waren, sehr leb-
haft betrieben.

Bey dieser Gelegenheit entstand eine neue Fra-V.
ge; ob nicht wenigstens vom Cammergerichte erst
Bericht zu fordern sey, ehe man am Reichstage
in diesen Sachen selbst etwas entscheiden könne?
Nun war wohl nichts billiger, als daß der ganz
allgemeine Grundsatz, niemanden ungehört zu ver-
urtheilen, auch einem so hohen Gerichte zu gute
kommen müße, damit dasselbe nicht, ohne erst
mit seinen Gründen gehöret zu seyn, unrecht er-
kannt zu haben verurtheilt werden möchte. Das
war auch der Analogie gemäß, da kein Appella-
tionsrichter leicht eines Unterrichters Erkenntniß
abändern wird, ohne erst seine Entscheidungsgrün-
de und seinen Bericht über die wider ihn ange-
brachten Beschwerden vernommen zu haben.
Selbst die nächste Analogie von der Revision am
Cammergerichte stimmt damit überein, da selbst
der Beysitzer, der am Cammergerichte Referent

gewe-
(n) Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 3.
D 2

6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
laßen, daß ”den in letzteren Zeiten bey Ermange-
lung der Reviſion an den Reichstag genommenen
Recurſen Ziel und Maaß zu ſetzen” ſey (n). Da
aber ſtatt deſſen ſelbſt unter Carl dem VII. das neue
Beyſpiel des Heſſencaſſeliſchen Recurſes vielmehr
neuen Muth machte; ſo nahm ſeitdem die Zahl
der Recurſe noch immer zuſehends zu. Gleich in
dem erſten Regierungsjahre Franz des I. wurden
inſonderheit vier Recurſe, welche von Churpfalz,
Sachſenweimar, Anhaltcoͤthen und Salm ſchon
unter der vorigen Regierung wider das Cammer-
gericht am Reichstage angebracht waren, ſehr leb-
haft betrieben.

Bey dieſer Gelegenheit entſtand eine neue Fra-V.
ge; ob nicht wenigſtens vom Cammergerichte erſt
Bericht zu fordern ſey, ehe man am Reichstage
in dieſen Sachen ſelbſt etwas entſcheiden koͤnne?
Nun war wohl nichts billiger, als daß der ganz
allgemeine Grundſatz, niemanden ungehoͤrt zu ver-
urtheilen, auch einem ſo hohen Gerichte zu gute
kommen muͤße, damit daſſelbe nicht, ohne erſt
mit ſeinen Gruͤnden gehoͤret zu ſeyn, unrecht er-
kannt zu haben verurtheilt werden moͤchte. Das
war auch der Analogie gemaͤß, da kein Appella-
tionsrichter leicht eines Unterrichters Erkenntniß
abaͤndern wird, ohne erſt ſeine Entſcheidungsgruͤn-
de und ſeinen Bericht uͤber die wider ihn ange-
brachten Beſchwerden vernommen zu haben.
Selbſt die naͤchſte Analogie von der Reviſion am
Cammergerichte ſtimmt damit uͤberein, da ſelbſt
der Beyſitzer, der am Cammergerichte Referent

gewe-
(n) Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 3.
D 2
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[51/0085] 6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748. laßen, daß ”den in letzteren Zeiten bey Ermange- lung der Reviſion an den Reichstag genommenen Recurſen Ziel und Maaß zu ſetzen” ſey (n). Da aber ſtatt deſſen ſelbſt unter Carl dem VII. das neue Beyſpiel des Heſſencaſſeliſchen Recurſes vielmehr neuen Muth machte; ſo nahm ſeitdem die Zahl der Recurſe noch immer zuſehends zu. Gleich in dem erſten Regierungsjahre Franz des I. wurden inſonderheit vier Recurſe, welche von Churpfalz, Sachſenweimar, Anhaltcoͤthen und Salm ſchon unter der vorigen Regierung wider das Cammer- gericht am Reichstage angebracht waren, ſehr leb- haft betrieben. Bey dieſer Gelegenheit entſtand eine neue Fra- ge; ob nicht wenigſtens vom Cammergerichte erſt Bericht zu fordern ſey, ehe man am Reichstage in dieſen Sachen ſelbſt etwas entſcheiden koͤnne? Nun war wohl nichts billiger, als daß der ganz allgemeine Grundſatz, niemanden ungehoͤrt zu ver- urtheilen, auch einem ſo hohen Gerichte zu gute kommen muͤße, damit daſſelbe nicht, ohne erſt mit ſeinen Gruͤnden gehoͤret zu ſeyn, unrecht er- kannt zu haben verurtheilt werden moͤchte. Das war auch der Analogie gemaͤß, da kein Appella- tionsrichter leicht eines Unterrichters Erkenntniß abaͤndern wird, ohne erſt ſeine Entſcheidungsgruͤn- de und ſeinen Bericht uͤber die wider ihn ange- brachten Beſchwerden vernommen zu haben. Selbſt die naͤchſte Analogie von der Reviſion am Cammergerichte ſtimmt damit uͤberein, da ſelbſt der Beyſitzer, der am Cammergerichte Referent gewe- V. (n) Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 3. D 2

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/85>, abgerufen am 24.11.2024.