Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.Das I. Capitel ersten sechs Könige das Volck mehr durchGewogenheit als Furcht in Gehorsam hielten. So bald aber als Tarquinius Su- perbus das Volck mit ungewohnter Last begunte zu drucken/ u. ihre Gemüther von von sich abwendete/ war es Bruto leicht unter dem Vorwand der an Lucretia ver- übten Schande/ das bereit übel gewogene Volck aufzuwickeln/ u. dem Konige das Mängel der Römi- schen Re- publicq.Thor für der Nasen zuzuschliessen. Gleich wie es aber bey allen Veränderungen zu- geschehen pfleget/ die man in der Eil oder aus Noth fürnimmt/ ehe man die Sache weißlich überwegen/ und den künftigen Staat vorauß abfassen können/ daß sich ei- nige Unvollkommen heiten einschleichen: al- so ist es auch bey Veränderung in der Re- publicq zu Rom hergangen/ denn man mu- ste etliche Dinge geschehen oder ungerüh- ret stehen lassen/ mehr weil es die gegen- wärtige Zeit nicht anders leyden wolte/ als daß sie zum Wohlstand und Festigkeit des Staats gedienet hätten. Einige Din- ge wurden auch anfangs aus Fahrlässig- keit versehen/ welche nachgehends grossen Anlaß zur Unruhe gaben. Zwar schei- net dieses gewiß zuseyn/ daß Brutus und Consorten nach Auswerffung Tarqui- nii eine Aristocratische Regierung wollen einführen; weil es nicht glaublich ist/ daß
Das I. Capitel erſten ſechs Koͤnige das Volck mehr duꝛchGewogenheit als Furcht in Gehorſam hielten. So bald aber als Tarquinius Su- perbus das Volck mit ungewohnter Laſt begunte zu druckẽ/ u. ihre Gemuͤther von von ſich abwendete/ war es Bruto leicht unter dem Vorwand der an Lucretia veꝛ- uͤbten Schande/ das bereit uͤbel gewogene Volck aufzuwickeln/ u. dem Konige das Maͤngel der Roͤmi- ſchen Re- publicq.Thor fuͤr der Naſen zuzuſchlieſſẽ. Gleich wie es aber bey allen Veraͤnderungen zu- geſchehen pfleget/ die man in der Eil oder aus Noth fuͤrnim̃t/ ehe man die Sache weißlich uͤberwegen/ und den kuͤnftigen Staat voꝛauß abfaſſen koͤñen/ daß ſich ei- nige Unvollkom̃en heiten einſchleichẽ: al- ſo iſt es auch bey Veraͤnderung in der Re- publicq zu Rom hergangẽ/ deñ man mu- ſte etliche Dinge geſchehen oder ungeruͤh- ret ſtehen laſſen/ mehr weil es die gegen- waͤrtige Zeit nicht anders leyden wolte/ als daß ſie zum Wohlſtand und Feſtigkeit des Staats gedienet haͤtten. Einige Din- ge wurden auch anfangs aus Fahrlaͤſſig- keit verſehen/ welche nachgehends groſſen Anlaß zur Unruhe gaben. Zwar ſchei- net dieſes gewiß zuſeyn/ daß Brutus und Conſorten nach Auswerffung Tarqui- nii eine Ariſtocratiſche Regierung wollen einfuͤhren; weil es nicht glaublich iſt/ daß
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Das I. Capitel
erſten ſechs Koͤnige das Volck mehr duꝛch
Gewogenheit als Furcht in Gehorſam
hielten. So bald aber als Tarquinius Su-
perbus das Volck mit ungewohnter Laſt
begunte zu druckẽ/ u. ihre Gemuͤther von
von ſich abwendete/ war es Bruto leicht
unter dem Vorwand der an Lucretia veꝛ-
uͤbten Schande/ das bereit uͤbel gewogene
Volck aufzuwickeln/ u. dem Konige das
Thor fuͤr der Naſen zuzuſchlieſſẽ. Gleich
wie es aber bey allen Veraͤnderungen zu-
geſchehen pfleget/ die man in der Eil oder
aus Noth fuͤrnim̃t/ ehe man die Sache
weißlich uͤberwegen/ und den kuͤnftigen
Staat voꝛauß abfaſſen koͤñen/ daß ſich ei-
nige Unvollkom̃en heiten einſchleichẽ: al-
ſo iſt es auch bey Veraͤnderung in der Re-
publicq zu Rom hergangẽ/ deñ man mu-
ſte etliche Dinge geſchehen oder ungeruͤh-
ret ſtehen laſſen/ mehr weil es die gegen-
waͤrtige Zeit nicht anders leyden wolte/
als daß ſie zum Wohlſtand und Feſtigkeit
des Staats gedienet haͤtten. Einige Din-
ge wurden auch anfangs aus Fahrlaͤſſig-
keit verſehen/ welche nachgehends groſſen
Anlaß zur Unruhe gaben. Zwar ſchei-
net dieſes gewiß zuſeyn/ daß Brutus und
Conſorten nach Auswerffung Tarqui-
nii eine Ariſtocratiſche Regierung wollen
einfuͤhren; weil es nicht glaublich iſt/
daß
Maͤngel
der Roͤmi-
ſchen Re-
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