Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
unser Heiland in diese zwey Stücke ein:
Liebe GOtt/ und liebe den Nech-
sten.
Darinnen ist das gantze Jus Na-
turae
enthalten/ so wohl im Stande der
Vollkommenheit/ als auch der Un-
vollkommenheit/ ohne nur/ daß in je-
nen entweder gar keiner/ oder doch nur
ein sehr geringer Unterscheid war unter
dem Jure Naturae, und der Theologia
morali.
Denn auch die Liebe gegen dem
Nechsten kan gar füglich durch die Socia-
lität,
oder Zuneigung zur mensch-
lichen Gesellschaffs/
welche wir
zum Fundament der Natürlichen Rechte
brauchen/ verstanden werden. Allein/
wenn man die particulier und einze-
len Gesetze
nach einander ansiehet/ so
findet sich ein grosser Unterschied/ so wohl
in denen Geboten/ als auch Verbo-
ten.
Und zwar/ was anbelanget die
Gebote/ so gibts deren viel in dem itzi-
gen Sünden-Stande/ die im Stande
der Unschuld gar nicht hätten seyn kön-
nen/ theils/ weil sie eine solche Verrich-
tung oder Handlung praesupponiren/
welche in jenem glücklichen Zustande

nicht

Vorrede.
unſer Heiland in dieſe zwey Stuͤcke ein:
Liebe GOtt/ und liebe den Nech-
ſten.
Darinnen iſt das gantze Jus Na-
turæ
enthalten/ ſo wohl im Stande der
Vollkommenheit/ als auch der Un-
vollkommenheit/ ohne nur/ daß in je-
nen entweder gar keiner/ oder doch nur
ein ſehr geringer Unterſcheid war unter
dem Jure Naturæ, und der Theologiâ
morali.
Denn auch die Liebe gegen dem
Nechſten kan gar fuͤglich durch die Socia-
lität,
oder Zuneigung zur menſch-
lichen Geſellſchaffs/
welche wir
zum Fundament der Natuͤrlichen Rechte
brauchen/ verſtanden werden. Allein/
wenn man die particulier und einze-
len Geſetze
nach einander anſiehet/ ſo
findet ſich ein groſſer Unterſchied/ ſo wohl
in denen Geboten/ als auch Verbo-
ten.
Und zwar/ was anbelanget die
Gebote/ ſo gibts deren viel in dem itzi-
gen Suͤnden-Stande/ die im Stande
der Unſchuld gar nicht haͤtten ſeyn koͤn-
nen/ theils/ weil ſie eine ſolche Verrich-
tung oder Handlung præſupponiren/
welche in jenem gluͤcklichen Zuſtande

nicht
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
un&#x017F;er Heiland in die&#x017F;e zwey Stu&#x0364;cke ein:<lb/><hi rendition="#fr">Liebe GOtt/ und liebe den Nech-<lb/>
&#x017F;ten.</hi> Darinnen i&#x017F;t das gantze <hi rendition="#aq">Jus Na-<lb/>
turæ</hi> enthalten/ &#x017F;o wohl im Stande der<lb/>
Vollkommenheit/ als auch der Un-<lb/>
vollkommenheit/ ohne nur/ daß in je-<lb/>
nen entweder gar keiner/ oder doch nur<lb/>
ein &#x017F;ehr geringer Unter&#x017F;cheid war unter<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Jure Naturæ,</hi> und der <hi rendition="#aq">Theologiâ<lb/>
morali.</hi> Denn auch die Liebe gegen dem<lb/>
Nech&#x017F;ten kan gar fu&#x0364;glich durch die <hi rendition="#aq">Socia-<lb/>
lität,</hi> oder <hi rendition="#fr">Zuneigung zur men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaffs/</hi> welche wir<lb/>
zum <hi rendition="#aq">Fundament</hi> der Natu&#x0364;rlichen Rechte<lb/>
brauchen/ ver&#x017F;tanden werden. Allein/<lb/>
wenn man <hi rendition="#fr">die</hi> <hi rendition="#aq">particulier</hi> und <hi rendition="#fr">einze-<lb/>
len Ge&#x017F;etze</hi> nach einander an&#x017F;iehet/ &#x017F;o<lb/>
findet &#x017F;ich ein gro&#x017F;&#x017F;er Unter&#x017F;chied/ &#x017F;o wohl<lb/>
in denen <hi rendition="#fr">Geboten/</hi> als auch <hi rendition="#fr">Verbo-<lb/>
ten.</hi> Und zwar/ was anbelanget die<lb/><hi rendition="#fr">Gebote/</hi> &#x017F;o gibts deren viel in dem itzi-<lb/>
gen Su&#x0364;nden-Stande/ die im Stande<lb/>
der Un&#x017F;chuld gar nicht ha&#x0364;tten &#x017F;eyn ko&#x0364;n-<lb/>
nen/ theils/ weil &#x017F;ie eine &#x017F;olche Verrich-<lb/>
tung oder Handlung <hi rendition="#aq">præ&#x017F;upponir</hi>en/<lb/>
welche in jenem glu&#x0364;cklichen Zu&#x017F;tande<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0049] Vorrede. unſer Heiland in dieſe zwey Stuͤcke ein: Liebe GOtt/ und liebe den Nech- ſten. Darinnen iſt das gantze Jus Na- turæ enthalten/ ſo wohl im Stande der Vollkommenheit/ als auch der Un- vollkommenheit/ ohne nur/ daß in je- nen entweder gar keiner/ oder doch nur ein ſehr geringer Unterſcheid war unter dem Jure Naturæ, und der Theologiâ morali. Denn auch die Liebe gegen dem Nechſten kan gar fuͤglich durch die Socia- lität, oder Zuneigung zur menſch- lichen Geſellſchaffs/ welche wir zum Fundament der Natuͤrlichen Rechte brauchen/ verſtanden werden. Allein/ wenn man die particulier und einze- len Geſetze nach einander anſiehet/ ſo findet ſich ein groſſer Unterſchied/ ſo wohl in denen Geboten/ als auch Verbo- ten. Und zwar/ was anbelanget die Gebote/ ſo gibts deren viel in dem itzi- gen Suͤnden-Stande/ die im Stande der Unſchuld gar nicht haͤtten ſeyn koͤn- nen/ theils/ weil ſie eine ſolche Verrich- tung oder Handlung præſupponiren/ welche in jenem gluͤcklichen Zuſtande nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/49
Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/49>, abgerufen am 22.12.2024.