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Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176.

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Schnee zu verstehen ist. Nicht selten gestattet die Randkluft,
auf ihren Boden hinabzusteigen, in diesem Falle ist deren Ueber-
schreitung nicht schwierig, anders verhält es sich, wenn die
Kluft sehr breit und tief ist. Dann kann nur eine Schneebrücke,
ein Lawinenkegel oder ein Kletterstückchen helfen, beim Abstieg
wird oft ein gut berechneter Sprung zum Ziele führen. Sehr
gefährlich kann die Randkluft dann werden, wenn ihre Ränder
stark abgeschmolzen und unterhöhlt sind, oder wenn dieselben
unangeseilt betreten werden. In Folge Einbrechens in eine 40 m
tiefe Randkluft verunglückte 1890 Christian Schöllhorn auf der
Ost-Seite des Watzmanns, nachdem ein paar Jahrzehnte vorher
ein Jäger, der ungefähr an derselben Stelle durch die Eisdecke
brach, in schwer verletztem Zustande gerettet werden konnte.
Ein wichtiges Erforderniss bei Schnee- und Eistouren ist
eine gute Praxis im Stufenschlagen, wozu der Eispickel das
geeignetste Instrument ist. Wenn die Härte des Schnees nicht
zu gross ist, so kann man auch auf steilen Hängen durch blosses
Einstossen der Füsse genügenden Halt finden. Wer Steigeisen
bei sich hat, erspart sich das Stufenhauen oft ganz oder doch
theilweise. Für den Gemsjäger sind ein Paar Steigeisen und ein
mit einem scharfen Stachel versehener Bergstock die empfehlens-
wertheste Ausrüstung. Bei sehr vielen Schneehängen genügt es,
wenn man mit der Schaufel des Pickels eine Stufe auskratzt.
Das Stufenkratzen ist weniger anstrengend als das Stufenhauen,
der Pickel wird in ersterem Falle mit seiner Breitseite durch den
Schnee gerissen, im zweiten Falle wird mit der Haue ein
wirklicher Schlag geführt. Zum Stufenschlagen gehört Kraft und
Ausdauer, aber auch grosse Geschicklichkeit, die nur durch viele
Uebung erlernt werden kann. Daher sind viele Führer nicht im
Stande, eine gute Stufe zu schlagen, da es ihnen an der nöthigen
Routine gebricht.

Eine gute Stufe soll sich der Länge und Breite des Fusses
anpassen, so dass in derselben auch der Absatz Platz findet, sie
hat nach innen leicht geneigt zu sein, und soll gegen den unteren
Hang eine scharfe Kante besitzen. Ein geübter Stufenhauer wird
zu einer Stufe kaum die Hälfte der Zeit benöthigen, wie ein un-
geübter, und sich dabei weniger anstrengen, als dieser. Beim
Schlagen soll nicht allein der Unterarm, sondern der ganze Arm
und der Rumpf mitwirken. Allzu starke Schläge gefährden das
Gleichgewicht des Stufenschlägers, fühlt er sich unsicher oder
nicht fest genug, so macht er oft einen Fehlhieb. Die Zahl

L. Purtscheller.
Schnee zu verstehen ist. Nicht selten gestattet die Randkluft,
auf ihren Boden hinabzusteigen, in diesem Falle ist deren Ueber-
schreitung nicht schwierig, anders verhält es sich, wenn die
Kluft sehr breit und tief ist. Dann kann nur eine Schneebrücke,
ein Lawinenkegel oder ein Kletterstückchen helfen, beim Abstieg
wird oft ein gut berechneter Sprung zum Ziele führen. Sehr
gefährlich kann die Randkluft dann werden, wenn ihre Ränder
stark abgeschmolzen und unterhöhlt sind, oder wenn dieselben
unangeseilt betreten werden. In Folge Einbrechens in eine 40 m
tiefe Randkluft verunglückte 1890 Christian Schöllhorn auf der
Ost-Seite des Watzmanns, nachdem ein paar Jahrzehnte vorher
ein Jäger, der ungefähr an derselben Stelle durch die Eisdecke
brach, in schwer verletztem Zustande gerettet werden konnte.
Ein wichtiges Erforderniss bei Schnee- und Eistouren ist
eine gute Praxis im Stufenschlagen, wozu der Eispickel das
geeignetste Instrument ist. Wenn die Härte des Schnees nicht
zu gross ist, so kann man auch auf steilen Hängen durch blosses
Einstossen der Füsse genügenden Halt finden. Wer Steigeisen
bei sich hat, erspart sich das Stufenhauen oft ganz oder doch
theilweise. Für den Gemsjäger sind ein Paar Steigeisen und ein
mit einem scharfen Stachel versehener Bergstock die empfehlens-
wertheste Ausrüstung. Bei sehr vielen Schneehängen genügt es,
wenn man mit der Schaufel des Pickels eine Stufe auskratzt.
Das Stufenkratzen ist weniger anstrengend als das Stufenhauen,
der Pickel wird in ersterem Falle mit seiner Breitseite durch den
Schnee gerissen, im zweiten Falle wird mit der Haue ein
wirklicher Schlag geführt. Zum Stufenschlagen gehört Kraft und
Ausdauer, aber auch grosse Geschicklichkeit, die nur durch viele
Uebung erlernt werden kann. Daher sind viele Führer nicht im
Stande, eine gute Stufe zu schlagen, da es ihnen an der nöthigen
Routine gebricht.

Eine gute Stufe soll sich der Länge und Breite des Fusses
anpassen, so dass in derselben auch der Absatz Platz findet, sie
hat nach innen leicht geneigt zu sein, und soll gegen den unteren
Hang eine scharfe Kante besitzen. Ein geübter Stufenhauer wird
zu einer Stufe kaum die Hälfte der Zeit benöthigen, wie ein un-
geübter, und sich dabei weniger anstrengen, als dieser. Beim
Schlagen soll nicht allein der Unterarm, sondern der ganze Arm
und der Rumpf mitwirken. Allzu starke Schläge gefährden das
Gleichgewicht des Stufenschlägers, fühlt er sich unsicher oder
nicht fest genug, so macht er oft einen Fehlhieb. Die Zahl

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[164/0070] L. Purtscheller. Schnee zu verstehen ist. Nicht selten gestattet die Randkluft, auf ihren Boden hinabzusteigen, in diesem Falle ist deren Ueber- schreitung nicht schwierig, anders verhält es sich, wenn die Kluft sehr breit und tief ist. Dann kann nur eine Schneebrücke, ein Lawinenkegel oder ein Kletterstückchen helfen, beim Abstieg wird oft ein gut berechneter Sprung zum Ziele führen. Sehr gefährlich kann die Randkluft dann werden, wenn ihre Ränder stark abgeschmolzen und unterhöhlt sind, oder wenn dieselben unangeseilt betreten werden. In Folge Einbrechens in eine 40 m tiefe Randkluft verunglückte 1890 Christian Schöllhorn auf der Ost-Seite des Watzmanns, nachdem ein paar Jahrzehnte vorher ein Jäger, der ungefähr an derselben Stelle durch die Eisdecke brach, in schwer verletztem Zustande gerettet werden konnte. Ein wichtiges Erforderniss bei Schnee- und Eistouren ist eine gute Praxis im Stufenschlagen, wozu der Eispickel das geeignetste Instrument ist. Wenn die Härte des Schnees nicht zu gross ist, so kann man auch auf steilen Hängen durch blosses Einstossen der Füsse genügenden Halt finden. Wer Steigeisen bei sich hat, erspart sich das Stufenhauen oft ganz oder doch theilweise. Für den Gemsjäger sind ein Paar Steigeisen und ein mit einem scharfen Stachel versehener Bergstock die empfehlens- wertheste Ausrüstung. Bei sehr vielen Schneehängen genügt es, wenn man mit der Schaufel des Pickels eine Stufe auskratzt. Das Stufenkratzen ist weniger anstrengend als das Stufenhauen, der Pickel wird in ersterem Falle mit seiner Breitseite durch den Schnee gerissen, im zweiten Falle wird mit der Haue ein wirklicher Schlag geführt. Zum Stufenschlagen gehört Kraft und Ausdauer, aber auch grosse Geschicklichkeit, die nur durch viele Uebung erlernt werden kann. Daher sind viele Führer nicht im Stande, eine gute Stufe zu schlagen, da es ihnen an der nöthigen Routine gebricht. Eine gute Stufe soll sich der Länge und Breite des Fusses anpassen, so dass in derselben auch der Absatz Platz findet, sie hat nach innen leicht geneigt zu sein, und soll gegen den unteren Hang eine scharfe Kante besitzen. Ein geübter Stufenhauer wird zu einer Stufe kaum die Hälfte der Zeit benöthigen, wie ein un- geübter, und sich dabei weniger anstrengen, als dieser. Beim Schlagen soll nicht allein der Unterarm, sondern der ganze Arm und der Rumpf mitwirken. Allzu starke Schläge gefährden das Gleichgewicht des Stufenschlägers, fühlt er sich unsicher oder nicht fest genug, so macht er oft einen Fehlhieb. Die Zahl

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Zitationshilfe: Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176, hier S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/purtscheller_alpinismus_1894/70>, abgerufen am 24.11.2024.