Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Des XVII. Hauptstücks. VII. Abschnitt.
Ungleichheit verursachen könnte: so muß sich der Stärkere im Forte nach
dem Schwächern, und der Schwächere im Piano nach dem Stärkern
richten: damit man nicht eine Stimme stärker als die andere höre; be-
sonders wenn sie Nachahmungen gegen einander zu spielen haben, und die
Stimmen nur einfach besetzet sind.

23. §.

Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stim-
me zugleich begleiten; so muß unter diesen die Grundstimme stär-
ker als die übrigen gehöret werden. Ein gleiches ist in einem
Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittelstimmen gegen die
Hauptstimme oder gegen die Grundstimme keine Nachahmung, oder sonst
in Terzen oder Sexten eine ähnliche Melodie haben. Denn die Stim-
men welche nur zur Verstärkung der Harmonie dienen, dürfen vor den
Hauptstimmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen
Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen
Stimmen in einerley Stärke gespielet werden.

24. §.

Wenn unter einer langen Note in Forte, und gleich drauf ein Piano
steht, und kein Wechsel des Bogenstrichs statt findet; so muß dieselbe
Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben
werden; aber auch gleich wieder ohne Rückung des Bogens im Tone ab-
nehmen, und durch ein verlierendes Piano sich in ein Pianissimo ver-
wandeln. Es kömmt dergleichen dann und wann vor, sonderlich wenn
eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer starken Note anfängt,
die andern aber im Niederschlage dergleichen nachzumachen haben; s. Tab.
XXIII. Fig 8.

25. §.

Wenn in einem Adagio der Concertist den Ton bald verstärket, bald
mäßiget, und also durch Schatten und Licht mit Affecte spielet; so thut
es die schönste Wirkung, wenn ihm die Accompagnisten in derselben Art
zu Hülfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch verstärken und
mäßigen. Dieses ist, wie schon in den vorigen Abschnitten gezeiget wor-
den, besonders bey solchen Noten, welche dissoniren, oder zu einer frem-
den Tonart dorbereiten, oder einen Aufenthalt in der geschwinden Be-
wegung verursachen, zu beobachten. Wollte man bey solchen Fällen al-
les in einer Farbe oder Stärke spielen; so würde der Zuhörer in eine Kalt-
sinnigkeit versetzet werden. Drücket man aber das Forte und Piano,

nach

Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt.
Ungleichheit verurſachen koͤnnte: ſo muß ſich der Staͤrkere im Forte nach
dem Schwaͤchern, und der Schwaͤchere im Piano nach dem Staͤrkern
richten: damit man nicht eine Stimme ſtaͤrker als die andere hoͤre; be-
ſonders wenn ſie Nachahmungen gegen einander zu ſpielen haben, und die
Stimmen nur einfach beſetzet ſind.

23. §.

Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stim-
me zugleich begleiten; ſo muß unter dieſen die Grundſtimme ſtaͤr-
ker als die uͤbrigen gehoͤret werden. Ein gleiches iſt in einem
Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittelſtimmen gegen die
Hauptſtimme oder gegen die Grundſtimme keine Nachahmung, oder ſonſt
in Terzen oder Sexten eine aͤhnliche Melodie haben. Denn die Stim-
men welche nur zur Verſtaͤrkung der Harmonie dienen, duͤrfen vor den
Hauptſtimmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen
Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen
Stimmen in einerley Staͤrke geſpielet werden.

24. §.

Wenn unter einer langen Note in Forte, und gleich drauf ein Piano
ſteht, und kein Wechſel des Bogenſtrichs ſtatt findet; ſo muß dieſelbe
Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben
werden; aber auch gleich wieder ohne Ruͤckung des Bogens im Tone ab-
nehmen, und durch ein verlierendes Piano ſich in ein Pianiſſimo ver-
wandeln. Es koͤmmt dergleichen dann und wann vor, ſonderlich wenn
eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer ſtarken Note anfaͤngt,
die andern aber im Niederſchlage dergleichen nachzumachen haben; ſ. Tab.
XXIII. Fig 8.

25. §.

Wenn in einem Adagio der Concertiſt den Ton bald verſtaͤrket, bald
maͤßiget, und alſo durch Schatten und Licht mit Affecte ſpielet; ſo thut
es die ſchoͤnſte Wirkung, wenn ihm die Accompagniſten in derſelben Art
zu Huͤlfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch verſtaͤrken und
maͤßigen. Dieſes iſt, wie ſchon in den vorigen Abſchnitten gezeiget wor-
den, beſonders bey ſolchen Noten, welche diſſoniren, oder zu einer frem-
den Tonart dorbereiten, oder einen Aufenthalt in der geſchwinden Be-
wegung verurſachen, zu beobachten. Wollte man bey ſolchen Faͤllen al-
les in einer Farbe oder Staͤrke ſpielen; ſo wuͤrde der Zuhoͤrer in eine Kalt-
ſinnigkeit verſetzet werden. Druͤcket man aber das Forte und Piano,

nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0270" n="252"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des</hi><hi rendition="#aq">XVII.</hi><hi rendition="#b">Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks.</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#b">Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Ungleichheit verur&#x017F;achen ko&#x0364;nnte: &#x017F;o muß &#x017F;ich der Sta&#x0364;rkere im Forte nach<lb/>
dem Schwa&#x0364;chern, und der Schwa&#x0364;chere im Piano nach dem Sta&#x0364;rkern<lb/>
richten: damit man nicht eine Stimme &#x017F;ta&#x0364;rker als die andere ho&#x0364;re; be-<lb/>
&#x017F;onders wenn &#x017F;ie Nachahmungen gegen einander zu &#x017F;pielen haben, und die<lb/>
Stimmen nur einfach be&#x017F;etzet &#x017F;ind.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>23. §.</head><lb/>
            <p>Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stim-<lb/>
me zugleich begleiten; &#x017F;o muß unter die&#x017F;en die Grund&#x017F;timme &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ker als die u&#x0364;brigen geho&#x0364;ret werden. Ein gleiches i&#x017F;t in einem<lb/>
Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittel&#x017F;timmen gegen die<lb/>
Haupt&#x017F;timme oder gegen die Grund&#x017F;timme keine Nachahmung, oder &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
in Terzen oder Sexten eine a&#x0364;hnliche Melodie haben. Denn die Stim-<lb/>
men welche nur zur Ver&#x017F;ta&#x0364;rkung der Harmonie dienen, du&#x0364;rfen vor den<lb/>
Haupt&#x017F;timmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen<lb/>
Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen<lb/>
Stimmen in einerley Sta&#x0364;rke ge&#x017F;pielet werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>24. §.</head><lb/>
            <p>Wenn unter einer langen Note in Forte, und gleich drauf ein Piano<lb/>
&#x017F;teht, und kein Wech&#x017F;el des Bogen&#x017F;trichs &#x017F;tatt findet; &#x017F;o muß die&#x017F;elbe<lb/>
Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben<lb/>
werden; aber auch gleich wieder ohne Ru&#x0364;ckung des Bogens im Tone ab-<lb/>
nehmen, und durch ein verlierendes Piano &#x017F;ich in ein Piani&#x017F;&#x017F;imo ver-<lb/>
wandeln. Es ko&#x0364;mmt dergleichen dann und wann vor, &#x017F;onderlich wenn<lb/>
eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer &#x017F;tarken Note anfa&#x0364;ngt,<lb/>
die andern aber im Nieder&#x017F;chlage dergleichen nachzumachen haben; &#x017F;. Tab.<lb/><hi rendition="#aq">XXIII.</hi> Fig 8.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>25. §.</head><lb/>
            <p>Wenn in einem Adagio der Concerti&#x017F;t den Ton bald ver&#x017F;ta&#x0364;rket, bald<lb/>
ma&#x0364;ßiget, und al&#x017F;o durch Schatten und Licht mit Affecte &#x017F;pielet; &#x017F;o thut<lb/>
es die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Wirkung, wenn ihm die Accompagni&#x017F;ten in der&#x017F;elben Art<lb/>
zu Hu&#x0364;lfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch ver&#x017F;ta&#x0364;rken und<lb/>
ma&#x0364;ßigen. Die&#x017F;es i&#x017F;t, wie &#x017F;chon in den vorigen Ab&#x017F;chnitten gezeiget wor-<lb/>
den, be&#x017F;onders bey &#x017F;olchen Noten, welche di&#x017F;&#x017F;oniren, oder zu einer frem-<lb/>
den Tonart dorbereiten, oder einen Aufenthalt in der ge&#x017F;chwinden Be-<lb/>
wegung verur&#x017F;achen, zu beobachten. Wollte man bey &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen al-<lb/>
les in einer Farbe oder Sta&#x0364;rke &#x017F;pielen; &#x017F;o wu&#x0364;rde der Zuho&#x0364;rer in eine Kalt-<lb/>
&#x017F;innigkeit ver&#x017F;etzet werden. Dru&#x0364;cket man aber das Forte und Piano,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0270] Des XVII. Hauptſtuͤcks. VII. Abſchnitt. Ungleichheit verurſachen koͤnnte: ſo muß ſich der Staͤrkere im Forte nach dem Schwaͤchern, und der Schwaͤchere im Piano nach dem Staͤrkern richten: damit man nicht eine Stimme ſtaͤrker als die andere hoͤre; be- ſonders wenn ſie Nachahmungen gegen einander zu ſpielen haben, und die Stimmen nur einfach beſetzet ſind. 23. §. Wenn bey einer concertirenden Stimme mehr als eine Stim- me zugleich begleiten; ſo muß unter dieſen die Grundſtimme ſtaͤr- ker als die uͤbrigen gehoͤret werden. Ein gleiches iſt in einem Tutti zu beobachten, wenn anders die Mittelſtimmen gegen die Hauptſtimme oder gegen die Grundſtimme keine Nachahmung, oder ſonſt in Terzen oder Sexten eine aͤhnliche Melodie haben. Denn die Stim- men welche nur zur Verſtaͤrkung der Harmonie dienen, duͤrfen vor den Hauptſtimmen niemals hervor ragen. Ein gearbeiteter, oder in allen Stimmen nachahmender oder fugirter Satz aber, muß auch von allen Stimmen in einerley Staͤrke geſpielet werden. 24. §. Wenn unter einer langen Note in Forte, und gleich drauf ein Piano ſteht, und kein Wechſel des Bogenſtrichs ſtatt findet; ſo muß dieſelbe Note mit aller Kraft, und mit einem Drucke des Bogens angegeben werden; aber auch gleich wieder ohne Ruͤckung des Bogens im Tone ab- nehmen, und durch ein verlierendes Piano ſich in ein Pianiſſimo ver- wandeln. Es koͤmmt dergleichen dann und wann vor, ſonderlich wenn eine Stimme im Aufheben des Tactes mit einer ſtarken Note anfaͤngt, die andern aber im Niederſchlage dergleichen nachzumachen haben; ſ. Tab. XXIII. Fig 8. 25. §. Wenn in einem Adagio der Concertiſt den Ton bald verſtaͤrket, bald maͤßiget, und alſo durch Schatten und Licht mit Affecte ſpielet; ſo thut es die ſchoͤnſte Wirkung, wenn ihm die Accompagniſten in derſelben Art zu Huͤlfe kommen, und ihren Ton mit ihm zugleich auch verſtaͤrken und maͤßigen. Dieſes iſt, wie ſchon in den vorigen Abſchnitten gezeiget wor- den, beſonders bey ſolchen Noten, welche diſſoniren, oder zu einer frem- den Tonart dorbereiten, oder einen Aufenthalt in der geſchwinden Be- wegung verurſachen, zu beobachten. Wollte man bey ſolchen Faͤllen al- les in einer Farbe oder Staͤrke ſpielen; ſo wuͤrde der Zuhoͤrer in eine Kalt- ſinnigkeit verſetzet werden. Druͤcket man aber das Forte und Piano, nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/270
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/270>, abgerufen am 22.11.2024.