Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.Das XVIII. Hauptstück. Wie ein Musikus 84. §. Den merkwürdigsten Zeitpunct, worinne absonderlich der Geschmack 85. §. Bey allen diesen Bemühungen brafer Tonkünstler aber, fanden sich Er- sten Orten, gar zu geringen Besoldungen eine schlechte Aufmunterung zu dem
Fleiße in der Orgelwissenschaft. Freylich wird auch mancher geschikter Organist, durch den Hochmuth und Eigensinn einiger seiner geistlichen Befehlshaber, nie- dergeschlagen. Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus 84. §. Den merkwuͤrdigſten Zeitpunct, worinne abſonderlich der Geſchmack 85. §. Bey allen dieſen Bemuͤhungen brafer Tonkuͤnſtler aber, fanden ſich Er- ſten Orten, gar zu geringen Beſoldungen eine ſchlechte Aufmunterung zu dem
Fleiße in der Orgelwiſſenſchaft. Freylich wird auch mancher geſchikter Organiſt, durch den Hochmuth und Eigenſinn einiger ſeiner geiſtlichen Befehlshaber, nie- dergeſchlagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0348" n="330"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus</hi> </fw><lb/> <note xml:id="f17" prev="#f16" place="foot" n="(*)">ſten Orten, gar zu geringen Beſoldungen eine ſchlechte Aufmunterung zu dem<lb/> Fleiße in der Orgelwiſſenſchaft. Freylich wird auch mancher geſchikter Organiſt,<lb/> durch den Hochmuth und Eigenſinn einiger ſeiner geiſtlichen Befehlshaber, nie-<lb/> dergeſchlagen.</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>84. §.</head><lb/> <p>Den merkwuͤrdigſten Zeitpunct, worinne abſonderlich der Geſchmack<lb/> der Deutſchen, in Anſehung der Vocalcompoſition, angefangen hat, eine<lb/> beſſere Geſtalt zu gewinnen, koͤnnte man ohngefaͤhr um das Jahr 1693<lb/> ſetzen; als zu welcher Zeit, nach des, um die Vertheidigung und die Ge-<lb/> ſchichtskunde der Muſik ausnehmend verdieneten Herrn <hi rendition="#fr">Mattheſons</hi><lb/> Berichte, im muſikaliſchen Patrioten, S. 181. und 343. der Capellmeiſter<lb/><hi rendition="#fr">Couſſer</hi> die neue oder italiaͤniſche Singart in den Hamburgiſchen Opern<lb/> eingefuͤhret hat. Um eben dieſe Zeit fieng der beruͤhmte <hi rendition="#fr">Reinhard Keiſer</hi><lb/> an, ſich mit ſeinen Operncompoſitionen hervorzuthun. Dieſer ſchien zu einem,<lb/> mit reicher Erfindung verknuͤpfeten, angenehm ſingenden Weſen gleichſam<lb/> gebohren zu ſeyn; er belebte alſo die neue Singart damit auf eine vor-<lb/> zuͤgliche Weiſe. Jhm hat der gute Geſchmack in der Muſik in Deutſch-<lb/> land, unſtreitig, viel zu danken. Die in Hamburg und Leipzig nach<lb/> dieſer Zeit ziemlich lange in bluͤhendem Zuſtande geweſenen Opern, und<lb/> die beruͤhmten Componiſten, welche, zugleich nebſt <hi rendition="#fr">Keiſern,</hi> von Zeit<lb/> zu Zeit, ungeachtet der oͤfters ſchlechten, und nicht ſelten gar niedertraͤch-<lb/> tigen Texte, fuͤr dieſelben gearbeitet haben, haben zu dem Grade des gu-<lb/> ten Geſchmackes, in welchem die Muſik in Deutſchland gegenwaͤrtig<lb/> ſteht, gute Vorbereitungen gemachet. Es koͤnnte als ein Ueberfluß an-<lb/> geſehen werden, wenn ich diejenigen großen Maͤnner, welche ſich in den<lb/> itztgenannten Zeiten, ſowohl in der Kirchen-Theatral- und Jnſtrumental-<lb/> compoſition, als auch auf Jnſtrumenten, unter den Deutſchen beruͤhmt<lb/> gemachet haben, und deren einige entſchlafen, einige noch am Leben ſind,<lb/> alle mit Namen anfuͤhren wollte. Jch bin verſichert, daß ſie in und außer<lb/> Deutſchland ſchon alle ſo bekannt ſind, daß ihre Namen, meinen muſiklieben-<lb/> den Leſern, ohne vieles Nachdenken, gleich beyfallen werden. So viel iſt ge-<lb/> wiß, daß ihnen diejenigen, welche zu unſern Zeiten in der Tonkunſt her-<lb/> vorragen, den groͤßten Dank ſchuldig ſind.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>85. §.</head><lb/> <p>Bey allen dieſen Bemuͤhungen brafer Tonkuͤnſtler aber, fanden ſich<lb/> in Deutſchland doch noch immer unterſchiedene Hinderniſſe, welche dem<lb/> guten Geſchmacke im Wege ſtanden. Man war oͤfters nicht ſo bemuͤht, den<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Er-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0348]
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
(*)
84. §.
Den merkwuͤrdigſten Zeitpunct, worinne abſonderlich der Geſchmack
der Deutſchen, in Anſehung der Vocalcompoſition, angefangen hat, eine
beſſere Geſtalt zu gewinnen, koͤnnte man ohngefaͤhr um das Jahr 1693
ſetzen; als zu welcher Zeit, nach des, um die Vertheidigung und die Ge-
ſchichtskunde der Muſik ausnehmend verdieneten Herrn Mattheſons
Berichte, im muſikaliſchen Patrioten, S. 181. und 343. der Capellmeiſter
Couſſer die neue oder italiaͤniſche Singart in den Hamburgiſchen Opern
eingefuͤhret hat. Um eben dieſe Zeit fieng der beruͤhmte Reinhard Keiſer
an, ſich mit ſeinen Operncompoſitionen hervorzuthun. Dieſer ſchien zu einem,
mit reicher Erfindung verknuͤpfeten, angenehm ſingenden Weſen gleichſam
gebohren zu ſeyn; er belebte alſo die neue Singart damit auf eine vor-
zuͤgliche Weiſe. Jhm hat der gute Geſchmack in der Muſik in Deutſch-
land, unſtreitig, viel zu danken. Die in Hamburg und Leipzig nach
dieſer Zeit ziemlich lange in bluͤhendem Zuſtande geweſenen Opern, und
die beruͤhmten Componiſten, welche, zugleich nebſt Keiſern, von Zeit
zu Zeit, ungeachtet der oͤfters ſchlechten, und nicht ſelten gar niedertraͤch-
tigen Texte, fuͤr dieſelben gearbeitet haben, haben zu dem Grade des gu-
ten Geſchmackes, in welchem die Muſik in Deutſchland gegenwaͤrtig
ſteht, gute Vorbereitungen gemachet. Es koͤnnte als ein Ueberfluß an-
geſehen werden, wenn ich diejenigen großen Maͤnner, welche ſich in den
itztgenannten Zeiten, ſowohl in der Kirchen-Theatral- und Jnſtrumental-
compoſition, als auch auf Jnſtrumenten, unter den Deutſchen beruͤhmt
gemachet haben, und deren einige entſchlafen, einige noch am Leben ſind,
alle mit Namen anfuͤhren wollte. Jch bin verſichert, daß ſie in und außer
Deutſchland ſchon alle ſo bekannt ſind, daß ihre Namen, meinen muſiklieben-
den Leſern, ohne vieles Nachdenken, gleich beyfallen werden. So viel iſt ge-
wiß, daß ihnen diejenigen, welche zu unſern Zeiten in der Tonkunſt her-
vorragen, den groͤßten Dank ſchuldig ſind.
85. §.
Bey allen dieſen Bemuͤhungen brafer Tonkuͤnſtler aber, fanden ſich
in Deutſchland doch noch immer unterſchiedene Hinderniſſe, welche dem
guten Geſchmacke im Wege ſtanden. Man war oͤfters nicht ſo bemuͤht, den
Er-
(*) ſten Orten, gar zu geringen Beſoldungen eine ſchlechte Aufmunterung zu dem
Fleiße in der Orgelwiſſenſchaft. Freylich wird auch mancher geſchikter Organiſt,
durch den Hochmuth und Eigenſinn einiger ſeiner geiſtlichen Befehlshaber, nie-
dergeſchlagen.
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