Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

als ein Musikus wissen soll; so fiele der Vortheil gleichfalls weg: weil sie alsdenn wenig oder gar keine Tonkünstler von Profession mehr nöthig hätten. Wie nöthig ist also nicht daß ein Musikus jedes Stück deutlich und mit solchem Ausdruck vorzutragen suche, daß es sowohl den Gelehrten als Ungelehrten in der Musik verständlich werden, und ihnen folglich gefallen könne.

8. §.

Der gute Vortrag ist nicht allein denen, die sich nur mit Haupt- oder concertirenden Stimmen hören lassen, sondern auch denenjenigen, die nur Ripienisten abgeben, und sich begnügen jene zu begleiten, unentbehrlich; und jeder hat in seiner Art, ausser den allgemeinen, noch besondere Regeln zu beobachten nöthig. Viele glauben, wenn sie vielleicht im Stande sind, ein studirtes Solo zu spielen, oder eine ihnen vorgelegte Ripienstimme, ohne Hauptfehler vom Blatte weg zu treffen, man könne von ihnen weiter nichts mehr verlangen. Allein ich glaube daß ein Solo willkührlich zu spielen leichter sey, als eine Ripienstimme auszuführen, wo man weniger Freyheit hat, und sich mit Vielen vereinigen muß, um das Stück nach dem Sinne des Componisten auszudrücken. Hat nun einer keine richtigen Grundsätze im Vortrage; so wird er auch der Sache niemals ein Gnüge leisten können. Es wäre deswegen nöthig, daß ein jeder geschikter Musikmeister, besonders ein Violinist, dahin sähe, daß er seine Scholaren nicht eher zum Solospielen anführete, bis sie schon gute Ripienisten wären. Die hierzu gehörige Wissenschaft bahnet ohne dem den Weg zum Solospielen: und würde manch abgespieltes Solo den Zuhörern deutlicher und annehmlicher in die Sinne fallen, wenn der Ausführer desselben es so gemachet hätte, wie man in der Malerkunst zu thun pfleget, da man erstlich die richtige Zeichnung des Gemäldes machen lernen muß, ehe man an die Auszierungen gedenket. Allein die wenigsten Anfänger können die Zeit erwarten. Um bald unter die Anzahl der Virtuosen gerechnet zu werden, fangen sie es öfters verkehrt, nämlich beym Solospielen an; und martern sich mit vielen ausgekünstelten Zierrathen und Schwierigkeiten, denen sie doch nicht gewachsen sind; und dadurch sie doch vielmehr den Vortrag verwirrt, als deutlich machen lernen. Oefters sind auch wohl die Meister selbst Schuld daran; wenn sie zeigen wollen, daß sie im Stande sind, den Scholaren in kurzer Zeit einige Solo beyzubringen: welches ihnen aber, im Fall diese als Ripienisten sollen gebrauchet werden, nicht allezeit viel Ehre machet. Den guten Vortrag

als ein Musikus wissen soll; so fiele der Vortheil gleichfalls weg: weil sie alsdenn wenig oder gar keine Tonkünstler von Profession mehr nöthig hätten. Wie nöthig ist also nicht daß ein Musikus jedes Stück deutlich und mit solchem Ausdruck vorzutragen suche, daß es sowohl den Gelehrten als Ungelehrten in der Musik verständlich werden, und ihnen folglich gefallen könne.

8. §.

Der gute Vortrag ist nicht allein denen, die sich nur mit Haupt- oder concertirenden Stimmen hören lassen, sondern auch denenjenigen, die nur Ripienisten abgeben, und sich begnügen jene zu begleiten, unentbehrlich; und jeder hat in seiner Art, ausser den allgemeinen, noch besondere Regeln zu beobachten nöthig. Viele glauben, wenn sie vielleicht im Stande sind, ein studirtes Solo zu spielen, oder eine ihnen vorgelegte Ripienstimme, ohne Hauptfehler vom Blatte weg zu treffen, man könne von ihnen weiter nichts mehr verlangen. Allein ich glaube daß ein Solo willkührlich zu spielen leichter sey, als eine Ripienstimme auszuführen, wo man weniger Freyheit hat, und sich mit Vielen vereinigen muß, um das Stück nach dem Sinne des Componisten auszudrücken. Hat nun einer keine richtigen Grundsätze im Vortrage; so wird er auch der Sache niemals ein Gnüge leisten können. Es wäre deswegen nöthig, daß ein jeder geschikter Musikmeister, besonders ein Violinist, dahin sähe, daß er seine Scholaren nicht eher zum Solospielen anführete, bis sie schon gute Ripienisten wären. Die hierzu gehörige Wissenschaft bahnet ohne dem den Weg zum Solospielen: und würde manch abgespieltes Solo den Zuhörern deutlicher und annehmlicher in die Sinne fallen, wenn der Ausführer desselben es so gemachet hätte, wie man in der Malerkunst zu thun pfleget, da man erstlich die richtige Zeichnung des Gemäldes machen lernen muß, ehe man an die Auszierungen gedenket. Allein die wenigsten Anfänger können die Zeit erwarten. Um bald unter die Anzahl der Virtuosen gerechnet zu werden, fangen sie es öfters verkehrt, nämlich beym Solospielen an; und martern sich mit vielen ausgekünstelten Zierrathen und Schwierigkeiten, denen sie doch nicht gewachsen sind; und dadurch sie doch vielmehr den Vortrag verwirrt, als deutlich machen lernen. Oefters sind auch wohl die Meister selbst Schuld daran; wenn sie zeigen wollen, daß sie im Stande sind, den Scholaren in kurzer Zeit einige Solo beyzubringen: welches ihnen aber, im Fall diese als Ripienisten sollen gebrauchet werden, nicht allezeit viel Ehre machet. Den guten Vortrag

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0117" n="103"/>
als ein Musikus wissen soll; so fiele der Vortheil gleichfalls weg: weil sie alsdenn wenig oder gar keine Tonkünstler von Profession mehr nöthig hätten. Wie nöthig ist also nicht daß ein Musikus jedes Stück deutlich und mit solchem Ausdruck vorzutragen suche, daß es sowohl den Gelehrten als Ungelehrten in der Musik verständlich werden, und ihnen folglich gefallen könne.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>8. §.</head><lb/>
            <p>Der gute Vortrag ist nicht allein denen, die sich nur mit Haupt- oder concertirenden Stimmen hören lassen, sondern auch denenjenigen, die nur Ripienisten abgeben, und sich begnügen jene zu begleiten, unentbehrlich; und jeder hat in seiner Art, ausser den allgemeinen, noch besondere Regeln zu beobachten nöthig. Viele glauben, wenn sie vielleicht im Stande sind, ein studirtes Solo zu spielen, oder eine ihnen vorgelegte Ripienstimme, ohne Hauptfehler vom Blatte weg zu treffen, man könne von ihnen weiter nichts mehr verlangen. Allein ich glaube daß ein Solo willkührlich zu spielen leichter sey, als eine Ripienstimme auszuführen, wo man weniger Freyheit hat, und sich mit Vielen vereinigen muß, um das Stück nach dem Sinne des Componisten auszudrücken. Hat nun einer keine richtigen Grundsätze im Vortrage; so wird er auch der Sache niemals ein Gnüge leisten können. Es wäre deswegen nöthig, daß ein jeder geschikter Musikmeister, besonders ein Violinist, dahin sähe, daß er seine Scholaren nicht eher zum Solospielen anführete, bis sie schon gute Ripienisten wären. Die hierzu gehörige Wissenschaft bahnet ohne dem den Weg zum Solospielen: und würde manch abgespieltes Solo den Zuhörern deutlicher und annehmlicher in die Sinne fallen, wenn der Ausführer desselben es so gemachet hätte, wie man in der Malerkunst zu thun pfleget, da man erstlich die richtige Zeichnung des Gemäldes machen lernen muß, ehe man an die Auszierungen gedenket. Allein die wenigsten Anfänger können die Zeit erwarten. Um bald unter die Anzahl der Virtuosen gerechnet zu werden, fangen sie es öfters verkehrt, nämlich beym Solospielen an; und martern sich mit vielen ausgekünstelten Zierrathen und Schwierigkeiten, denen sie doch nicht gewachsen sind; und dadurch sie doch vielmehr den Vortrag verwirrt, als deutlich machen lernen. Oefters sind auch wohl die Meister selbst Schuld daran; wenn sie zeigen wollen, daß sie im Stande sind, den Scholaren in kurzer Zeit einige Solo beyzubringen: welches ihnen aber, im Fall diese als Ripienisten sollen gebrauchet werden, nicht allezeit viel Ehre machet. Den guten Vortrag
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0117] als ein Musikus wissen soll; so fiele der Vortheil gleichfalls weg: weil sie alsdenn wenig oder gar keine Tonkünstler von Profession mehr nöthig hätten. Wie nöthig ist also nicht daß ein Musikus jedes Stück deutlich und mit solchem Ausdruck vorzutragen suche, daß es sowohl den Gelehrten als Ungelehrten in der Musik verständlich werden, und ihnen folglich gefallen könne. 8. §. Der gute Vortrag ist nicht allein denen, die sich nur mit Haupt- oder concertirenden Stimmen hören lassen, sondern auch denenjenigen, die nur Ripienisten abgeben, und sich begnügen jene zu begleiten, unentbehrlich; und jeder hat in seiner Art, ausser den allgemeinen, noch besondere Regeln zu beobachten nöthig. Viele glauben, wenn sie vielleicht im Stande sind, ein studirtes Solo zu spielen, oder eine ihnen vorgelegte Ripienstimme, ohne Hauptfehler vom Blatte weg zu treffen, man könne von ihnen weiter nichts mehr verlangen. Allein ich glaube daß ein Solo willkührlich zu spielen leichter sey, als eine Ripienstimme auszuführen, wo man weniger Freyheit hat, und sich mit Vielen vereinigen muß, um das Stück nach dem Sinne des Componisten auszudrücken. Hat nun einer keine richtigen Grundsätze im Vortrage; so wird er auch der Sache niemals ein Gnüge leisten können. Es wäre deswegen nöthig, daß ein jeder geschikter Musikmeister, besonders ein Violinist, dahin sähe, daß er seine Scholaren nicht eher zum Solospielen anführete, bis sie schon gute Ripienisten wären. Die hierzu gehörige Wissenschaft bahnet ohne dem den Weg zum Solospielen: und würde manch abgespieltes Solo den Zuhörern deutlicher und annehmlicher in die Sinne fallen, wenn der Ausführer desselben es so gemachet hätte, wie man in der Malerkunst zu thun pfleget, da man erstlich die richtige Zeichnung des Gemäldes machen lernen muß, ehe man an die Auszierungen gedenket. Allein die wenigsten Anfänger können die Zeit erwarten. Um bald unter die Anzahl der Virtuosen gerechnet zu werden, fangen sie es öfters verkehrt, nämlich beym Solospielen an; und martern sich mit vielen ausgekünstelten Zierrathen und Schwierigkeiten, denen sie doch nicht gewachsen sind; und dadurch sie doch vielmehr den Vortrag verwirrt, als deutlich machen lernen. Oefters sind auch wohl die Meister selbst Schuld daran; wenn sie zeigen wollen, daß sie im Stande sind, den Scholaren in kurzer Zeit einige Solo beyzubringen: welches ihnen aber, im Fall diese als Ripienisten sollen gebrauchet werden, nicht allezeit viel Ehre machet. Den guten Vortrag

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-30T10:17:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-30T10:17:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-30T10:17:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/117
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/117>, abgerufen am 04.12.2024.