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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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genommen haben, theils wegen Menge der Zuschauer, und aus Ehrgeitz, in eine größer Feuer gerathen, als bey der Probe. Hierdurch können sie nun leichtlich die Sicherheit in den Knieen verlieren; und wenn sie eine Sarabande oder Loure tanzen, wo bisweilen nur ein gebeugtes Knie den ganzen Körper allein tragen muß, so scheint ihnen das Tempo oftmals zu langsam zu seyn. Zugeschweigen, daß die französische Tanzmusik, wenn solche zwischen einer guten italiänischen Oper gehöret wird, sehr abfällt, mager klingt, und nicht die Wirkung thut, als in einer Comödie, wo man nichts anders dagegen höret. Deswegen entsteht oftmahls viel Streit zwischen den Tänzern und dem Orchester: weil die erstern glauben, daß die letztern entweder nicht im rechten Tempo spieleten, oder ihre Musik nicht so gut ausführeten, als die italiänische. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß die französische Tanzmusik nicht so leicht zu spielen ist, als sich Mancher einbildet, und daß der Vortrag sich von der italiänischen Art sehr unterscheiden muß, so fern er jedem Charaktere gemäß seyn soll. Die Tanzmusik muß mehrentheils ernsthaft, mit einem schweren, doch kurzen und scharfen, mehr abgesetzten als geschleiften Bogenstriche, gespielet werden. Das Zärtlich und Cantable findet darinne nur selten statt. Die punctirten Noten werden schwer, die darauf folgenden aber sehr kurz und scharf gespielet. Die geschwinden Stücke müssen lustig, hüpfend, hebend, mit einem ganz kurzen, und immer durch einen Druck markirten Bogenstriche, vorgetragen werden: damit man den Tänzer beständig hebe und zum Springen anreize; dem Zuschauer aber, das, was der Tänzer vorstellen will, begreiflich und fühlbar mache. Denn der Tanz wirket ohne Musik eben soviel, als eine gemalete Speise.

57. §.

Wie nun aus die Richtigkeit des Zeitmaaßes bey allen Arten der Musik viel ankömmt: so muß dasselbe auch bey der Tanzmusik auf das genaueste beobachtet werden. Die Tänzer haben sich nicht nur mit dem Gehöre, sondern auch mit ihren Füßen und Leibesbewegungen darnach zu richten: und also ist leicht zu erachten, wie unangenehm es ihnen fallen müsse, wenn das Orchester in einem Stücke bald langsamer, bald geschwinder spielet. Sie müssen ihren ganzen Körper anstrengen, besonders wenn sie sich in hohe Sprünge einlassen: die Billigkeit erfodert also, daß sich das Orchester, so viel als möglich ist, nach ihnen bequeme, welches auch leicht geschehen kann, wenn man nur dann und wann auf das Niederfallen der Füße Achtung giebt.

genommen haben, theils wegen Menge der Zuschauer, und aus Ehrgeitz, in eine größer Feuer gerathen, als bey der Probe. Hierdurch können sie nun leichtlich die Sicherheit in den Knieen verlieren; und wenn sie eine Sarabande oder Loure tanzen, wo bisweilen nur ein gebeugtes Knie den ganzen Körper allein tragen muß, so scheint ihnen das Tempo oftmals zu langsam zu seyn. Zugeschweigen, daß die französische Tanzmusik, wenn solche zwischen einer guten italiänischen Oper gehöret wird, sehr abfällt, mager klingt, und nicht die Wirkung thut, als in einer Comödie, wo man nichts anders dagegen höret. Deswegen entsteht oftmahls viel Streit zwischen den Tänzern und dem Orchester: weil die erstern glauben, daß die letztern entweder nicht im rechten Tempo spieleten, oder ihre Musik nicht so gut ausführeten, als die italiänische. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß die französische Tanzmusik nicht so leicht zu spielen ist, als sich Mancher einbildet, und daß der Vortrag sich von der italiänischen Art sehr unterscheiden muß, so fern er jedem Charaktere gemäß seyn soll. Die Tanzmusik muß mehrentheils ernsthaft, mit einem schweren, doch kurzen und scharfen, mehr abgesetzten als geschleiften Bogenstriche, gespielet werden. Das Zärtlich und Cantable findet darinne nur selten statt. Die punctirten Noten werden schwer, die darauf folgenden aber sehr kurz und scharf gespielet. Die geschwinden Stücke müssen lustig, hüpfend, hebend, mit einem ganz kurzen, und immer durch einen Druck markirten Bogenstriche, vorgetragen werden: damit man den Tänzer beständig hebe und zum Springen anreize; dem Zuschauer aber, das, was der Tänzer vorstellen will, begreiflich und fühlbar mache. Denn der Tanz wirket ohne Musik eben soviel, als eine gemalete Speise.

57. §.

Wie nun aus die Richtigkeit des Zeitmaaßes bey allen Arten der Musik viel ankömmt: so muß dasselbe auch bey der Tanzmusik auf das genaueste beobachtet werden. Die Tänzer haben sich nicht nur mit dem Gehöre, sondern auch mit ihren Füßen und Leibesbewegungen darnach zu richten: und also ist leicht zu erachten, wie unangenehm es ihnen fallen müsse, wenn das Orchester in einem Stücke bald langsamer, bald geschwinder spielet. Sie müssen ihren ganzen Körper anstrengen, besonders wenn sie sich in hohe Sprünge einlassen: die Billigkeit erfodert also, daß sich das Orchester, so viel als möglich ist, nach ihnen bequeme, welches auch leicht geschehen kann, wenn man nur dann und wann auf das Niederfallen der Füße Achtung giebt.

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[269/0283] genommen haben, theils wegen Menge der Zuschauer, und aus Ehrgeitz, in eine größer Feuer gerathen, als bey der Probe. Hierdurch können sie nun leichtlich die Sicherheit in den Knieen verlieren; und wenn sie eine Sarabande oder Loure tanzen, wo bisweilen nur ein gebeugtes Knie den ganzen Körper allein tragen muß, so scheint ihnen das Tempo oftmals zu langsam zu seyn. Zugeschweigen, daß die französische Tanzmusik, wenn solche zwischen einer guten italiänischen Oper gehöret wird, sehr abfällt, mager klingt, und nicht die Wirkung thut, als in einer Comödie, wo man nichts anders dagegen höret. Deswegen entsteht oftmahls viel Streit zwischen den Tänzern und dem Orchester: weil die erstern glauben, daß die letztern entweder nicht im rechten Tempo spieleten, oder ihre Musik nicht so gut ausführeten, als die italiänische. Es ist zwar nicht zu läugnen, daß die französische Tanzmusik nicht so leicht zu spielen ist, als sich Mancher einbildet, und daß der Vortrag sich von der italiänischen Art sehr unterscheiden muß, so fern er jedem Charaktere gemäß seyn soll. Die Tanzmusik muß mehrentheils ernsthaft, mit einem schweren, doch kurzen und scharfen, mehr abgesetzten als geschleiften Bogenstriche, gespielet werden. Das Zärtlich und Cantable findet darinne nur selten statt. Die punctirten Noten werden schwer, die darauf folgenden aber sehr kurz und scharf gespielet. Die geschwinden Stücke müssen lustig, hüpfend, hebend, mit einem ganz kurzen, und immer durch einen Druck markirten Bogenstriche, vorgetragen werden: damit man den Tänzer beständig hebe und zum Springen anreize; dem Zuschauer aber, das, was der Tänzer vorstellen will, begreiflich und fühlbar mache. Denn der Tanz wirket ohne Musik eben soviel, als eine gemalete Speise. 57. §. Wie nun aus die Richtigkeit des Zeitmaaßes bey allen Arten der Musik viel ankömmt: so muß dasselbe auch bey der Tanzmusik auf das genaueste beobachtet werden. Die Tänzer haben sich nicht nur mit dem Gehöre, sondern auch mit ihren Füßen und Leibesbewegungen darnach zu richten: und also ist leicht zu erachten, wie unangenehm es ihnen fallen müsse, wenn das Orchester in einem Stücke bald langsamer, bald geschwinder spielet. Sie müssen ihren ganzen Körper anstrengen, besonders wenn sie sich in hohe Sprünge einlassen: die Billigkeit erfodert also, daß sich das Orchester, so viel als möglich ist, nach ihnen bequeme, welches auch leicht geschehen kann, wenn man nur dann und wann auf das Niederfallen der Füße Achtung giebt.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/283>, abgerufen am 27.11.2024.