Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl ausgearbeiteten Hauptsatz, und eine gute Vermischung verschiedener Instrumente, als Hoboen, Flöten, oder Waldhörner. Ihr Ursprung kömmt von den Franzosen her. Lülly hat davon gute Muster gegeben. Doch haben ihn einige deutsche Componisten, unter andern vornehmlich Händel und Telemann, darinne weit übertroffen. Es geht den Franzosen mit ihren Ouvertüren fast, wie den Italiänern mit ihren Concerten. Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind.

43. §.

Die italiänischen Sinfonien, welche mit den Ouvertüren gleiche Absicht haben, erfodern zwar, in Ansehung der Pracht, eben dieselben Eigenschaften. Da aber die meisten von solchen Componisten verfertiget werden, die ihren Geist mehr in der Sing- als Instrumentalmusik geübet haben, so giebt es bis itzo nur noch sehr wenige Sinfonien, die alle Vollkommenheiten besitzen, und deswegen zu einem guten Muster dienen könnten. Es scheint zuweilen, als wenn es die Operncomponisten bey Verfertigung der Sinfonien so macheten, wie die Maler bey Ausarbeitung eines Conterfeyes; als welche sich der übrig gebliebenen Farben bedienen, um die Luft, oder das Gewand damit auszumalen. Indessen sollte doch billig eine Sinfonie, wie oben schon gedacht worden, einigen Zusammenhang mit dem Inhalte der Oper, oder zum wenigsten mit dem ersten Auftritte derselben haben; und nicht allezeit mit einem lustigen Menuet, wie mehrentheils geschieht, schließen. Ich bin zwar nicht willens hiervon ein Muster vorzuschreiben: weil man nicht alle Umstände, die bey dem Anfange einer jeden Oper vorkommen können, in eine Classe bringen kann. Dessen ungeachtet glaube ich doch, daß hierinne sehr leicht ein Mittel zu finden wäre. Es ist ja eben nicht nothwendig, daß eine Sinfonie vor einer Oper allezeit aus drey Sätzen bestehen müsse: man könnte ja auch wohl mit dem ersten oder zweyten Satze schließen. Z. E. Der erste Auftritt hielte heroische oder andere feurige Leidenschaften in sich: so könnte der Schluß der Sinfonie mit dem ersten Satze geschehen. Kämen traurige oder verliebte Affecten darinne vor: so könnte man mit dem zweyten Satze aufhören. Hielte aber der erste Auftritt gar keine besondern Affecten in sich, sondern diese kämen erst in der Folge der Oper, oder am Ende vor: so könnte man mit dem dritten Satze der Sinfonie schließen. Auf solche Art hätte man Gelegenheit,

wohl ausgearbeiteten Hauptsatz, und eine gute Vermischung verschiedener Instrumente, als Hoboen, Flöten, oder Waldhörner. Ihr Ursprung kömmt von den Franzosen her. Lülly hat davon gute Muster gegeben. Doch haben ihn einige deutsche Componisten, unter andern vornehmlich Händel und Telemann, darinne weit übertroffen. Es geht den Franzosen mit ihren Ouvertüren fast, wie den Italiänern mit ihren Concerten. Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind.

43. §.

Die italiänischen Sinfonien, welche mit den Ouvertüren gleiche Absicht haben, erfodern zwar, in Ansehung der Pracht, eben dieselben Eigenschaften. Da aber die meisten von solchen Componisten verfertiget werden, die ihren Geist mehr in der Sing- als Instrumentalmusik geübet haben, so giebt es bis itzo nur noch sehr wenige Sinfonien, die alle Vollkommenheiten besitzen, und deswegen zu einem guten Muster dienen könnten. Es scheint zuweilen, als wenn es die Operncomponisten bey Verfertigung der Sinfonien so macheten, wie die Maler bey Ausarbeitung eines Conterfeyes; als welche sich der übrig gebliebenen Farben bedienen, um die Luft, oder das Gewand damit auszumalen. Indessen sollte doch billig eine Sinfonie, wie oben schon gedacht worden, einigen Zusammenhang mit dem Inhalte der Oper, oder zum wenigsten mit dem ersten Auftritte derselben haben; und nicht allezeit mit einem lustigen Menuet, wie mehrentheils geschieht, schließen. Ich bin zwar nicht willens hiervon ein Muster vorzuschreiben: weil man nicht alle Umstände, die bey dem Anfange einer jeden Oper vorkommen können, in eine Classe bringen kann. Dessen ungeachtet glaube ich doch, daß hierinne sehr leicht ein Mittel zu finden wäre. Es ist ja eben nicht nothwendig, daß eine Sinfonie vor einer Oper allezeit aus drey Sätzen bestehen müsse: man könnte ja auch wohl mit dem ersten oder zweyten Satze schließen. Z. E. Der erste Auftritt hielte heroische oder andere feurige Leidenschaften in sich: so könnte der Schluß der Sinfonie mit dem ersten Satze geschehen. Kämen traurige oder verliebte Affecten darinne vor: so könnte man mit dem zweyten Satze aufhören. Hielte aber der erste Auftritt gar keine besondern Affecten in sich, sondern diese kämen erst in der Folge der Oper, oder am Ende vor: so könnte man mit dem dritten Satze der Sinfonie schließen. Auf solche Art hätte man Gelegenheit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0315" n="301"/>
wohl ausgearbeiteten Hauptsatz, und eine gute Vermischung verschiedener Instrumente, als Hoboen, Flöten, oder Waldhörner. Ihr Ursprung kömmt von den Franzosen her. <hi rendition="#fr">Lülly</hi> hat davon gute Muster gegeben. Doch haben ihn einige deutsche Componisten, unter andern vornehmlich <hi rendition="#fr">Händel</hi> und <hi rendition="#fr">Telemann</hi>, darinne weit übertroffen. Es geht den Franzosen mit ihren Ouvertüren fast, wie den Italiänern mit ihren Concerten. Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>43. §.</head><lb/>
            <p>Die italiänischen <hi rendition="#fr">Sinfonien</hi>, welche mit den Ouvertüren gleiche Absicht haben, erfodern zwar, in Ansehung der Pracht, eben dieselben Eigenschaften. Da aber die meisten von solchen Componisten verfertiget werden, die ihren Geist mehr in der Sing- als Instrumentalmusik geübet haben, so giebt es bis itzo nur noch sehr wenige Sinfonien, die alle Vollkommenheiten besitzen, und deswegen zu einem guten Muster dienen könnten. Es scheint zuweilen, als wenn es die Operncomponisten bey Verfertigung der Sinfonien so macheten, wie die Maler bey Ausarbeitung eines Conterfeyes; als welche sich der übrig gebliebenen Farben bedienen, um die Luft, oder das Gewand damit auszumalen. Indessen sollte doch billig eine Sinfonie, wie oben schon gedacht worden, einigen Zusammenhang mit dem Inhalte der Oper, oder zum wenigsten mit dem ersten Auftritte derselben haben; und nicht allezeit mit einem lustigen Menuet, wie mehrentheils geschieht, schließen. Ich bin zwar nicht willens hiervon ein Muster vorzuschreiben: weil man nicht alle Umstände, die bey dem Anfange einer jeden Oper vorkommen können, in eine Classe bringen kann. Dessen ungeachtet glaube ich doch, daß hierinne sehr leicht ein Mittel zu finden wäre. Es ist ja eben nicht nothwendig, daß eine Sinfonie vor einer Oper allezeit aus drey Sätzen bestehen müsse: man könnte ja auch wohl mit dem ersten oder zweyten Satze schließen. Z. E. Der erste Auftritt hielte heroische oder andere feurige Leidenschaften in sich: so könnte der Schluß der Sinfonie mit dem ersten Satze geschehen. Kämen traurige oder verliebte Affecten darinne vor: so könnte man mit dem zweyten Satze aufhören. Hielte aber der erste Auftritt gar keine besondern Affecten in sich, sondern diese kämen erst in der Folge der Oper, oder am Ende vor: so könnte man mit dem dritten Satze der Sinfonie schließen. Auf solche Art hätte man Gelegenheit,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0315] wohl ausgearbeiteten Hauptsatz, und eine gute Vermischung verschiedener Instrumente, als Hoboen, Flöten, oder Waldhörner. Ihr Ursprung kömmt von den Franzosen her. Lülly hat davon gute Muster gegeben. Doch haben ihn einige deutsche Componisten, unter andern vornehmlich Händel und Telemann, darinne weit übertroffen. Es geht den Franzosen mit ihren Ouvertüren fast, wie den Italiänern mit ihren Concerten. Nur ist, wegen der guten Wirkung welche die Ouvertüren thun, zu bedauern, daß sie in Deutschland nicht mehr üblich sind. 43. §. Die italiänischen Sinfonien, welche mit den Ouvertüren gleiche Absicht haben, erfodern zwar, in Ansehung der Pracht, eben dieselben Eigenschaften. Da aber die meisten von solchen Componisten verfertiget werden, die ihren Geist mehr in der Sing- als Instrumentalmusik geübet haben, so giebt es bis itzo nur noch sehr wenige Sinfonien, die alle Vollkommenheiten besitzen, und deswegen zu einem guten Muster dienen könnten. Es scheint zuweilen, als wenn es die Operncomponisten bey Verfertigung der Sinfonien so macheten, wie die Maler bey Ausarbeitung eines Conterfeyes; als welche sich der übrig gebliebenen Farben bedienen, um die Luft, oder das Gewand damit auszumalen. Indessen sollte doch billig eine Sinfonie, wie oben schon gedacht worden, einigen Zusammenhang mit dem Inhalte der Oper, oder zum wenigsten mit dem ersten Auftritte derselben haben; und nicht allezeit mit einem lustigen Menuet, wie mehrentheils geschieht, schließen. Ich bin zwar nicht willens hiervon ein Muster vorzuschreiben: weil man nicht alle Umstände, die bey dem Anfange einer jeden Oper vorkommen können, in eine Classe bringen kann. Dessen ungeachtet glaube ich doch, daß hierinne sehr leicht ein Mittel zu finden wäre. Es ist ja eben nicht nothwendig, daß eine Sinfonie vor einer Oper allezeit aus drey Sätzen bestehen müsse: man könnte ja auch wohl mit dem ersten oder zweyten Satze schließen. Z. E. Der erste Auftritt hielte heroische oder andere feurige Leidenschaften in sich: so könnte der Schluß der Sinfonie mit dem ersten Satze geschehen. Kämen traurige oder verliebte Affecten darinne vor: so könnte man mit dem zweyten Satze aufhören. Hielte aber der erste Auftritt gar keine besondern Affecten in sich, sondern diese kämen erst in der Folge der Oper, oder am Ende vor: so könnte man mit dem dritten Satze der Sinfonie schließen. Auf solche Art hätte man Gelegenheit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-30T10:17:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-30T10:17:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-30T10:17:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/315
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/315>, abgerufen am 27.11.2024.