V. Cl. Geschw. Metalle: Selenquecksilber, Grauspießglanz.
Schon die Alten wußten, daß durch Glühen des Zinnobers mit ge- branntem Kalk Quecksilber frei werde: es bildet sich in der Retorte Schwefel- calcium und schwefelsaurer Kalk, und das Quecksilber destillirt über. Auch Eisenhammerschlag kann man anwenden. Beim andern Verfahren erhitzt man das Erz beim Zutritt der Luft, es bilden sich schweflige Säure und Quecksilberdämpfe, diese läßt man in Kammern oder Vorlagen gehen, worin sich das Quecksilber verdichtet.
Selenquecksilber.
Wurde neuerlich von Hrn. Römer in Clausthal auf der dortigen Grube Charlotte entdeckt (Pogg. Ann. 88. 319). Es ist derb feinkörnig, schwärzlich bleigrau mit Quarz und Rotheisenstein verwachsen. Gibt in offener Röhre einen starken Selengeruch, und enthält nach Rammelsberg 74,5 Hg und 25,5 Se, was zu der Formel Hg6Se5 führen würde, da die wahrscheinlichere Formel Hg Se 28,4 Selen erfordert. Schon längst bekannt ist das
Selenquecksilber von San Onofrio in Mexiko (H. Rose Pogg. Ann. 46. 315). Gleicht in Farbe und Glanz dem Fahlerz, milde, Härte 2--3. Es verbreitet auf Kohle einen starken Selengeruch, obgleich es nur 6,5 Se neben 10,3 S und 81,3 Hg enthält, also 4 Hg + Hg Se ist. Daselbst kommt auch der Onofrit selenigsaures Quecksilberoxydul Hg Se vor.
Ehe wir jetzt zu den complicirtern Verbindungen schreiten, stellen wir die drei wichtigsten
SulphosäurenS'''b, B'''i, A'''s
nebst ihren einfachen Verbindungen voran. Sie sind alle drei unter ein- ander isomorph, und spielen als Säuren bei den geschwefelten Metallen entschieden die Hauptrolle, neben welchen etwa noch das Sesquisulfid des Eisens F'''e genannt werden kann. Man analysirt ihre Salze meist mittelst Chlorgas, wie z. B. die Fahlerze. Das wichtigste unter den dreien ist das
1. GrauspießglanzS'''b.
Die alten Mineralogen nannten es schlechthin Spießglas, an die spießigen Krystalle erinnernd, Stibi Spiesglas Agricola 707. Wegen seiner Heilkräfte war es schon im Alterthum berühmt, als Stibi, Stimmi, Sti- bium Plinius 33. 33. Erst später wurde der Name Spießglanz oder Sti- bium auf das Antimonmetall übergetragen pag. 502. Antimonglanz, Antimoine sulfure, Sulphuret of Antimony.
Zweigliedriges Krystallsystem, aber gute Krystalle selten. Gewöhnlich in langstrahligen Säulen s = a : b : infinityc von 90° 45', die aber durch Längsstreifen entstellt sind. Das beste Kennzeichen bildet der sehr deutlich blättrige Bruch b = b : infinitya : infinityc, welcher die scharfe Säulen-
Quenstedt, Mineralogie. 38
V. Cl. Geſchw. Metalle: Selenqueckſilber, Grauſpießglanz.
Schon die Alten wußten, daß durch Glühen des Zinnobers mit ge- branntem Kalk Queckſilber frei werde: es bildet ſich in der Retorte Schwefel- calcium und ſchwefelſaurer Kalk, und das Queckſilber deſtillirt über. Auch Eiſenhammerſchlag kann man anwenden. Beim andern Verfahren erhitzt man das Erz beim Zutritt der Luft, es bilden ſich ſchweflige Säure und Queckſilberdämpfe, dieſe läßt man in Kammern oder Vorlagen gehen, worin ſich das Queckſilber verdichtet.
Selenqueckſilber.
Wurde neuerlich von Hrn. Römer in Clausthal auf der dortigen Grube Charlotte entdeckt (Pogg. Ann. 88. 319). Es iſt derb feinkörnig, ſchwärzlich bleigrau mit Quarz und Rotheiſenſtein verwachſen. Gibt in offener Röhre einen ſtarken Selengeruch, und enthält nach Rammelsberg 74,5 Hg und 25,5 Se, was zu der Formel Hg6Se5 führen würde, da die wahrſcheinlichere Formel Hg Se 28,4 Selen erfordert. Schon längſt bekannt iſt das
Selenqueckſilber von San Onofrio in Mexiko (H. Roſe Pogg. Ann. 46. 315). Gleicht in Farbe und Glanz dem Fahlerz, milde, Härte 2—3. Es verbreitet auf Kohle einen ſtarken Selengeruch, obgleich es nur 6,5 Se neben 10,3 S und 81,3 Hg enthält, alſo 4 H̍g + Hg Se iſt. Daſelbſt kommt auch der Onofrit ſelenigſaures Queckſilberoxydul Ḣ̶g S̈e vor.
Ehe wir jetzt zu den complicirtern Verbindungen ſchreiten, ſtellen wir die drei wichtigſten
SulphoſäurenS̶ˈˈˈb, B̶ˈˈˈi, A̶ˈˈˈs
nebſt ihren einfachen Verbindungen voran. Sie ſind alle drei unter ein- ander iſomorph, und ſpielen als Säuren bei den geſchwefelten Metallen entſchieden die Hauptrolle, neben welchen etwa noch das Sesquiſulfid des Eiſens F̶ˈˈˈe genannt werden kann. Man analyſirt ihre Salze meiſt mittelſt Chlorgas, wie z. B. die Fahlerze. Das wichtigſte unter den dreien iſt das
1. GrauſpießglanzS̶ˈˈˈb.
Die alten Mineralogen nannten es ſchlechthin Spießglas, an die ſpießigen Kryſtalle erinnernd, Stibi Spiesglas Agricola 707. Wegen ſeiner Heilkräfte war es ſchon im Alterthum berühmt, als Στίβι, Στίμμι, Sti- bium Plinius 33. 33. Erſt ſpäter wurde der Name Spießglanz oder Sti- bium auf das Antimonmetall übergetragen pag. 502. Antimonglanz, Antimoine sulfuré, Sulphuret of Antimony.
Zweigliedriges Kryſtallſyſtem, aber gute Kryſtalle ſelten. Gewöhnlich in langſtrahligen Säulen s = a : b : ∞c von 90° 45′, die aber durch Längsſtreifen entſtellt ſind. Das beſte Kennzeichen bildet der ſehr deutlich blättrige Bruch b = b : ∞a : ∞c, welcher die ſcharfe Säulen-
Quenſtedt, Mineralogie. 38
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V. Cl. Geſchw. Metalle: Selenqueckſilber, Grauſpießglanz.
Schon die Alten wußten, daß durch Glühen des Zinnobers mit ge-
branntem Kalk Queckſilber frei werde: es bildet ſich in der Retorte Schwefel-
calcium und ſchwefelſaurer Kalk, und das Queckſilber deſtillirt über. Auch
Eiſenhammerſchlag kann man anwenden. Beim andern Verfahren erhitzt
man das Erz beim Zutritt der Luft, es bilden ſich ſchweflige Säure und
Queckſilberdämpfe, dieſe läßt man in Kammern oder Vorlagen gehen,
worin ſich das Queckſilber verdichtet.
Selenqueckſilber.
Wurde neuerlich von Hrn. Römer in Clausthal auf der dortigen
Grube Charlotte entdeckt (Pogg. Ann. 88. 319). Es iſt derb feinkörnig,
ſchwärzlich bleigrau mit Quarz und Rotheiſenſtein verwachſen. Gibt in
offener Röhre einen ſtarken Selengeruch, und enthält nach Rammelsberg
74,5 Hg und 25,5 Se, was zu der Formel Hg6 Se5 führen würde, da
die wahrſcheinlichere Formel Hg Se 28,4 Selen erfordert. Schon längſt
bekannt iſt das
Selenqueckſilber von San Onofrio in Mexiko (H. Roſe Pogg.
Ann. 46. 315). Gleicht in Farbe und Glanz dem Fahlerz, milde, Härte
2—3. Es verbreitet auf Kohle einen ſtarken Selengeruch, obgleich es nur
6,5 Se neben 10,3 S und 81,3 Hg enthält, alſo
4 H̍g + Hg Se
iſt. Daſelbſt kommt auch der Onofrit ſelenigſaures Queckſilberoxydul
Ḣ̶g S̈e vor.
Ehe wir jetzt zu den complicirtern Verbindungen ſchreiten, ſtellen wir
die drei wichtigſten
SulphoſäurenS̶ˈˈˈb, B̶ˈˈˈi, A̶ˈˈˈs
nebſt ihren einfachen Verbindungen voran. Sie ſind alle drei unter ein-
ander iſomorph, und ſpielen als Säuren bei den geſchwefelten Metallen
entſchieden die Hauptrolle, neben welchen etwa noch das Sesquiſulfid des
Eiſens F̶ˈˈˈe genannt werden kann. Man analyſirt ihre Salze meiſt mittelſt
Chlorgas, wie z. B. die Fahlerze. Das wichtigſte unter den dreien iſt das
1. Grauſpießglanz S̶ˈˈˈb.
Die alten Mineralogen nannten es ſchlechthin Spießglas, an die
ſpießigen Kryſtalle erinnernd, Stibi Spiesglas Agricola 707. Wegen ſeiner
Heilkräfte war es ſchon im Alterthum berühmt, als Στίβι, Στίμμι, Sti-
bium Plinius 33. 33. Erſt ſpäter wurde der Name Spießglanz oder Sti-
bium auf das Antimonmetall übergetragen pag. 502. Antimonglanz,
Antimoine sulfuré, Sulphuret of Antimony.
Zweigliedriges Kryſtallſyſtem, aber gute Kryſtalle ſelten.
Gewöhnlich in langſtrahligen Säulen s = a : b : ∞c von 90° 45′, die
aber durch Längsſtreifen entſtellt ſind. Das beſte Kennzeichen bildet der
ſehr deutlich blättrige Bruch b = b : ∞a : ∞c, welcher die ſcharfe Säulen-
Quenſtedt, Mineralogie. 38
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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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