sich am leichtesten die Sache mit zwei einfachen rhom- bischen Säulen klar: Im Falle 1 liegen beide parallel nebeneinander, und das ist kein Zwilling; im 2ten Falle haben sie B gemein, und A liegt umgekehrt, oder man sagt auch, das eine Individuum sei um das andere um 180° verdreht; im dritten Falle haben sie A gemein, d. h. dieselben spiegeln, und die B liegen umgekehrt. Da aber im zweigliedrigen System A = B ist, so sind die Fälle 2 und 3 nicht von einander ver- schieden. Weil außer der parallelen Lage für jedes Individuum nur eine einzige symmetrische möglich ist,
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so liegt in der Ausdrucksweise "umgekehrt" nichts Zweideutiges.
Wachsen die Individuen in ihrer Zwillingsstellung durch einander, so fallen die Unterscheidungsmerkmale der beiden Fälle ganz weg, es ist ein und dasselbe Zwillingsgesetz.
Häufig reihen sich die Individuen in großer Zahl an einander, aber so daß die ungerader Zahl 1357 denen ge-
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rader Zahl 246 parallel gehen. Es sind im Grunde nur zwei Individuen, welche sich in einander schränken. Nicht selten verengen sich die zwischenliegenden stark, sind oft so fein, daß sie nur an Streifungen erkannt
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werden, und zu der Meinung verleiten, man habe nur ein Individuum vor sich. Der Arragonit liefert vortreffliche Beispiele.
Drillinge bilden nur eine einfache Fortsetzung des Hauptgesetzes, und es hängt lediglich von der Größe des Säulenwinkels ab, wie viele sich um einen Punkt schaaren können. Beim Arragonit beträgt z. B. der Säulenwinkel 116° und 64°: schaaren sich also mit dem stumpfen Winkel drei Individuen, so bleibt noch ein Raum von 360 -- 3 * 116 = 12°, in welches kein vollständiges viertes mehr geht; mit dem scharfen Winkel können sich dagegen 5 an einander legen, und es bleibt noch ein Raum von 360 -- 5 * 64 = 40°, in
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welchen kein vollständiges sechstes hinein paßt. Siehe noch den Binarkies. Uebrigens brauchen die Individuen sich nicht blos um einen Punkt zu legen, sondern jedes kann wieder zu neuen Anlagerungen Anlaß geben, sie durchwachsen sich, und legen uns so eine Menge Schwierigkeiten in den Weg, die wir nicht immer zu durchschauen im Stande sind. Beträgt der stumpfe Säulenwinkel 120°, oder kommt er diesem nahe, so füllen drei Individuen mit ihren stumpfen Winkeln den Raum vollkommen aus, und verwischen sich die Zwillingsgränzen, so entsteht dann eine reguläre sechsseitige Säule, und eine vollständige sechsgliedrige Entwickelung des Systems. So ist es z. B. beim Silberkupferglanz, Arsenikkies, Chryso- beryll. Es wird dann auch hier durch den Drilling eine höhere Sym- metrie hingestellt. Selten kommt es bei einem Systeme vor, daß sich nach verschiedenen Säulen Zwillingsverwachsungen zeigen, wie z. B. beim Arsenikkies und Binarkies.
Zweigliedriges Syſtem: Zwillinge.
ſich am leichteſten die Sache mit zwei einfachen rhom- biſchen Säulen klar: Im Falle 1 liegen beide parallel nebeneinander, und das iſt kein Zwilling; im 2ten Falle haben ſie B gemein, und A liegt umgekehrt, oder man ſagt auch, das eine Individuum ſei um das andere um 180° verdreht; im dritten Falle haben ſie A gemein, d. h. dieſelben ſpiegeln, und die B liegen umgekehrt. Da aber im zweigliedrigen Syſtem A = B iſt, ſo ſind die Fälle 2 und 3 nicht von einander ver- ſchieden. Weil außer der parallelen Lage für jedes Individuum nur eine einzige ſymmetriſche möglich iſt,
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ſo liegt in der Ausdrucksweiſe „umgekehrt“ nichts Zweideutiges.
Wachſen die Individuen in ihrer Zwillingsſtellung durch einander, ſo fallen die Unterſcheidungsmerkmale der beiden Fälle ganz weg, es iſt ein und daſſelbe Zwillingsgeſetz.
Häufig reihen ſich die Individuen in großer Zahl an einander, aber ſo daß die ungerader Zahl 1357 denen ge-
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rader Zahl 246 parallel gehen. Es ſind im Grunde nur zwei Individuen, welche ſich in einander ſchränken. Nicht ſelten verengen ſich die zwiſchenliegenden ſtark, ſind oft ſo fein, daß ſie nur an Streifungen erkannt
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werden, und zu der Meinung verleiten, man habe nur ein Individuum vor ſich. Der Arragonit liefert vortreffliche Beiſpiele.
Drillinge bilden nur eine einfache Fortſetzung des Hauptgeſetzes, und es hängt lediglich von der Größe des Säulenwinkels ab, wie viele ſich um einen Punkt ſchaaren können. Beim Arragonit beträgt z. B. der Säulenwinkel 116° und 64°: ſchaaren ſich alſo mit dem ſtumpfen Winkel drei Individuen, ſo bleibt noch ein Raum von 360 — 3 • 116 = 12°, in welches kein vollſtändiges viertes mehr geht; mit dem ſcharfen Winkel können ſich dagegen 5 an einander legen, und es bleibt noch ein Raum von 360 — 5 • 64 = 40°, in
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welchen kein vollſtändiges ſechstes hinein paßt. Siehe noch den Binarkies. Uebrigens brauchen die Individuen ſich nicht blos um einen Punkt zu legen, ſondern jedes kann wieder zu neuen Anlagerungen Anlaß geben, ſie durchwachſen ſich, und legen uns ſo eine Menge Schwierigkeiten in den Weg, die wir nicht immer zu durchſchauen im Stande ſind. Beträgt der ſtumpfe Säulenwinkel 120°, oder kommt er dieſem nahe, ſo füllen drei Individuen mit ihren ſtumpfen Winkeln den Raum vollkommen aus, und verwiſchen ſich die Zwillingsgränzen, ſo entſteht dann eine reguläre ſechsſeitige Säule, und eine vollſtändige ſechsgliedrige Entwickelung des Syſtems. So iſt es z. B. beim Silberkupferglanz, Arſenikkies, Chryſo- beryll. Es wird dann auch hier durch den Drilling eine höhere Sym- metrie hingeſtellt. Selten kommt es bei einem Syſteme vor, daß ſich nach verſchiedenen Säulen Zwillingsverwachſungen zeigen, wie z. B. beim Arſenikkies und Binarkies.
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Zweigliedriges Syſtem: Zwillinge.
ſich am leichteſten die Sache mit zwei einfachen rhom-
biſchen Säulen klar: Im Falle 1 liegen beide parallel
nebeneinander, und das iſt kein Zwilling; im 2ten
Falle haben ſie B gemein, und A liegt umgekehrt,
oder man ſagt auch, das eine Individuum ſei um
das andere um 180° verdreht; im dritten Falle haben
ſie A gemein, d. h. dieſelben ſpiegeln, und die B liegen
umgekehrt. Da aber im zweigliedrigen Syſtem A = B
iſt, ſo ſind die Fälle 2 und 3 nicht von einander ver-
ſchieden. Weil außer der parallelen Lage für jedes
Individuum nur eine einzige ſymmetriſche möglich iſt,
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ſo liegt in der Ausdrucksweiſe „umgekehrt“ nichts Zweideutiges.
Wachſen die Individuen in ihrer Zwillingsſtellung durch
einander, ſo fallen die Unterſcheidungsmerkmale der beiden
Fälle ganz weg, es iſt ein und daſſelbe Zwillingsgeſetz.
Häufig reihen ſich die Individuen in großer Zahl an
einander, aber ſo daß die ungerader Zahl 1357 denen ge-
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rader Zahl 246 parallel gehen. Es ſind im Grunde
nur zwei Individuen, welche ſich in einander ſchränken.
Nicht ſelten verengen ſich die zwiſchenliegenden ſtark,
ſind oft ſo fein, daß ſie nur an Streifungen erkannt
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werden, und zu der Meinung verleiten, man habe nur ein Individuum
vor ſich. Der Arragonit liefert vortreffliche Beiſpiele.
Drillinge bilden nur eine einfache Fortſetzung des Hauptgeſetzes,
und es hängt lediglich von der Größe des Säulenwinkels ab, wie viele
ſich um einen Punkt ſchaaren können. Beim Arragonit beträgt z. B. der
Säulenwinkel 116° und 64°: ſchaaren
ſich alſo mit dem ſtumpfen Winkel drei
Individuen, ſo bleibt noch ein Raum von
360 — 3 • 116 = 12°, in welches kein
vollſtändiges viertes mehr geht; mit dem
ſcharfen Winkel können ſich dagegen 5
an einander legen, und es bleibt noch
ein Raum von 360 — 5 • 64 = 40°, in
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welchen kein vollſtändiges ſechstes hinein paßt. Siehe noch den Binarkies.
Uebrigens brauchen die Individuen ſich nicht blos um einen Punkt zu
legen, ſondern jedes kann wieder zu neuen Anlagerungen Anlaß geben,
ſie durchwachſen ſich, und legen uns ſo eine Menge Schwierigkeiten in
den Weg, die wir nicht immer zu durchſchauen im Stande ſind. Beträgt
der ſtumpfe Säulenwinkel 120°, oder kommt er dieſem nahe, ſo füllen
drei Individuen mit ihren ſtumpfen Winkeln den Raum vollkommen aus,
und verwiſchen ſich die Zwillingsgränzen, ſo entſteht dann eine reguläre
ſechsſeitige Säule, und eine vollſtändige ſechsgliedrige Entwickelung des
Syſtems. So iſt es z. B. beim Silberkupferglanz, Arſenikkies, Chryſo-
beryll. Es wird dann auch hier durch den Drilling eine höhere Sym-
metrie hingeſtellt. Selten kommt es bei einem Syſteme vor, daß ſich nach
verſchiedenen Säulen Zwillingsverwachſungen zeigen, wie z. B. beim
Arſenikkies und Binarkies.
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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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