schwarzhaarige Jüngling und entschlüpfte mit scheuen Verbeugungen, sowohl gegen Velten wie gegen mich.
"Es ist der Sohn des Schneiders aus meinem Vorderhause," sagte Velten. "Seine Ahnen haben unter Ludwig dem Neunten gegen die Ungläubigen gestritten, haben Toulouse gegen Simon von Montfort vertheidigt, im Löwengolf Galeeren gegen die Beys von Tunis, Tripolis und Algier kommandirt und unter Ludwig dem Vierzehnten, dem Edikt von Nantes und der Frau von Maintenon zuliebe, selber auf solchen gemüthlichen Fahrzeugen gerudert. Der Zweig des Geschlechts, der sich unterm Großen Kurfürsten hierher nach Berlin ins Trockene gerettet hat, scheint mir jetzt auch sein Schäflein ins Trockene zu bringen. Ich glaube, ich kann Dir die Firma des Beaux empfehlen für Deinen Bedarf an Hosen, Jacken und Westen. Die Schwester des guten Jungen heißt Leonie, Du findest sie im Vorderhause im ersten Stock -- Blüthnerscher Flügel, deutsche, französische, englische Litteratur und was sonst zu einer höhern Tochter gehört. Ich kann Dich vorstellen, aber nehme die Verantwortung nicht auf mich, denn das Fräulein ist auch hübsch -- immer noch südfranzösisches Genre. Leonie des Beaux! Wie klingt Dir das von einer Schneidertochter hier im Lande der Fritzen und Karlinen? Wie mir scheint, hat die ganze Familie
ſchwarzhaarige Jüngling und entſchlüpfte mit ſcheuen Verbeugungen, ſowohl gegen Velten wie gegen mich.
„Es iſt der Sohn des Schneiders aus meinem Vorderhauſe,“ ſagte Velten. „Seine Ahnen haben unter Ludwig dem Neunten gegen die Ungläubigen geſtritten, haben Toulouſe gegen Simon von Montfort vertheidigt, im Löwengolf Galeeren gegen die Beys von Tunis, Tripolis und Algier kommandirt und unter Ludwig dem Vierzehnten, dem Edikt von Nantes und der Frau von Maintenon zuliebe, ſelber auf ſolchen gemüthlichen Fahrzeugen gerudert. Der Zweig des Geſchlechts, der ſich unterm Großen Kurfürſten hierher nach Berlin ins Trockene gerettet hat, ſcheint mir jetzt auch ſein Schäflein ins Trockene zu bringen. Ich glaube, ich kann Dir die Firma des Beaux empfehlen für Deinen Bedarf an Hoſen, Jacken und Weſten. Die Schweſter des guten Jungen heißt Leonie, Du findeſt ſie im Vorderhauſe im erſten Stock — Blüthnerſcher Flügel, deutſche, franzöſiſche, engliſche Litteratur und was ſonſt zu einer höhern Tochter gehört. Ich kann Dich vorſtellen, aber nehme die Verantwortung nicht auf mich, denn das Fräulein iſt auch hübſch — immer noch ſüdfranzöſiſches Genre. Leonie des Beaux! Wie klingt Dir das von einer Schneidertochter hier im Lande der Fritzen und Karlinen? Wie mir ſcheint, hat die ganze Familie
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0108"n="98"/>ſchwarzhaarige Jüngling und entſchlüpfte mit ſcheuen<lb/>
Verbeugungen, ſowohl gegen Velten wie gegen mich.</p><lb/><p>„Es iſt der Sohn des Schneiders aus <hirendition="#g">meinem</hi><lb/>
Vorderhauſe,“ſagte Velten. „Seine Ahnen haben<lb/>
unter Ludwig dem Neunten gegen die Ungläubigen<lb/>
geſtritten, haben Toulouſe gegen Simon von Montfort<lb/>
vertheidigt, im Löwengolf Galeeren gegen die Beys von<lb/>
Tunis, Tripolis und Algier kommandirt und unter<lb/>
Ludwig dem Vierzehnten, dem Edikt von Nantes und<lb/>
der Frau von Maintenon zuliebe, ſelber auf ſolchen<lb/>
gemüthlichen Fahrzeugen gerudert. Der Zweig des<lb/>
Geſchlechts, der ſich unterm Großen Kurfürſten hierher<lb/>
nach Berlin ins Trockene gerettet hat, ſcheint mir jetzt<lb/>
auch ſein Schäflein ins Trockene zu bringen. Ich<lb/>
glaube, ich kann Dir die Firma des Beaux empfehlen<lb/>
für Deinen Bedarf an Hoſen, Jacken und Weſten.<lb/>
Die Schweſter des guten Jungen heißt Leonie, Du<lb/>
findeſt ſie im Vorderhauſe im erſten Stock —<lb/>
Blüthnerſcher Flügel, deutſche, franzöſiſche, engliſche<lb/>
Litteratur und was ſonſt zu einer höhern Tochter<lb/>
gehört. Ich kann Dich vorſtellen, aber nehme die<lb/>
Verantwortung nicht auf mich, denn das Fräulein<lb/>
iſt auch hübſch — immer noch ſüdfranzöſiſches Genre.<lb/>
Leonie des Beaux! Wie klingt Dir das von einer<lb/>
Schneidertochter hier im Lande der Fritzen und<lb/>
Karlinen? Wie mir ſcheint, hat die ganze Familie<lb/></p></body></text></TEI>
[98/0108]
ſchwarzhaarige Jüngling und entſchlüpfte mit ſcheuen
Verbeugungen, ſowohl gegen Velten wie gegen mich.
„Es iſt der Sohn des Schneiders aus meinem
Vorderhauſe,“ ſagte Velten. „Seine Ahnen haben
unter Ludwig dem Neunten gegen die Ungläubigen
geſtritten, haben Toulouſe gegen Simon von Montfort
vertheidigt, im Löwengolf Galeeren gegen die Beys von
Tunis, Tripolis und Algier kommandirt und unter
Ludwig dem Vierzehnten, dem Edikt von Nantes und
der Frau von Maintenon zuliebe, ſelber auf ſolchen
gemüthlichen Fahrzeugen gerudert. Der Zweig des
Geſchlechts, der ſich unterm Großen Kurfürſten hierher
nach Berlin ins Trockene gerettet hat, ſcheint mir jetzt
auch ſein Schäflein ins Trockene zu bringen. Ich
glaube, ich kann Dir die Firma des Beaux empfehlen
für Deinen Bedarf an Hoſen, Jacken und Weſten.
Die Schweſter des guten Jungen heißt Leonie, Du
findeſt ſie im Vorderhauſe im erſten Stock —
Blüthnerſcher Flügel, deutſche, franzöſiſche, engliſche
Litteratur und was ſonſt zu einer höhern Tochter
gehört. Ich kann Dich vorſtellen, aber nehme die
Verantwortung nicht auf mich, denn das Fräulein
iſt auch hübſch — immer noch ſüdfranzöſiſches Genre.
Leonie des Beaux! Wie klingt Dir das von einer
Schneidertochter hier im Lande der Fritzen und
Karlinen? Wie mir ſcheint, hat die ganze Familie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/108>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.