anstalten, die Krippen und so weiter, ja auch der Verein zur Besserung entlassener Strafgefangener sich des kurzen Aufenthalts Mr. Charles Trotzen¬ dorffs im ersten Gasthof der Stadt (mit Familie) auf eine Weise zu erfreuen, die nur für ausnehmend nüchterne, schlechte Charaktere nichts Erstaunliches an sich hatte. Kein anderer Ortseingeborener hatte in so kurzer Zeit so oft in den öffentlichen Blättern der Stadt gestanden als Mr. Charles Trotzendorff. Seit Menschengedenken hatte kein Anderer wie er es so verstanden, sich binnen kürzester Zeit so sehr loben zu lassen. Daß es vom fürstlichen Residenzschloß an bis in den Vogelsang hinein zu feine Nasen gab, denen er zu gut roch, ließ sich freilich nicht leugnen und also auch nicht ändern. Seine Durchlaucht ver¬ weigerte eine nachgesuchte Audienz. Mein Vater brummte: "Schwindel!" Veltens Mutter seufzte: "Mein armes, liebes Kindchen!" und der alte Hart¬ leben meinte: "Wissen Sie, Frau Doktern, ich kann lange zurückdenken, aber solch eine Komödie, mit solch einem Hanswurst als Hauptperson drin, hab ich doch noch nicht erlebt hier in der Nachbarschaft! Herrje, was hat das Karlchen, der Kerl, zugelernt seit er vor Jahren seinen Abschied von hier nehmen mußte!"
"Weißt Du, Carlos," sagte Velten Andres zu mir, "die Alte ließ sich gerade in jenen reizenden
anſtalten, die Krippen und ſo weiter, ja auch der Verein zur Beſſerung entlaſſener Strafgefangener ſich des kurzen Aufenthalts Mr. Charles Trotzen¬ dorffs im erſten Gaſthof der Stadt (mit Familie) auf eine Weiſe zu erfreuen, die nur für ausnehmend nüchterne, ſchlechte Charaktere nichts Erſtaunliches an ſich hatte. Kein anderer Ortseingeborener hatte in ſo kurzer Zeit ſo oft in den öffentlichen Blättern der Stadt geſtanden als Mr. Charles Trotzendorff. Seit Menſchengedenken hatte kein Anderer wie er es ſo verſtanden, ſich binnen kürzeſter Zeit ſo ſehr loben zu laſſen. Daß es vom fürſtlichen Reſidenzſchloß an bis in den Vogelſang hinein zu feine Naſen gab, denen er zu gut roch, ließ ſich freilich nicht leugnen und alſo auch nicht ändern. Seine Durchlaucht ver¬ weigerte eine nachgeſuchte Audienz. Mein Vater brummte: „Schwindel!“ Veltens Mutter ſeufzte: „Mein armes, liebes Kindchen!“ und der alte Hart¬ leben meinte: „Wiſſen Sie, Frau Doktern, ich kann lange zurückdenken, aber ſolch eine Komödie, mit ſolch einem Hanswurſt als Hauptperſon drin, hab ich doch noch nicht erlebt hier in der Nachbarſchaft! Herrje, was hat das Karlchen, der Kerl, zugelernt ſeit er vor Jahren ſeinen Abſchied von hier nehmen mußte!“
„Weißt Du, Carlos,“ ſagte Velten Andres zu mir, „die Alte ließ ſich gerade in jenen reizenden
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0116"n="106"/>
anſtalten, die Krippen und ſo weiter, ja auch der<lb/>
Verein zur Beſſerung entlaſſener Strafgefangener<lb/>ſich des kurzen Aufenthalts Mr. Charles Trotzen¬<lb/>
dorffs im erſten Gaſthof der Stadt (mit Familie)<lb/>
auf eine Weiſe zu erfreuen, die nur für ausnehmend<lb/>
nüchterne, ſchlechte Charaktere nichts Erſtaunliches an<lb/>ſich hatte. Kein anderer Ortseingeborener hatte in<lb/>ſo kurzer Zeit ſo oft in den öffentlichen Blättern<lb/>
der Stadt geſtanden als Mr. Charles Trotzendorff.<lb/>
Seit Menſchengedenken hatte kein Anderer wie er es<lb/>ſo verſtanden, ſich binnen kürzeſter Zeit ſo ſehr loben<lb/>
zu laſſen. Daß es vom fürſtlichen Reſidenzſchloß an<lb/>
bis in den Vogelſang hinein zu feine Naſen gab,<lb/>
denen er zu gut roch, ließ ſich freilich nicht leugnen<lb/>
und alſo auch nicht ändern. Seine Durchlaucht ver¬<lb/>
weigerte eine nachgeſuchte Audienz. Mein Vater<lb/>
brummte: „Schwindel!“ Veltens Mutter ſeufzte:<lb/>„Mein armes, liebes Kindchen!“ und der alte Hart¬<lb/>
leben meinte: „Wiſſen Sie, Frau Doktern, ich kann<lb/>
lange zurückdenken, aber ſolch eine Komödie, mit ſolch<lb/>
einem Hanswurſt als Hauptperſon drin, hab ich doch<lb/>
noch nicht erlebt hier in der Nachbarſchaft! Herrje,<lb/>
was hat das Karlchen, der Kerl, zugelernt ſeit er vor<lb/>
Jahren ſeinen Abſchied von hier nehmen mußte!“</p><lb/><p>„Weißt Du, Carlos,“ſagte Velten Andres zu<lb/>
mir, „die Alte ließ ſich gerade in jenen reizenden<lb/></p></body></text></TEI>
[106/0116]
anſtalten, die Krippen und ſo weiter, ja auch der
Verein zur Beſſerung entlaſſener Strafgefangener
ſich des kurzen Aufenthalts Mr. Charles Trotzen¬
dorffs im erſten Gaſthof der Stadt (mit Familie)
auf eine Weiſe zu erfreuen, die nur für ausnehmend
nüchterne, ſchlechte Charaktere nichts Erſtaunliches an
ſich hatte. Kein anderer Ortseingeborener hatte in
ſo kurzer Zeit ſo oft in den öffentlichen Blättern
der Stadt geſtanden als Mr. Charles Trotzendorff.
Seit Menſchengedenken hatte kein Anderer wie er es
ſo verſtanden, ſich binnen kürzeſter Zeit ſo ſehr loben
zu laſſen. Daß es vom fürſtlichen Reſidenzſchloß an
bis in den Vogelſang hinein zu feine Naſen gab,
denen er zu gut roch, ließ ſich freilich nicht leugnen
und alſo auch nicht ändern. Seine Durchlaucht ver¬
weigerte eine nachgeſuchte Audienz. Mein Vater
brummte: „Schwindel!“ Veltens Mutter ſeufzte:
„Mein armes, liebes Kindchen!“ und der alte Hart¬
leben meinte: „Wiſſen Sie, Frau Doktern, ich kann
lange zurückdenken, aber ſolch eine Komödie, mit ſolch
einem Hanswurſt als Hauptperſon drin, hab ich doch
noch nicht erlebt hier in der Nachbarſchaft! Herrje,
was hat das Karlchen, der Kerl, zugelernt ſeit er vor
Jahren ſeinen Abſchied von hier nehmen mußte!“
„Weißt Du, Carlos,“ ſagte Velten Andres zu
mir, „die Alte ließ ſich gerade in jenen reizenden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/116>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.