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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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grün zu machen und schön zu erhalten, und Dein
närrischer Schulgenoß läßt nicht von seinen Illusionen,
lieber Karl. Er kann das Mädchen noch nicht auf¬
geben, und er sagt die Wahrheit, wenn er meint,
daß auch sie noch immer nur auf ihn wartet und
nach ihm um Hilfe aussieht. Möchte ich das ändern,
wenn ich's könnte? Nein, nein! Ganz gewiß nicht!
Auch ich halte ja, Gott sei Dank, meine Illusionen
noch immer fest, wenn auch nicht mit seinem lachen¬
den Herzen. Sie ist ja auch in eurer Kinderzeit
zu meinem Kinde geworden, und ich weiß, was sie
werth ist, und unter allen Umständen -- ja allen --
werth bleiben wird. Auch wenn sie ihm verloren geht.
Wenn er fern sein wird, habe ich Zeit, mir das, nicht
bloß in schlaflosen, sorgenvollen Nächten, sondern auch
da, an meinem Fensterchen im Sonnenschein, zurecht¬
zulegen. Dein guter, treuer Vater, lieber Krum¬
hardt, sitzt hier jetzt häufiger als sonst bei mir und
erzieht noch wie sonst an mir und meinen Kindern;
jetzt meint er, mein Junge habe nun den ersten
praktischen Einfall in seinem Leben gehabt. Soll
da Unsereine trotz ihrer Sorgen und Ängste nicht
lachen? Euer netter, reicher, junger Freund aus
Berlin, mein lieber Freund, euer Herr Leon, hat
uns auch in dieser Hinsicht einen großen Dienst er¬
wiesen. Er hat ihn, ich meine Deinen guten Papa,

grün zu machen und ſchön zu erhalten, und Dein
närriſcher Schulgenoß läßt nicht von ſeinen Illuſionen,
lieber Karl. Er kann das Mädchen noch nicht auf¬
geben, und er ſagt die Wahrheit, wenn er meint,
daß auch ſie noch immer nur auf ihn wartet und
nach ihm um Hilfe ausſieht. Möchte ich das ändern,
wenn ich's könnte? Nein, nein! Ganz gewiß nicht!
Auch ich halte ja, Gott ſei Dank, meine Illuſionen
noch immer feſt, wenn auch nicht mit ſeinem lachen¬
den Herzen. Sie iſt ja auch in eurer Kinderzeit
zu meinem Kinde geworden, und ich weiß, was ſie
werth iſt, und unter allen Umſtänden — ja allen —
werth bleiben wird. Auch wenn ſie ihm verloren geht.
Wenn er fern ſein wird, habe ich Zeit, mir das, nicht
bloß in ſchlafloſen, ſorgenvollen Nächten, ſondern auch
da, an meinem Fenſterchen im Sonnenſchein, zurecht¬
zulegen. Dein guter, treuer Vater, lieber Krum¬
hardt, ſitzt hier jetzt häufiger als ſonſt bei mir und
erzieht noch wie ſonſt an mir und meinen Kindern;
jetzt meint er, mein Junge habe nun den erſten
praktiſchen Einfall in ſeinem Leben gehabt. Soll
da Unſereine trotz ihrer Sorgen und Ängſte nicht
lachen? Euer netter, reicher, junger Freund aus
Berlin, mein lieber Freund, euer Herr Leon, hat
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[148/0158] grün zu machen und ſchön zu erhalten, und Dein närriſcher Schulgenoß läßt nicht von ſeinen Illuſionen, lieber Karl. Er kann das Mädchen noch nicht auf¬ geben, und er ſagt die Wahrheit, wenn er meint, daß auch ſie noch immer nur auf ihn wartet und nach ihm um Hilfe ausſieht. Möchte ich das ändern, wenn ich's könnte? Nein, nein! Ganz gewiß nicht! Auch ich halte ja, Gott ſei Dank, meine Illuſionen noch immer feſt, wenn auch nicht mit ſeinem lachen¬ den Herzen. Sie iſt ja auch in eurer Kinderzeit zu meinem Kinde geworden, und ich weiß, was ſie werth iſt, und unter allen Umſtänden — ja allen — werth bleiben wird. Auch wenn ſie ihm verloren geht. Wenn er fern ſein wird, habe ich Zeit, mir das, nicht bloß in ſchlafloſen, ſorgenvollen Nächten, ſondern auch da, an meinem Fenſterchen im Sonnenſchein, zurecht¬ zulegen. Dein guter, treuer Vater, lieber Krum¬ hardt, ſitzt hier jetzt häufiger als ſonſt bei mir und erzieht noch wie ſonſt an mir und meinen Kindern; jetzt meint er, mein Junge habe nun den erſten praktiſchen Einfall in ſeinem Leben gehabt. Soll da Unſereine trotz ihrer Sorgen und Ängſte nicht lachen? Euer netter, reicher, junger Freund aus Berlin, mein lieber Freund, euer Herr Leon, hat uns auch in dieſer Hinſicht einen großen Dienſt er¬ wieſen. Er hat ihn, ich meine Deinen guten Papa,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/158>, abgerufen am 28.11.2024.