Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.schreibe, schneit es wieder. Unaufhörlich rieselt seit Erhebt euch, ihr Thäler, Sinkt nieder, ihr Höh'n; Ihr hindert mich ja Meine Liebste zu sehn; -- Wie kommt es nur, daß mir das alte welsche Lied, Es ist nun schon lange Jahre her, seit uns ſchreibe, ſchneit es wieder. Unaufhörlich rieſelt ſeit Erhebt euch, ihr Thäler, Sinkt nieder, ihr Höh'n; Ihr hindert mich ja Meine Liebſte zu ſehn; — Wie kommt es nur, daß mir das alte welſche Lied, Es iſt nun ſchon lange Jahre her, ſeit uns <TEI> <text> <body> <p xml:id="p-0169" next="p-0170"><pb facs="#f0170" n="160"/> ſchreibe, ſchneit es wieder. Unaufhörlich rieſelt ſeit<lb/> dem Nachmittag das weiße Gewirbel nieder und macht<lb/> die Erde ſtill, glatt und rein. Wenn ich ans Fenſter<lb/> und nach der nächſten Gaslaterne hinüberſehe, kann<lb/> ich mich nur ſchwer von dem ſchönen Schauſpiel los¬<lb/> reißen; von allen Naturerſcheinungen bringt der<lb/> Schneefall (vom warmen Zimmer aus geſehen) die<lb/> behaglichſten Bilder und Traumminuten mit ſich. Der<lb/> Schnee wärmt. Ich kenne Leute, egoiſtiſche Zärtlinge,<lb/> die es ſich behaglich vorſtellen, von ihm zugedeckt,<lb/> als haus- und heimathloſer, hungriger Wanderer auf<lb/> der Landſtraße müde einzuſchlafen und ſich aus der<lb/> ungemüthlichen, bitteren Wirklichkeit ſanft hinauszu¬<lb/> träumen.</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Erhebt euch, ihr Thäler,</l><lb/> <l rendition="#et">Sinkt nieder, ihr Höh'n;</l><lb/> <l rendition="#et">Ihr hindert mich ja</l><lb/> <l rendition="#et">Meine Liebſte zu ſehn; —</l><lb/> </lg> <p xml:id="p-0170" prev="p-0169">Wie kommt es nur, daß mir das alte welſche Lied,<lb/> ſchön wie irgend ein deutſches — den ganzen Abend<lb/> durch nicht aus dem Sinn will? Daß ich es immer<lb/> von Neuem ſummen muß, während der Schnee fällt,<lb/> die Thäler ausfüllt und die Berge niederdrückt, indem<lb/> er ſich weiß, farblos auf ſie legt?!</p><lb/> <p>Es iſt nun ſchon lange Jahre her, ſeit uns<lb/> Leonie des Beaux das Lied in der Dorotheenſtraße<lb/> zu Berlin zum erſten Mal ſang. Die hohen Berge,<lb/></p> </body> </text> </TEI> [160/0170]
ſchreibe, ſchneit es wieder. Unaufhörlich rieſelt ſeit
dem Nachmittag das weiße Gewirbel nieder und macht
die Erde ſtill, glatt und rein. Wenn ich ans Fenſter
und nach der nächſten Gaslaterne hinüberſehe, kann
ich mich nur ſchwer von dem ſchönen Schauſpiel los¬
reißen; von allen Naturerſcheinungen bringt der
Schneefall (vom warmen Zimmer aus geſehen) die
behaglichſten Bilder und Traumminuten mit ſich. Der
Schnee wärmt. Ich kenne Leute, egoiſtiſche Zärtlinge,
die es ſich behaglich vorſtellen, von ihm zugedeckt,
als haus- und heimathloſer, hungriger Wanderer auf
der Landſtraße müde einzuſchlafen und ſich aus der
ungemüthlichen, bitteren Wirklichkeit ſanft hinauszu¬
träumen.
Erhebt euch, ihr Thäler,
Sinkt nieder, ihr Höh'n;
Ihr hindert mich ja
Meine Liebſte zu ſehn; —
Wie kommt es nur, daß mir das alte welſche Lied,
ſchön wie irgend ein deutſches — den ganzen Abend
durch nicht aus dem Sinn will? Daß ich es immer
von Neuem ſummen muß, während der Schnee fällt,
die Thäler ausfüllt und die Berge niederdrückt, indem
er ſich weiß, farblos auf ſie legt?!
Es iſt nun ſchon lange Jahre her, ſeit uns
Leonie des Beaux das Lied in der Dorotheenſtraße
zu Berlin zum erſten Mal ſang. Die hohen Berge,
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