Hier ist der Abschluß! Alles ist gethan Und nichts kann mehr geschehn! Das Land, das Meer, Das Reich, die Kirche, das Gericht, das Heer, Sie sind verschwunden, alles ist nicht mehr!
Ja, ja, was nimmt man sich Alles vor zu Glück und Ruhm und zum Besten der Welt in der Welt, bis der Narrenkönig dem diese Welt gehört -- siehe Schillers Jungfrau von Orleans -- Einem das Bein stellt und alle Weisen, Helden und weg¬ gelaufenen Schuljungen auf die Gefühle eines Zahn¬ arztes, der selber Zahnweh hat, hinunterdrückt! Du weißt es, Mutter, und kannst es mir bezeugen, daß die Scheu der Leute, sich vor der Menschheit, das heißt den Nächsten ihresgleichen lächerlich zu machen, mir leider immer nur zu sehr gemangelt hat; aber die Sehnsucht, mir selber endlich einmal wieder lächerlich vorzukommen und somit das rich¬ tige Maaß für die Dinge dieser Erde wieder zu gewinnen, ist mir bis jetzt auch nicht in solcher Fülle und Üppigkeit zu theil geworden. Zu Hause im Vogelsang, würde das wohl noch am leichtesten zu erreichen sein, Deinem lieben Korbstuhl gegen¬ über und mit des seligen Vaters geliebter ersten Originalausgabe des Wandsbecker Boten auf Deinem Nähtische und mit der einzigen Aussicht über Deine Buchsbaum- und Blumenbeete, meine
Hier iſt der Abſchluß! Alles iſt gethan Und nichts kann mehr geſchehn! Das Land, das Meer, Das Reich, die Kirche, das Gericht, das Heer, Sie ſind verſchwunden, alles iſt nicht mehr!
Ja, ja, was nimmt man ſich Alles vor zu Glück und Ruhm und zum Beſten der Welt in der Welt, bis der Narrenkönig dem dieſe Welt gehört — ſiehe Schillers Jungfrau von Orleans — Einem das Bein ſtellt und alle Weiſen, Helden und weg¬ gelaufenen Schuljungen auf die Gefühle eines Zahn¬ arztes, der ſelber Zahnweh hat, hinunterdrückt! Du weißt es, Mutter, und kannſt es mir bezeugen, daß die Scheu der Leute, ſich vor der Menſchheit, das heißt den Nächſten ihresgleichen lächerlich zu machen, mir leider immer nur zu ſehr gemangelt hat; aber die Sehnſucht, mir ſelber endlich einmal wieder lächerlich vorzukommen und ſomit das rich¬ tige Maaß für die Dinge dieſer Erde wieder zu gewinnen, iſt mir bis jetzt auch nicht in ſolcher Fülle und Üppigkeit zu theil geworden. Zu Hauſe im Vogelſang, würde das wohl noch am leichteſten zu erreichen ſein, Deinem lieben Korbſtuhl gegen¬ über und mit des ſeligen Vaters geliebter erſten Originalausgabe des Wandsbecker Boten auf Deinem Nähtiſche und mit der einzigen Ausſicht über Deine Buchsbaum- und Blumenbeete, meine
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Hier iſt der Abſchluß! Alles iſt gethan
Und nichts kann mehr geſchehn! Das Land, das Meer,
Das Reich, die Kirche, das Gericht, das Heer,
Sie ſind verſchwunden, alles iſt nicht mehr!
Ja, ja, was nimmt man ſich Alles vor zu
Glück und Ruhm und zum Beſten der Welt in der
Welt, bis der Narrenkönig dem dieſe Welt gehört
— ſiehe Schillers Jungfrau von Orleans — Einem
das Bein ſtellt und alle Weiſen, Helden und weg¬
gelaufenen Schuljungen auf die Gefühle eines Zahn¬
arztes, der ſelber Zahnweh hat, hinunterdrückt! Du
weißt es, Mutter, und kannſt es mir bezeugen,
daß die Scheu der Leute, ſich vor der Menſchheit,
das heißt den Nächſten ihresgleichen lächerlich zu
machen, mir leider immer nur zu ſehr gemangelt
hat; aber die Sehnſucht, mir ſelber endlich einmal
wieder lächerlich vorzukommen und ſomit das rich¬
tige Maaß für die Dinge dieſer Erde wieder zu
gewinnen, iſt mir bis jetzt auch nicht in ſolcher
Fülle und Üppigkeit zu theil geworden. Zu Hauſe
im Vogelſang, würde das wohl noch am leichteſten
zu erreichen ſein, Deinem lieben Korbſtuhl gegen¬
über und mit des ſeligen Vaters geliebter erſten
Originalausgabe des Wandsbecker Boten auf
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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