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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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auf solch einen übrigens im Grunde gräßlichen
Menschen werden."


Ach, und er war so gut, und hielt sich so still,
und that keinem seiner hiesigen Mitmenschen was --
fast ein volles Jahr im Vogelsang. Fast ein volles
Jahr hindurch gab es in der fast zur Großstadt
herangewachsenen Residenz keinen kleinbürgerlicher
von seinen Renten lebenden Rentner (wenn auch nicht
in Schlafrock und Pantoffeln) als wie Velten Andres.
Das Interesse an ihm erlosch bald vollständig; wie
Mr. Charles Trotzendorff war er wahrlich nicht heim¬
gekehrt; übrigens wußte auch seine jetzige Nachbar¬
schaft im Vogelsang kaum noch etwas von Joseph;
das heißt in diesem Falle von dem Doktor Andres
und seiner Familie.

Gegen alle Schulfreunde und sonstige Jugendge¬
nossen hatte er im Verkehr eigentlich nur das eine Wort:

"Schauderhaft müde."

Wenn, er dann gähnend vielleicht noch hinzuge¬
setzt hatte:

"Ausschlafen!" und der gute Freund mehr und
mehr zu dem Bewußtsein gelangte, daß er seinerseits
eigentlich nichts mitzutheilen habe; so war es denn

W. Raabe. Die Akten des Vogelsangs. 15

auf ſolch einen übrigens im Grunde gräßlichen
Menſchen werden.“


Ach, und er war ſo gut, und hielt ſich ſo ſtill,
und that keinem ſeiner hieſigen Mitmenſchen was —
faſt ein volles Jahr im Vogelſang. Faſt ein volles
Jahr hindurch gab es in der faſt zur Großſtadt
herangewachſenen Reſidenz keinen kleinbürgerlicher
von ſeinen Renten lebenden Rentner (wenn auch nicht
in Schlafrock und Pantoffeln) als wie Velten Andres.
Das Intereſſe an ihm erloſch bald vollſtändig; wie
Mr. Charles Trotzendorff war er wahrlich nicht heim¬
gekehrt; übrigens wußte auch ſeine jetzige Nachbar¬
ſchaft im Vogelſang kaum noch etwas von Joſeph;
das heißt in dieſem Falle von dem Doktor Andres
und ſeiner Familie.

Gegen alle Schulfreunde und ſonſtige Jugendge¬
noſſen hatte er im Verkehr eigentlich nur das eine Wort:

„Schauderhaft müde.“

Wenn, er dann gähnend vielleicht noch hinzuge¬
ſetzt hatte:

„Ausſchlafen!“ und der gute Freund mehr und
mehr zu dem Bewußtſein gelangte, daß er ſeinerſeits
eigentlich nichts mitzutheilen habe; ſo war es denn

W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 15
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[225/0235] auf ſolch einen übrigens im Grunde gräßlichen Menſchen werden.“ Ach, und er war ſo gut, und hielt ſich ſo ſtill, und that keinem ſeiner hieſigen Mitmenſchen was — faſt ein volles Jahr im Vogelſang. Faſt ein volles Jahr hindurch gab es in der faſt zur Großſtadt herangewachſenen Reſidenz keinen kleinbürgerlicher von ſeinen Renten lebenden Rentner (wenn auch nicht in Schlafrock und Pantoffeln) als wie Velten Andres. Das Intereſſe an ihm erloſch bald vollſtändig; wie Mr. Charles Trotzendorff war er wahrlich nicht heim¬ gekehrt; übrigens wußte auch ſeine jetzige Nachbar¬ ſchaft im Vogelſang kaum noch etwas von Joſeph; das heißt in dieſem Falle von dem Doktor Andres und ſeiner Familie. Gegen alle Schulfreunde und ſonſtige Jugendge¬ noſſen hatte er im Verkehr eigentlich nur das eine Wort: „Schauderhaft müde.“ Wenn, er dann gähnend vielleicht noch hinzuge¬ ſetzt hatte: „Ausſchlafen!“ und der gute Freund mehr und mehr zu dem Bewußtſein gelangte, daß er ſeinerſeits eigentlich nichts mitzutheilen habe; ſo war es denn W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 15

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/235>, abgerufen am 23.11.2024.