letzten Anklage gegen den Schlingel, den Velten, über die Gasse, um sich von der Frau Doktern das Ver¬ sprechen abnehmen zu lassen, seiner "Madame" Trotzen¬ dorff die Miethe zu stunden und ihr eine neue Tapete in die Wohnstube zu kleben. -- "Und nun das Wurm da," brummt der Nachbar, "ja, Frau Nach¬ barin, da drückt es sich an Sie an und macht fromme Augen, als ob es noch niemalen ein Wässer¬ lein getrübt und heute meinen Pudel frisirt hätte. Ich hätte Ihnen das Vieh mitgebracht, aber es schämt sich seiner Verunstaltung, daß es kein Prügel und keine Bratwurst unterm Sofa hervorkriegen. Mit ihrer Mutter Putzschere ist die Krabbe daran gewesen und hat das Beest verschnitten, daß kein Mensch es mehr herauskriegt, wo es in der Natur¬ geschichte hingehört. Jawohl, Frau Doktern, Gottes Lohn reicht hier nicht aus, da müssen Sie schon das Ihrige dazu gethan haben, auf daß ich mir solche angenehme Inquilinenschaft von einem Jahre ins andere gefallen lasse und sogar noch dankbar bin."
-- Wir sind Kinder -- junges Volk -- und das schönste Mädchen des Vogelsangs lehnt sich als Jung¬ frau über Veltens Mutter: "Bei Dir bleibe ich auch in der weitesten Ferne und bitte, bitte, nimm es Mama nicht übel, was sie Dir heute wieder gesagt hat, nach dem Briefe von Papa. Sie kann ja nichts
letzten Anklage gegen den Schlingel, den Velten, über die Gaſſe, um ſich von der Frau Doktern das Ver¬ ſprechen abnehmen zu laſſen, ſeiner „Madame“ Trotzen¬ dorff die Miethe zu ſtunden und ihr eine neue Tapete in die Wohnſtube zu kleben. — „Und nun das Wurm da,“ brummt der Nachbar, „ja, Frau Nach¬ barin, da drückt es ſich an Sie an und macht fromme Augen, als ob es noch niemalen ein Wäſſer¬ lein getrübt und heute meinen Pudel friſirt hätte. Ich hätte Ihnen das Vieh mitgebracht, aber es ſchämt ſich ſeiner Verunſtaltung, daß es kein Prügel und keine Bratwurſt unterm Sofa hervorkriegen. Mit ihrer Mutter Putzſchere iſt die Krabbe daran geweſen und hat das Beeſt verſchnitten, daß kein Menſch es mehr herauskriegt, wo es in der Natur¬ geſchichte hingehört. Jawohl, Frau Doktern, Gottes Lohn reicht hier nicht aus, da müſſen Sie ſchon das Ihrige dazu gethan haben, auf daß ich mir ſolche angenehme Inquilinenſchaft von einem Jahre ins andere gefallen laſſe und ſogar noch dankbar bin.“
— Wir ſind Kinder — junges Volk — und das ſchönſte Mädchen des Vogelſangs lehnt ſich als Jung¬ frau über Veltens Mutter: „Bei Dir bleibe ich auch in der weiteſten Ferne und bitte, bitte, nimm es Mama nicht übel, was ſie Dir heute wieder geſagt hat, nach dem Briefe von Papa. Sie kann ja nichts
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letzten Anklage gegen den Schlingel, den Velten, über
die Gaſſe, um ſich von der Frau Doktern das Ver¬
ſprechen abnehmen zu laſſen, ſeiner „Madame“ Trotzen¬
dorff die Miethe zu ſtunden und ihr eine neue Tapete
in die Wohnſtube zu kleben. — „Und nun das
Wurm da,“ brummt der Nachbar, „ja, Frau Nach¬
barin, da drückt es ſich an Sie an und macht
fromme Augen, als ob es noch niemalen ein Wäſſer¬
lein getrübt und heute meinen Pudel friſirt hätte.
Ich hätte Ihnen das Vieh mitgebracht, aber es
ſchämt ſich ſeiner Verunſtaltung, daß es kein Prügel
und keine Bratwurſt unterm Sofa hervorkriegen.
Mit ihrer Mutter Putzſchere iſt die Krabbe daran
geweſen und hat das Beeſt verſchnitten, daß kein
Menſch es mehr herauskriegt, wo es in der Natur¬
geſchichte hingehört. Jawohl, Frau Doktern, Gottes
Lohn reicht hier nicht aus, da müſſen Sie ſchon das
Ihrige dazu gethan haben, auf daß ich mir ſolche
angenehme Inquilinenſchaft von einem Jahre ins
andere gefallen laſſe und ſogar noch dankbar bin.“
— Wir ſind Kinder — junges Volk — und das
ſchönſte Mädchen des Vogelſangs lehnt ſich als Jung¬
frau über Veltens Mutter: „Bei Dir bleibe ich
auch in der weiteſten Ferne und bitte, bitte, nimm
es Mama nicht übel, was ſie Dir heute wieder geſagt
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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