Der Wanderer auf der wankenden Erde schob aus seinem Hausrath kaum ein Stück in den Ofen oder auch auf den Küchenherd, an dem nicht auch für mich eine Erinnerung hing und mit ihm in Flammen aufging und zu Asche wurde. Vom Keller bis zum Dache war in dem Häuschen kein Nagel eingeschlagen, an welchem nicht auch für mich etwas aus den Tagen hing, wo wir die Räthselaufgeberin vor dem Thore des Lebens eben nur dem Haupt und den Brüsten nach kannten und noch nicht den Tatzen nach.
Es war ein Zurück- und Wiederdurchleben ver¬ gangener Tage sondergleichen. Die Woche, in der wir uns mit der Entleerung der Boden-Rumpel¬ kammer des Hauses beschäftigten, vergesse ich in meinem ganzen Leben nicht, und ich schreibe nicht ohne Grund: wir! Was wühlten wir da alles auf aus dem Familienplunder der "Frau Doktern"? Sie hatte sich von nichts trennen können, was je dem Gatten und dem Sohn lieb gewesen und überdrüssig geworden war. Sie hatte es ihnen aus den Augen gerückt und sich selber, sozusagen, ein Hausmuseum daraus gemacht. Wie wog der Sohn des Vaters Ziegenhainer in der Hand, wie holte er aus einem Kasten mit allerhand abgängigen chirurgischen Instru¬ menten seine Cerevismütze hervor und drehte sie in den Händen! Wie kam mir mit dem Schaukelpferd,
Der Wanderer auf der wankenden Erde ſchob aus ſeinem Hausrath kaum ein Stück in den Ofen oder auch auf den Küchenherd, an dem nicht auch für mich eine Erinnerung hing und mit ihm in Flammen aufging und zu Aſche wurde. Vom Keller bis zum Dache war in dem Häuschen kein Nagel eingeſchlagen, an welchem nicht auch für mich etwas aus den Tagen hing, wo wir die Räthſelaufgeberin vor dem Thore des Lebens eben nur dem Haupt und den Brüſten nach kannten und noch nicht den Tatzen nach.
Es war ein Zurück- und Wiederdurchleben ver¬ gangener Tage ſondergleichen. Die Woche, in der wir uns mit der Entleerung der Boden-Rumpel¬ kammer des Hauſes beſchäftigten, vergeſſe ich in meinem ganzen Leben nicht, und ich ſchreibe nicht ohne Grund: wir! Was wühlten wir da alles auf aus dem Familienplunder der „Frau Doktern“? Sie hatte ſich von nichts trennen können, was je dem Gatten und dem Sohn lieb geweſen und überdrüſſig geworden war. Sie hatte es ihnen aus den Augen gerückt und ſich ſelber, ſozuſagen, ein Hausmuſeum daraus gemacht. Wie wog der Sohn des Vaters Ziegenhainer in der Hand, wie holte er aus einem Kaſten mit allerhand abgängigen chirurgiſchen Inſtru¬ menten ſeine Cerevismütze hervor und drehte ſie in den Händen! Wie kam mir mit dem Schaukelpferd,
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Der Wanderer auf der wankenden Erde ſchob aus
ſeinem Hausrath kaum ein Stück in den Ofen oder
auch auf den Küchenherd, an dem nicht auch für mich
eine Erinnerung hing und mit ihm in Flammen
aufging und zu Aſche wurde. Vom Keller bis zum
Dache war in dem Häuschen kein Nagel eingeſchlagen,
an welchem nicht auch für mich etwas aus den Tagen
hing, wo wir die Räthſelaufgeberin vor dem Thore
des Lebens eben nur dem Haupt und den Brüſten
nach kannten und noch nicht den Tatzen nach.
Es war ein Zurück- und Wiederdurchleben ver¬
gangener Tage ſondergleichen. Die Woche, in der
wir uns mit der Entleerung der Boden-Rumpel¬
kammer des Hauſes beſchäftigten, vergeſſe ich in
meinem ganzen Leben nicht, und ich ſchreibe nicht
ohne Grund: wir! Was wühlten wir da alles auf
aus dem Familienplunder der „Frau Doktern“? Sie
hatte ſich von nichts trennen können, was je dem
Gatten und dem Sohn lieb geweſen und überdrüſſig
geworden war. Sie hatte es ihnen aus den Augen
gerückt und ſich ſelber, ſozuſagen, ein Hausmuſeum
daraus gemacht. Wie wog der Sohn des Vaters
Ziegenhainer in der Hand, wie holte er aus einem
Kaſten mit allerhand abgängigen chirurgiſchen Inſtru¬
menten ſeine Cerevismütze hervor und drehte ſie in
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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