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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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nicht bloß mit dem Schläger, sondern auch mit Mund,
Hand und Herzen auf die Mensur tritt! Sehen
Sie, Herr Oberregierungsrath, nacherzählen kann ich
es nicht, aber verstanden und mitgefühlt habe ich,
was da im letzten Monat zwischen diesen zwei
Menschenkindern vorgegangen ist. Zusammen hätten
Die nie kommen können, aber sich darüber aussprechen,
wie sie durchs Leben gekommen sind, das konnten
sie und das haben sie gethan und sind friedlich und
ruhig voneinander geschieden -- ganz ruhig, viel,
viel ruhiger als damals im Vorderhause, wo sie das
Leben noch vor sich hatten. Aber -- großer Gott,
das ist ja vollständig Nacht, und die arme Frau da
drüben hat noch immer kein Licht!"


Völlig Nacht war es wohl noch nicht; aber volle
Abenddämmerung freilich.

"Bitte, gehen Sie jetzt hinüber; ich komme mit
der Lampe nach," sagte die Frau Fechtmeisterin, und
zögernd, bangend erhob ich mich, betäubt, mühsam
nach Athem ringend stand ich und suchte vergeblich
nach irgend etwas in mir, was mir den wunderlich
schweren, schreckenvollen Weg zu der Thür da drüben

nicht bloß mit dem Schläger, ſondern auch mit Mund,
Hand und Herzen auf die Menſur tritt! Sehen
Sie, Herr Oberregierungsrath, nacherzählen kann ich
es nicht, aber verſtanden und mitgefühlt habe ich,
was da im letzten Monat zwiſchen dieſen zwei
Menſchenkindern vorgegangen iſt. Zuſammen hätten
Die nie kommen können, aber ſich darüber ausſprechen,
wie ſie durchs Leben gekommen ſind, das konnten
ſie und das haben ſie gethan und ſind friedlich und
ruhig voneinander geſchieden — ganz ruhig, viel,
viel ruhiger als damals im Vorderhauſe, wo ſie das
Leben noch vor ſich hatten. Aber — großer Gott,
das iſt ja vollſtändig Nacht, und die arme Frau da
drüben hat noch immer kein Licht!“


Völlig Nacht war es wohl noch nicht; aber volle
Abenddämmerung freilich.

„Bitte, gehen Sie jetzt hinüber; ich komme mit
der Lampe nach,“ ſagte die Frau Fechtmeiſterin, und
zögernd, bangend erhob ich mich, betäubt, mühſam
nach Athem ringend ſtand ich und ſuchte vergeblich
nach irgend etwas in mir, was mir den wunderlich
ſchweren, ſchreckenvollen Weg zu der Thür da drüben

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[301/0311] nicht bloß mit dem Schläger, ſondern auch mit Mund, Hand und Herzen auf die Menſur tritt! Sehen Sie, Herr Oberregierungsrath, nacherzählen kann ich es nicht, aber verſtanden und mitgefühlt habe ich, was da im letzten Monat zwiſchen dieſen zwei Menſchenkindern vorgegangen iſt. Zuſammen hätten Die nie kommen können, aber ſich darüber ausſprechen, wie ſie durchs Leben gekommen ſind, das konnten ſie und das haben ſie gethan und ſind friedlich und ruhig voneinander geſchieden — ganz ruhig, viel, viel ruhiger als damals im Vorderhauſe, wo ſie das Leben noch vor ſich hatten. Aber — großer Gott, das iſt ja vollſtändig Nacht, und die arme Frau da drüben hat noch immer kein Licht!“ Völlig Nacht war es wohl noch nicht; aber volle Abenddämmerung freilich. „Bitte, gehen Sie jetzt hinüber; ich komme mit der Lampe nach,“ ſagte die Frau Fechtmeiſterin, und zögernd, bangend erhob ich mich, betäubt, mühſam nach Athem ringend ſtand ich und ſuchte vergeblich nach irgend etwas in mir, was mir den wunderlich ſchweren, ſchreckenvollen Weg zu der Thür da drüben

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/311>, abgerufen am 23.11.2024.