auf im Lexikon: nasty," sagte Velten, lange vor unseren Sekundaner-Mondschein- und -Gewitter- Abenden mit Heine, Geibel und Uhland in der Tasche und im Hirn und Herzen. "Boy heißt Junge, Bengel oder dergleichen, das weiß ich; aber Nasty boy hat das Balg zu mir gesagt und die Zunge herausgesteckt. Gieb mir das Buch, wenn Du es nicht finden kannst."
Er riß mir das Lexikon aus den Händen, fand das Wort, und -- von da an bis zu Shakespeare, Byron und dem übrigen Groß und Klein ist wieder einmal nur ein Schritt gewesen.
Als wir Primaner geworden waren, hatte Miß Ellen Trotzendorff sich zu einem allerliebsten, nase¬ weisen, eigensinnigen deutschen Backfisch herausge¬ wachsen, aber ihr Englisch oder Amerikanisch so ziemlich vergessen: wir aber konnten es. Velten ausgezeichnet, ich mittelmäßig, doch auch vollkommen genügend für ein rühmliches Schulabgangszeugniß in dieser Hinsicht. Mistreß Trotzendorff, die mit ein paar angelernten Phrasen von New York herübergekommen war, blieb bei denselben: übrigens wuchs sie sich, wie der Vogelsang sagte, im Laufe der Jahre allgemach aus einer armen Person, die für ihre Kümmernisse nichts konnte, zu einer kompletten Närrin heraus. Und obgleich sie auch dafür eigentlich nichts konnte, so
auf im Lexikon: nasty,“ ſagte Velten, lange vor unſeren Sekundaner-Mondſchein- und -Gewitter- Abenden mit Heine, Geibel und Uhland in der Taſche und im Hirn und Herzen. „Boy heißt Junge, Bengel oder dergleichen, das weiß ich; aber Nasty boy hat das Balg zu mir geſagt und die Zunge herausgeſteckt. Gieb mir das Buch, wenn Du es nicht finden kannſt.“
Er riß mir das Lexikon aus den Händen, fand das Wort, und — von da an bis zu Shakeſpeare, Byron und dem übrigen Groß und Klein iſt wieder einmal nur ein Schritt geweſen.
Als wir Primaner geworden waren, hatte Miß Ellen Trotzendorff ſich zu einem allerliebſten, naſe¬ weiſen, eigenſinnigen deutſchen Backfiſch herausge¬ wachſen, aber ihr Engliſch oder Amerikaniſch ſo ziemlich vergeſſen: wir aber konnten es. Velten ausgezeichnet, ich mittelmäßig, doch auch vollkommen genügend für ein rühmliches Schulabgangszeugniß in dieſer Hinſicht. Miſtreß Trotzendorff, die mit ein paar angelernten Phraſen von New York herübergekommen war, blieb bei denſelben: übrigens wuchs ſie ſich, wie der Vogelſang ſagte, im Laufe der Jahre allgemach aus einer armen Perſon, die für ihre Kümmerniſſe nichts konnte, zu einer kompletten Närrin heraus. Und obgleich ſie auch dafür eigentlich nichts konnte, ſo
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0063"n="53"/>
auf im Lexikon: <hirendition="#aq">nasty</hi>,“ſagte Velten, lange vor<lb/>
unſeren Sekundaner-Mondſchein- und -Gewitter-<lb/>
Abenden mit Heine, Geibel und Uhland in der Taſche<lb/>
und im Hirn und Herzen. „<hirendition="#aq">Boy</hi> heißt Junge,<lb/>
Bengel oder dergleichen, das weiß ich; aber <hirendition="#aq">Nasty<lb/>
boy</hi> hat das Balg zu mir geſagt und die Zunge<lb/>
herausgeſteckt. Gieb mir das Buch, wenn Du es<lb/>
nicht finden kannſt.“</p><lb/><p>Er riß mir das Lexikon aus den Händen, fand<lb/>
das Wort, und — von da an bis zu Shakeſpeare,<lb/>
Byron und dem übrigen Groß und Klein iſt wieder<lb/>
einmal nur <hirendition="#g">ein</hi> Schritt geweſen.</p><lb/><p>Als wir Primaner geworden waren, hatte Miß<lb/>
Ellen Trotzendorff ſich zu einem allerliebſten, naſe¬<lb/>
weiſen, eigenſinnigen deutſchen Backfiſch herausge¬<lb/>
wachſen, aber ihr Engliſch oder Amerikaniſch ſo ziemlich<lb/>
vergeſſen: wir aber konnten es. Velten ausgezeichnet,<lb/>
ich mittelmäßig, doch auch vollkommen genügend für<lb/>
ein rühmliches Schulabgangszeugniß in dieſer Hinſicht.<lb/>
Miſtreß Trotzendorff, die mit ein paar angelernten<lb/>
Phraſen von New York herübergekommen war, blieb<lb/>
bei denſelben: übrigens wuchs ſie ſich, wie der<lb/>
Vogelſang ſagte, im Laufe der Jahre allgemach aus<lb/>
einer armen Perſon, die für ihre Kümmerniſſe nichts<lb/>
konnte, zu einer kompletten Närrin heraus. Und<lb/>
obgleich ſie auch dafür eigentlich nichts konnte, ſo<lb/></p></body></text></TEI>
[53/0063]
auf im Lexikon: nasty,“ ſagte Velten, lange vor
unſeren Sekundaner-Mondſchein- und -Gewitter-
Abenden mit Heine, Geibel und Uhland in der Taſche
und im Hirn und Herzen. „Boy heißt Junge,
Bengel oder dergleichen, das weiß ich; aber Nasty
boy hat das Balg zu mir geſagt und die Zunge
herausgeſteckt. Gieb mir das Buch, wenn Du es
nicht finden kannſt.“
Er riß mir das Lexikon aus den Händen, fand
das Wort, und — von da an bis zu Shakeſpeare,
Byron und dem übrigen Groß und Klein iſt wieder
einmal nur ein Schritt geweſen.
Als wir Primaner geworden waren, hatte Miß
Ellen Trotzendorff ſich zu einem allerliebſten, naſe¬
weiſen, eigenſinnigen deutſchen Backfiſch herausge¬
wachſen, aber ihr Engliſch oder Amerikaniſch ſo ziemlich
vergeſſen: wir aber konnten es. Velten ausgezeichnet,
ich mittelmäßig, doch auch vollkommen genügend für
ein rühmliches Schulabgangszeugniß in dieſer Hinſicht.
Miſtreß Trotzendorff, die mit ein paar angelernten
Phraſen von New York herübergekommen war, blieb
bei denſelben: übrigens wuchs ſie ſich, wie der
Vogelſang ſagte, im Laufe der Jahre allgemach aus
einer armen Perſon, die für ihre Kümmerniſſe nichts
konnte, zu einer kompletten Närrin heraus. Und
obgleich ſie auch dafür eigentlich nichts konnte, ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/63>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.