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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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lachte nicht mehr, sprang nicht mehr auf, sondern
blieb ruhig auf seinem Platz auf unserer Bank; aber
faßte mich mit noch fast schärferm Griffe, als mein
Vater, am Arm und sagte, auch zwischen den zu¬
sammengebissenen Zähnen durch:

"Nun höre sie, Besterzogener, Treuestbehüteter,
Verständigster und Vernünftigster unserer ganzen
Blase -- ich meine nicht die herzogliche Residenz¬
stadt -- da unten: was kann der Vogelsang, meine
Mutter und Dein Vater, was -- kann ich noch
dazu thun, um in diesem Mücken- dem -Nacht¬
schmetterlingshirnkasten, Ordnung zu stiften? Also
-- vivat natürlich der Papa Trotzendorff mit allen
seinen schönen Aussichten für sich, für Lenchen und
unsere Allerschönste und Beste, Lenchens Mama!
Aber ungefangene Fische kann man nicht braten,
sagte schon der weise Kikero im vollen Senat zu
meinem lieben Freunde Catilina; also -- verrücktes
Herze, an Deiner Stelle setzte ich mich doch fürs
Erste mal wieder ruhig da auf die Bank neben den
braven Karl. Was? Du willst nicht? Habe ich
mich etwa heute noch nicht genug geärgert? Guck
einer, wie der Mieze die Augen im Dunkeln leuchten!
Was? Nun wohl am liebsten in den hiesigen Urwald
hinein, oder kopfüber, kopfunter bergab nach Hart¬
lebens Anwesen und nach Hause? Na, denn meinet¬

lachte nicht mehr, ſprang nicht mehr auf, ſondern
blieb ruhig auf ſeinem Platz auf unſerer Bank; aber
faßte mich mit noch faſt ſchärferm Griffe, als mein
Vater, am Arm und ſagte, auch zwiſchen den zu¬
ſammengebiſſenen Zähnen durch:

„Nun höre ſie, Beſterzogener, Treueſtbehüteter,
Verſtändigſter und Vernünftigſter unſerer ganzen
Blaſe — ich meine nicht die herzogliche Reſidenz¬
ſtadt — da unten: was kann der Vogelſang, meine
Mutter und Dein Vater, was — kann ich noch
dazu thun, um in dieſem Mücken- dem -Nacht¬
ſchmetterlingshirnkaſten, Ordnung zu ſtiften? Alſo
— vivat natürlich der Papa Trotzendorff mit allen
ſeinen ſchönen Ausſichten für ſich, für Lenchen und
unſere Allerſchönſte und Beſte, Lenchens Mama!
Aber ungefangene Fiſche kann man nicht braten,
ſagte ſchon der weiſe Kikero im vollen Senat zu
meinem lieben Freunde Catilina; alſo — verrücktes
Herze, an Deiner Stelle ſetzte ich mich doch fürs
Erſte mal wieder ruhig da auf die Bank neben den
braven Karl. Was? Du willſt nicht? Habe ich
mich etwa heute noch nicht genug geärgert? Guck
einer, wie der Mieze die Augen im Dunkeln leuchten!
Was? Nun wohl am liebſten in den hieſigen Urwald
hinein, oder kopfüber, kopfunter bergab nach Hart¬
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[73/0083] lachte nicht mehr, ſprang nicht mehr auf, ſondern blieb ruhig auf ſeinem Platz auf unſerer Bank; aber faßte mich mit noch faſt ſchärferm Griffe, als mein Vater, am Arm und ſagte, auch zwiſchen den zu¬ ſammengebiſſenen Zähnen durch: „Nun höre ſie, Beſterzogener, Treueſtbehüteter, Verſtändigſter und Vernünftigſter unſerer ganzen Blaſe — ich meine nicht die herzogliche Reſidenz¬ ſtadt — da unten: was kann der Vogelſang, meine Mutter und Dein Vater, was — kann ich noch dazu thun, um in dieſem Mücken- dem -Nacht¬ ſchmetterlingshirnkaſten, Ordnung zu ſtiften? Alſo — vivat natürlich der Papa Trotzendorff mit allen ſeinen ſchönen Ausſichten für ſich, für Lenchen und unſere Allerſchönſte und Beſte, Lenchens Mama! Aber ungefangene Fiſche kann man nicht braten, ſagte ſchon der weiſe Kikero im vollen Senat zu meinem lieben Freunde Catilina; alſo — verrücktes Herze, an Deiner Stelle ſetzte ich mich doch fürs Erſte mal wieder ruhig da auf die Bank neben den braven Karl. Was? Du willſt nicht? Habe ich mich etwa heute noch nicht genug geärgert? Guck einer, wie der Mieze die Augen im Dunkeln leuchten! Was? Nun wohl am liebſten in den hieſigen Urwald hinein, oder kopfüber, kopfunter bergab nach Hart¬ lebens Anweſen und nach Hauſe? Na, denn meinet¬

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/83>, abgerufen am 29.11.2024.