Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Orden des heiligen Bernhards von Clairvaux und
Herr Theodorus Berkelmann, Abt von Amelungsborn,
im Wort und Glauben Doctor Martin Luthers hätten aus
ihrem Frieden dreist aufstehen und um sich deuten
können: "Sehet, so sahen wir es auch. So spürten wir
es auf der Haut und bis in das Mark der Gebeine
und sprachen: Herr, zähle meine Flucht, fasse meine
Thränen in Deinen Sack."

Die Erste, die sich aber faßte, war Mamsell Selinde,
des Herrn Amtmanns Vetterstochter, und die rief:

"Jeses, da sitzt ja noch mein Schlingel von Franzose
von heute Morgen! Der, dem mein -- unser junger
Liebling, unser Herr von Münchhausen um meinetwillen
die Nase eingeschlagen hat! Da sitzt er an der Wand
auf dem Stroh und hat sein schlechtes Leben behalten,
und unser Thedel hat seines hergeben müssen. Und
guck, das sind ja wohl wieder welche von Unsern, die
bei ihm auf dem Stroh liegen wie Kamerad bei
Kameraden. Da hört es doch auf!"

Es konnte von Mademoiselle nicht verlangt werden,
daß sie alle Uniformen der kriegführenden Heere kenne.
Es waren jetzt Nachzügler von dem Corps des Herrn
Generallieutenants von Hardenberg, welches jetzt endlich
bei Stadtoldendorf Posto gefaßt hatte. Fußlahme oder
sonst Marode des Herrn von Hardenberg, die im
Klosterhof von Amelungsborn ihre Gewehre an die
Mauer gelehnt und sich auf den Boden geworfen
hatten. Aber es war kaum noch ein halb Dutzend

vom Orden des heiligen Bernhards von Clairvaux und
Herr Theodorus Berkelmann, Abt von Amelungsborn,
im Wort und Glauben Doctor Martin Luthers hätten aus
ihrem Frieden dreiſt aufſtehen und um ſich deuten
können: „Sehet, ſo ſahen wir es auch. So ſpürten wir
es auf der Haut und bis in das Mark der Gebeine
und ſprachen: Herr, zähle meine Flucht, faſſe meine
Thränen in Deinen Sack.“

Die Erſte, die ſich aber faßte, war Mamſell Selinde,
des Herrn Amtmanns Vetterstochter, und die rief:

„Jeſes, da ſitzt ja noch mein Schlingel von Franzoſe
von heute Morgen! Der, dem mein — unſer junger
Liebling, unſer Herr von Münchhauſen um meinetwillen
die Naſe eingeſchlagen hat! Da ſitzt er an der Wand
auf dem Stroh und hat ſein ſchlechtes Leben behalten,
und unſer Thedel hat ſeines hergeben müſſen. Und
guck, das ſind ja wohl wieder welche von Unſern, die
bei ihm auf dem Stroh liegen wie Kamerad bei
Kameraden. Da hört es doch auf!“

Es konnte von Mademoiſelle nicht verlangt werden,
daß ſie alle Uniformen der kriegführenden Heere kenne.
Es waren jetzt Nachzügler von dem Corps des Herrn
Generallieutenants von Hardenberg, welches jetzt endlich
bei Stadtoldendorf Poſto gefaßt hatte. Fußlahme oder
ſonſt Marode des Herrn von Hardenberg, die im
Kloſterhof von Amelungsborn ihre Gewehre an die
Mauer gelehnt und ſich auf den Boden geworfen
hatten. Aber es war kaum noch ein halb Dutzend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0290" n="282"/>
vom Orden des heiligen Bernhards von Clairvaux und<lb/>
Herr Theodorus Berkelmann, Abt von Amelungsborn,<lb/>
im Wort und Glauben Doctor Martin Luthers hätten aus<lb/>
ihrem Frieden drei&#x017F;t auf&#x017F;tehen und um &#x017F;ich deuten<lb/>
können: &#x201E;Sehet, &#x017F;o &#x017F;ahen wir es auch. So &#x017F;pürten wir<lb/>
es auf der Haut und bis in das Mark der Gebeine<lb/>
und &#x017F;prachen: Herr, zähle meine Flucht, fa&#x017F;&#x017F;e meine<lb/>
Thränen in Deinen Sack.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Er&#x017F;te, die &#x017F;ich aber faßte, war Mam&#x017F;ell Selinde,<lb/>
des Herrn Amtmanns Vetterstochter, und die rief:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Je&#x017F;es, da &#x017F;itzt ja noch mein Schlingel von Franzo&#x017F;e<lb/>
von heute Morgen! Der, dem mein &#x2014; un&#x017F;er junger<lb/>
Liebling, un&#x017F;er Herr von Münchhau&#x017F;en um meinetwillen<lb/>
die Na&#x017F;e einge&#x017F;chlagen hat! Da &#x017F;itzt er an der Wand<lb/>
auf dem Stroh und hat &#x017F;ein &#x017F;chlechtes Leben behalten,<lb/>
und un&#x017F;er Thedel hat &#x017F;eines hergeben mü&#x017F;&#x017F;en. Und<lb/>
guck, das &#x017F;ind ja wohl wieder welche von Un&#x017F;ern, die<lb/>
bei ihm auf dem Stroh liegen wie Kamerad bei<lb/>
Kameraden. Da hört es doch auf!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es konnte von Mademoi&#x017F;elle nicht verlangt werden,<lb/>
daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">alle</hi> Uniformen der kriegführenden Heere kenne.<lb/>
Es waren jetzt Nachzügler von dem Corps des Herrn<lb/>
Generallieutenants von Hardenberg, welches jetzt endlich<lb/>
bei Stadtoldendorf Po&#x017F;to gefaßt hatte. Fußlahme oder<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t Marode des Herrn von Hardenberg, die im<lb/>
Klo&#x017F;terhof von Amelungsborn ihre Gewehre an die<lb/>
Mauer gelehnt und &#x017F;ich auf den Boden geworfen<lb/>
hatten. Aber es war kaum noch ein halb Dutzend<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0290] vom Orden des heiligen Bernhards von Clairvaux und Herr Theodorus Berkelmann, Abt von Amelungsborn, im Wort und Glauben Doctor Martin Luthers hätten aus ihrem Frieden dreiſt aufſtehen und um ſich deuten können: „Sehet, ſo ſahen wir es auch. So ſpürten wir es auf der Haut und bis in das Mark der Gebeine und ſprachen: Herr, zähle meine Flucht, faſſe meine Thränen in Deinen Sack.“ Die Erſte, die ſich aber faßte, war Mamſell Selinde, des Herrn Amtmanns Vetterstochter, und die rief: „Jeſes, da ſitzt ja noch mein Schlingel von Franzoſe von heute Morgen! Der, dem mein — unſer junger Liebling, unſer Herr von Münchhauſen um meinetwillen die Naſe eingeſchlagen hat! Da ſitzt er an der Wand auf dem Stroh und hat ſein ſchlechtes Leben behalten, und unſer Thedel hat ſeines hergeben müſſen. Und guck, das ſind ja wohl wieder welche von Unſern, die bei ihm auf dem Stroh liegen wie Kamerad bei Kameraden. Da hört es doch auf!“ Es konnte von Mademoiſelle nicht verlangt werden, daß ſie alle Uniformen der kriegführenden Heere kenne. Es waren jetzt Nachzügler von dem Corps des Herrn Generallieutenants von Hardenberg, welches jetzt endlich bei Stadtoldendorf Poſto gefaßt hatte. Fußlahme oder ſonſt Marode des Herrn von Hardenberg, die im Kloſterhof von Amelungsborn ihre Gewehre an die Mauer gelehnt und ſich auf den Boden geworfen hatten. Aber es war kaum noch ein halb Dutzend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/290
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/290>, abgerufen am 23.11.2024.