Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.forderte, bekam zu seinem Brod nur des Fisches Gräten. Letzteres Gefühl freilich hatte Magister Buchius Er konnte noch nicht zu Bette gehen. Der Gott "Armes Volk! arme Leute! arme Kinderköpfe!" forderte, bekam zu ſeinem Brod nur des Fiſches Gräten. Letzteres Gefühl freilich hatte Magiſter Buchius Er konnte noch nicht zu Bette gehen. Der Gott „Armes Volk! arme Leute! arme Kinderköpfe!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084" n="76"/> forderte, bekam zu ſeinem Brod nur des Fiſches Gräten.<lb/> Aus ſeiner Verwundung ſchien er ſich wenig zu machen,<lb/> denn als ſein Gaſtfreund Teller, Napf, Löffel und<lb/> Meſſer zurück ſchob, verfügte er ſich in den Ofenwinkel<lb/> zurück, zog den Hals, den Kopf ein ins Gefieder und ent¬<lb/> ſchlummerte ſanft. Er wußte ſchon ganz genau, als ein<lb/> geſcheuter Vogel, daß er nach der Schlacht bei einem<lb/> braven Mann Quartier gefunden habe, und in der mi߬<lb/> lichen Welt verhältnißmäßig ſehr in Sicherheit ſei.</p><lb/> <p>Letzteres Gefühl freilich hatte Magiſter Buchius<lb/> trotz ſeiner „noch einmal durch die Güte des allbarm¬<lb/> herzigen Gottes ſtattgehabten Erſättigung“ nicht.</p><lb/> <p>Er konnte noch nicht zu Bette gehen. Der Gott<lb/> der Träume, der ihm ſelten nahe kam, entwich ihm<lb/> heute ferner und ferner. Der emeritirte alte Herr<lb/> erfreute ſich eines tiefen, traumloſen Schlafes und er<lb/> ſchlief auch gern lange; doch in dieſer Nacht dachte er<lb/> für's Erſte nicht an ſein Bett. Er wollte freilich bloß<lb/> noch ein wenig nachdenken; an — die Erfahrungen im<lb/> Fleiſch, die ihm die herbſtliche Finſterniß für die Zeit<lb/> bis zum erſten Hahnenſchrei aufgehoben hatte, dachte er<lb/> natürlich ebenfalls mit keinem Gedanken.</p><lb/> <p>„Armes Volk! arme Leute! arme Kinderköpfe!“<lb/> murmelte er, und dann füllte er ſeine irdene Pfeife<lb/> von dem wenigen Kraut, das er vor der letzten Ein¬<lb/> quartierung geborgen hatte, blies die erſte dünne Rauch¬<lb/> wolke mit einem Seufzer von ſich und zog wie mechaniſch<lb/> erſt die Lampe und dann des Iburgiſchen Schloßpre¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0084]
forderte, bekam zu ſeinem Brod nur des Fiſches Gräten.
Aus ſeiner Verwundung ſchien er ſich wenig zu machen,
denn als ſein Gaſtfreund Teller, Napf, Löffel und
Meſſer zurück ſchob, verfügte er ſich in den Ofenwinkel
zurück, zog den Hals, den Kopf ein ins Gefieder und ent¬
ſchlummerte ſanft. Er wußte ſchon ganz genau, als ein
geſcheuter Vogel, daß er nach der Schlacht bei einem
braven Mann Quartier gefunden habe, und in der mi߬
lichen Welt verhältnißmäßig ſehr in Sicherheit ſei.
Letzteres Gefühl freilich hatte Magiſter Buchius
trotz ſeiner „noch einmal durch die Güte des allbarm¬
herzigen Gottes ſtattgehabten Erſättigung“ nicht.
Er konnte noch nicht zu Bette gehen. Der Gott
der Träume, der ihm ſelten nahe kam, entwich ihm
heute ferner und ferner. Der emeritirte alte Herr
erfreute ſich eines tiefen, traumloſen Schlafes und er
ſchlief auch gern lange; doch in dieſer Nacht dachte er
für's Erſte nicht an ſein Bett. Er wollte freilich bloß
noch ein wenig nachdenken; an — die Erfahrungen im
Fleiſch, die ihm die herbſtliche Finſterniß für die Zeit
bis zum erſten Hahnenſchrei aufgehoben hatte, dachte er
natürlich ebenfalls mit keinem Gedanken.
„Armes Volk! arme Leute! arme Kinderköpfe!“
murmelte er, und dann füllte er ſeine irdene Pfeife
von dem wenigen Kraut, das er vor der letzten Ein¬
quartierung geborgen hatte, blies die erſte dünne Rauch¬
wolke mit einem Seufzer von ſich und zog wie mechaniſch
erſt die Lampe und dann des Iburgiſchen Schloßpre¬
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