Braunschweigischen Kammerförster der ganzen lustigen grünen Wildniß auch höchstens nur geschrammt hatten.
In Negenborn hätte er einkehren dürfen, da der fränkische Heereszug in dieser Nacht noch nicht über Bevern hinausging; aber vielleicht war da im Dorfe der unruhigen Zeiten halber der Förster auch noch wach. Herr Thedel von Münchhausen ging lieber auch um Negenborn herum, wegen zu guter Bekanntschaft mit dem Förster dort, und schlug sich rechts durch den Wald, in welchem er von hier an jeden Baum, Stein, Stock, Stecken und Erdfall zu genau kannte, wie nur irgend Fuchs, Dachs, Hirsch, Reh und Wildschwein, so wie herzogliche grünröckige Beamtenschaft im Revier. So kam er ein wenig außer Athem und mit fressendem Hunger aber bei sonst gesunden Gliedmaßen an auf dem südlichen Rande des Hoopthals gegenüber dem Küchen¬ brink und Auerberge und saß, mitten in der November¬ nacht den Schweiß von der Stirn mit dem Aermel trocknend, einen Augenblick auf einem Stein und meinte:
"Guck, er hat immer noch Licht!"
Nach dem kurzen Augenblick des Verschnaufens nun hinunter zum Forstbach und auf der andern Seite des Thals wiederum in die Höhe, den steilen Abhang empor zu dem Lichtschein aus der Zelle des Bruders Phile¬ mon und des Magisters Noah Buchius! Auch da ging am Gestein und im Gestrüpp ein Schlupfweg, den nicht alle Leute im Kloster so gut kannten wie der Junker Thedel von Münchhausen, welcher aber sicher
Braunſchweigiſchen Kammerförſter der ganzen luſtigen grünen Wildniß auch höchſtens nur geſchrammt hatten.
In Negenborn hätte er einkehren dürfen, da der fränkiſche Heereszug in dieſer Nacht noch nicht über Bevern hinausging; aber vielleicht war da im Dorfe der unruhigen Zeiten halber der Förſter auch noch wach. Herr Thedel von Münchhauſen ging lieber auch um Negenborn herum, wegen zu guter Bekanntſchaft mit dem Förſter dort, und ſchlug ſich rechts durch den Wald, in welchem er von hier an jeden Baum, Stein, Stock, Stecken und Erdfall zu genau kannte, wie nur irgend Fuchs, Dachs, Hirſch, Reh und Wildſchwein, ſo wie herzogliche grünröckige Beamtenſchaft im Revier. So kam er ein wenig außer Athem und mit freſſendem Hunger aber bei ſonſt geſunden Gliedmaßen an auf dem ſüdlichen Rande des Hoopthals gegenüber dem Küchen¬ brink und Auerberge und ſaß, mitten in der November¬ nacht den Schweiß von der Stirn mit dem Aermel trocknend, einen Augenblick auf einem Stein und meinte:
„Guck, er hat immer noch Licht!“
Nach dem kurzen Augenblick des Verſchnaufens nun hinunter zum Forſtbach und auf der andern Seite des Thals wiederum in die Höhe, den ſteilen Abhang empor zu dem Lichtſchein aus der Zelle des Bruders Phile¬ mon und des Magiſters Noah Buchius! Auch da ging am Geſtein und im Geſtrüpp ein Schlupfweg, den nicht alle Leute im Kloſter ſo gut kannten wie der Junker Thedel von Münchhauſen, welcher aber ſicher
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Braunſchweigiſchen Kammerförſter der ganzen luſtigen
grünen Wildniß auch höchſtens nur geſchrammt hatten.
In Negenborn hätte er einkehren dürfen, da der
fränkiſche Heereszug in dieſer Nacht noch nicht über
Bevern hinausging; aber vielleicht war da im Dorfe
der unruhigen Zeiten halber der Förſter auch noch
wach. Herr Thedel von Münchhauſen ging lieber auch
um Negenborn herum, wegen zu guter Bekanntſchaft
mit dem Förſter dort, und ſchlug ſich rechts durch den
Wald, in welchem er von hier an jeden Baum, Stein,
Stock, Stecken und Erdfall zu genau kannte, wie nur
irgend Fuchs, Dachs, Hirſch, Reh und Wildſchwein, ſo
wie herzogliche grünröckige Beamtenſchaft im Revier.
So kam er ein wenig außer Athem und mit freſſendem
Hunger aber bei ſonſt geſunden Gliedmaßen an auf dem
ſüdlichen Rande des Hoopthals gegenüber dem Küchen¬
brink und Auerberge und ſaß, mitten in der November¬
nacht den Schweiß von der Stirn mit dem Aermel
trocknend, einen Augenblick auf einem Stein und meinte:
„Guck, er hat immer noch Licht!“
Nach dem kurzen Augenblick des Verſchnaufens nun
hinunter zum Forſtbach und auf der andern Seite des
Thals wiederum in die Höhe, den ſteilen Abhang empor
zu dem Lichtſchein aus der Zelle des Bruders Phile¬
mon und des Magiſters Noah Buchius! Auch da ging
am Geſtein und im Geſtrüpp ein Schlupfweg, den
nicht alle Leute im Kloſter ſo gut kannten wie der
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/95>, abgerufen am 21.11.2024.
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