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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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"Warte nur, mein Junge, Du kommst zuerst."

Die Franzosen hatten ihren Heidenjubel und beson-
ders einer -- sie nannten ihn Piär oder so -- wußte
sich gar nicht zu helfen vor Lachen. Mein Alter aber
war sehr ernst geworden und sprach den ganzen Abend
kein Wort mehr. Die andere Woche zogen die Franz-
männer ab und lachten noch beim Abschied, als sie uns
Allen die Hand drückten und ordentlich sich bedankten
für gute Bewirthung:

"Nit raus! Nit raus!"

"Wird sich finden," sagte mein Alter. "Wird sich
finden!" schrieen meine beiden Jungen.

Gut, nun kamen lange Jahre und immer andere
Franzosen.

"Bald ist's genug," brummte mein Gottfried. Und
einmal zogen sie Alle hinauf nach Norden, aber zurück
kam Keiner. Und dann fing's auf einmal an zu rumoren
im Lande und ganz andere Zettel standen an den Ecken,
die mein Alter immer las und wobei er mit dem Kopf
nickte. Er war die Zeit nicht viel zu Haus.

Da kam er eines Tages zurück und rief den Lud-
wig aus der Werkstatt und sie kamen beide in die Küche
zu mir.

"Sieh, Mutter," sagte mein Gottfried, "s'ist gut,
daß Dein Feuer brennt! Paß auf, Ludchen!" Damit

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„Warte nur, mein Junge, Du kommſt zuerſt.“

Die Franzoſen hatten ihren Heidenjubel und beſon-
ders einer — ſie nannten ihn Piär oder ſo — wußte
ſich gar nicht zu helfen vor Lachen. Mein Alter aber
war ſehr ernſt geworden und ſprach den ganzen Abend
kein Wort mehr. Die andere Woche zogen die Franz-
männer ab und lachten noch beim Abſchied, als ſie uns
Allen die Hand drückten und ordentlich ſich bedankten
für gute Bewirthung:

„Nit raus! Nit raus!“

„Wird ſich finden,“ ſagte mein Alter. „Wird ſich
finden!“ ſchrieen meine beiden Jungen.

Gut, nun kamen lange Jahre und immer andere
Franzoſen.

„Bald iſt’s genug,“ brummte mein Gottfried. Und
einmal zogen ſie Alle hinauf nach Norden, aber zurück
kam Keiner. Und dann fing’s auf einmal an zu rumoren
im Lande und ganz andere Zettel ſtanden an den Ecken,
die mein Alter immer las und wobei er mit dem Kopf
nickte. Er war die Zeit nicht viel zu Haus.

Da kam er eines Tages zurück und rief den Lud-
wig aus der Werkſtatt und ſie kamen beide in die Küche
zu mir.

„Sieh, Mutter,“ ſagte mein Gottfried, „s’iſt gut,
daß Dein Feuer brennt! Paß auf, Ludchen!“ Damit

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[145/0155] „Warte nur, mein Junge, Du kommſt zuerſt.“ Die Franzoſen hatten ihren Heidenjubel und beſon- ders einer — ſie nannten ihn Piär oder ſo — wußte ſich gar nicht zu helfen vor Lachen. Mein Alter aber war ſehr ernſt geworden und ſprach den ganzen Abend kein Wort mehr. Die andere Woche zogen die Franz- männer ab und lachten noch beim Abſchied, als ſie uns Allen die Hand drückten und ordentlich ſich bedankten für gute Bewirthung: „Nit raus! Nit raus!“ „Wird ſich finden,“ ſagte mein Alter. „Wird ſich finden!“ ſchrieen meine beiden Jungen. Gut, nun kamen lange Jahre und immer andere Franzoſen. „Bald iſt’s genug,“ brummte mein Gottfried. Und einmal zogen ſie Alle hinauf nach Norden, aber zurück kam Keiner. Und dann fing’s auf einmal an zu rumoren im Lande und ganz andere Zettel ſtanden an den Ecken, die mein Alter immer las und wobei er mit dem Kopf nickte. Er war die Zeit nicht viel zu Haus. Da kam er eines Tages zurück und rief den Lud- wig aus der Werkſtatt und ſie kamen beide in die Küche zu mir. „Sieh, Mutter,“ ſagte mein Gottfried, „s’iſt gut, daß Dein Feuer brennt! Paß auf, Ludchen!“ Damit 10

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/155>, abgerufen am 24.11.2024.