zu ziehen, welches die unmoralischen Menschen, die Frei- willigen von den Zweiunddreißigern, gaben. Ich ent- wickelte eine riesige Moral! Da biege ich im vollen Ge- fühl meiner Sittlichkeit um die Ecke, die auf den Ge- müsemarkt führt und -- renne gegen einen Korb oder vielmehr eine Korbträgerin, die mir entgegen kommt und mir ohne Weiteres mit ihrem Sonnenschirm den Weg versperrt ...."
"Oh, dieser Lügner!" fällt hier Elise ein. "Wer hat Dir den Weg versperrt? Hast Du mich nicht an- gehalten? Hast Du mir nicht meinen Korb weggenom- men! Du ..."
.... "Die mir also den Weg versperrt und ...."
"Verleumder! -- Hast Du mir nicht meinen ganzen Korb umgekramt und die größte Mohrrübe hervorgezo- gen, um sie auf der Stelle mit Deinem Messer ...."
.... "Die mir, wie gesagt, den Weg versperrt und sagt: Sieh, das ist prächtig, Gustav; jetzt sollst Du wider Deinen Willen einmal zu Etwas nützlich sein; hier, nimm meinen Korb! -- Kannst Du das leugnen, Lise?" --
"Onkel," sagt Elise, "er verdreht die ganze Ge- schichte. Ich hätte ihn doch nicht den Korb tragen lassen?! -- Er war es, der ihn nicht wieder heraus gab und da er noch dazu zwischen jedem Biß, den er
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zu ziehen, welches die unmoraliſchen Menſchen, die Frei- willigen von den Zweiunddreißigern, gaben. Ich ent- wickelte eine rieſige Moral! Da biege ich im vollen Ge- fühl meiner Sittlichkeit um die Ecke, die auf den Ge- müſemarkt führt und — renne gegen einen Korb oder vielmehr eine Korbträgerin, die mir entgegen kommt und mir ohne Weiteres mit ihrem Sonnenſchirm den Weg verſperrt ....“
„Oh, dieſer Lügner!“ fällt hier Eliſe ein. „Wer hat Dir den Weg verſperrt? Haſt Du mich nicht an- gehalten? Haſt Du mir nicht meinen Korb weggenom- men! Du …“
.... „Die mir alſo den Weg verſperrt und ....“
„Verleumder! — Haſt Du mir nicht meinen ganzen Korb umgekramt und die größte Mohrrübe hervorgezo- gen, um ſie auf der Stelle mit Deinem Meſſer ....“
.... „Die mir, wie geſagt, den Weg verſperrt und ſagt: Sieh, das iſt prächtig, Guſtav; jetzt ſollſt Du wider Deinen Willen einmal zu Etwas nützlich ſein; hier, nimm meinen Korb! — Kannſt Du das leugnen, Liſe?“ —
„Onkel,“ ſagt Eliſe, „er verdreht die ganze Ge- ſchichte. Ich hätte ihn doch nicht den Korb tragen laſſen?! — Er war es, der ihn nicht wieder heraus gab und da er noch dazu zwiſchen jedem Biß, den er
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zu ziehen, welches die unmoraliſchen Menſchen, die Frei-
willigen von den Zweiunddreißigern, gaben. Ich ent-
wickelte eine rieſige Moral! Da biege ich im vollen Ge-
fühl meiner Sittlichkeit um die Ecke, die auf den Ge-
müſemarkt führt und — renne gegen einen Korb oder
vielmehr eine Korbträgerin, die mir entgegen kommt
und mir ohne Weiteres mit ihrem Sonnenſchirm den
Weg verſperrt ....“
„Oh, dieſer Lügner!“ fällt hier Eliſe ein. „Wer
hat Dir den Weg verſperrt? Haſt Du mich nicht an-
gehalten? Haſt Du mir nicht meinen Korb weggenom-
men! Du …“
.... „Die mir alſo den Weg verſperrt und ....“
„Verleumder! — Haſt Du mir nicht meinen ganzen
Korb umgekramt und die größte Mohrrübe hervorgezo-
gen, um ſie auf der Stelle mit Deinem Meſſer ....“
.... „Die mir, wie geſagt, den Weg verſperrt und
ſagt: Sieh, das iſt prächtig, Guſtav; jetzt ſollſt Du
wider Deinen Willen einmal zu Etwas nützlich ſein;
hier, nimm meinen Korb! — Kannſt Du das leugnen,
Liſe?“ —
„Onkel,“ ſagt Eliſe, „er verdreht die ganze Ge-
ſchichte. Ich hätte ihn doch nicht den Korb tragen
laſſen?! — Er war es, der ihn nicht wieder heraus
gab und da er noch dazu zwiſchen jedem Biß, den er
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/205>, abgerufen am 16.02.2025.
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