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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Wasserhof; da ist bal champetre! Was meinst Du,
Lischen?"

"Kann man da hingehen?" fragt die Tante Berg
bedenklich.

"Warum nicht? Sind wir doch dabei!" sagt der
denkende Künstler, gravitätisch den Halskragen in die
Höhe zupfend. "Uebrigens ist heute auch das Atelier
mit seinen Schwestern da; ebenso der Professor Frey mit
seinen sechs Nichten und ..."

"Nach dem Wasserhof!" rufe ich electrisirt. "Tante
Berg, man kann dahin gehen!" --

Und wir gehen hin. --

Wer kennt nicht den Wasserhof? Hat ihn nicht Göthe
im Faust unsterblich gemacht? "Der Weg dahin ist gar
nicht schön." Welcher Weg um diese Stadt ist schön?
Es lebe der Wasserhof! Da giebt es Schatten und
kühle Lauben am Tage; Musik, bunte Lampen und
fliegende Johanniswürmer am Abend; da giebt es Kell-
ner mit, einst weißen Servietten, die in der rechten Ho-
sentasche stecken; da giebt es vor Allem einen -- präch-
tigen Tanzplatz im Grünen!

"Lischen, heute Morgen hast Du mir einen Korb
gegeben; ich will Dir das verzeihen, wenn Du mir jetzt
keinen anhängen willst: Mein Fräulein, darf ich um
den ersten Walzer bitten?"

Waſſerhof; da iſt bal champêtre! Was meinſt Du,
Lischen?“

Kann man da hingehen?“ fragt die Tante Berg
bedenklich.

„Warum nicht? Sind wir doch dabei!“ ſagt der
denkende Künſtler, gravitätiſch den Halskragen in die
Höhe zupfend. „Uebrigens iſt heute auch das Atelier
mit ſeinen Schweſtern da; ebenſo der Profeſſor Frey mit
ſeinen ſechs Nichten und …“

„Nach dem Waſſerhof!“ rufe ich electriſirt. „Tante
Berg, man kann dahin gehen!“ —

Und wir gehen hin. —

Wer kennt nicht den Waſſerhof? Hat ihn nicht Göthe
im Fauſt unſterblich gemacht? „Der Weg dahin iſt gar
nicht ſchön.“ Welcher Weg um dieſe Stadt iſt ſchön?
Es lebe der Waſſerhof! Da giebt es Schatten und
kühle Lauben am Tage; Muſik, bunte Lampen und
fliegende Johanniswürmer am Abend; da giebt es Kell-
ner mit, einſt weißen Servietten, die in der rechten Ho-
ſentaſche ſtecken; da giebt es vor Allem einen — präch-
tigen Tanzplatz im Grünen!

„Lischen, heute Morgen haſt Du mir einen Korb
gegeben; ich will Dir das verzeihen, wenn Du mir jetzt
keinen anhängen willſt: Mein Fräulein, darf ich um
den erſten Walzer bitten?“

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[200/0210] Waſſerhof; da iſt bal champêtre! Was meinſt Du, Lischen?“ „Kann man da hingehen?“ fragt die Tante Berg bedenklich. „Warum nicht? Sind wir doch dabei!“ ſagt der denkende Künſtler, gravitätiſch den Halskragen in die Höhe zupfend. „Uebrigens iſt heute auch das Atelier mit ſeinen Schweſtern da; ebenſo der Profeſſor Frey mit ſeinen ſechs Nichten und …“ „Nach dem Waſſerhof!“ rufe ich electriſirt. „Tante Berg, man kann dahin gehen!“ — Und wir gehen hin. — Wer kennt nicht den Waſſerhof? Hat ihn nicht Göthe im Fauſt unſterblich gemacht? „Der Weg dahin iſt gar nicht ſchön.“ Welcher Weg um dieſe Stadt iſt ſchön? Es lebe der Waſſerhof! Da giebt es Schatten und kühle Lauben am Tage; Muſik, bunte Lampen und fliegende Johanniswürmer am Abend; da giebt es Kell- ner mit, einſt weißen Servietten, die in der rechten Ho- ſentaſche ſtecken; da giebt es vor Allem einen — präch- tigen Tanzplatz im Grünen! „Lischen, heute Morgen haſt Du mir einen Korb gegeben; ich will Dir das verzeihen, wenn Du mir jetzt keinen anhängen willſt: Mein Fräulein, darf ich um den erſten Walzer bitten?“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/210>, abgerufen am 21.11.2024.