Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

zuzuhören scheinen und doch ganz wo anders sind! Kurre,
kurre, kurre, Fräulein Elise, mein Täubchen, was hat
Ihnen denn ein gewisser -- hm -- gewisser "Theekessel"
gethan?"

"Wer?" -- fragt Lischen, die sich dicht an die Tante
gedrängt hat und von ihr mit einem gewaltigen Tuche
umwickelt ist, während Henriette an ihrer andern Seite
emsig sich mit ihrer Theetasse beschäftigt.

"Wer? fragst Du!" nehme ich das Wort. "Nun
wir begegneten eben Jemand, der ziemlich nahe am --
"Ueberkochen" war."

"Ach, Du meinst den Vetter! -- Pah -- Der!" --

"Nun, was hat's gegeben? Tante Helene, hat sie
Ihnen vielleicht schon ihr Herz ausgeschüttet?"

"Nein!" sagt die Tante. Haben sie sich wieder ge-
zankt?"

"Es scheint so! Fräulein Henriette, Sie wissen ge-
wiß etwas Näheres davon?"

"Soll ich's sagen, Lischen?" fragt kichernd Henriette,
ihre Freundin am Ohr zupfend."

"Meinetwegen!" sagt Elise, mit einem Gesicht wie
Menschenhaß und Reue einen Nachtschmetterling ver-
scheuchend, der ihr um den Kopf flattert und mit aller
Gewalt sich in ihren Locken fangen will.

"Er hat -- Herr Gustav hat gesagt: -- wenn er

zuzuhören ſcheinen und doch ganz wo anders ſind! Kurre,
kurre, kurre, Fräulein Eliſe, mein Täubchen, was hat
Ihnen denn ein gewiſſer — hm — gewiſſer „Theekeſſel“
gethan?“

„Wer?“ — fragt Lischen, die ſich dicht an die Tante
gedrängt hat und von ihr mit einem gewaltigen Tuche
umwickelt iſt, während Henriette an ihrer andern Seite
emſig ſich mit ihrer Theetaſſe beſchäftigt.

„Wer? fragſt Du!“ nehme ich das Wort. „Nun
wir begegneten eben Jemand, der ziemlich nahe am —
„Ueberkochen“ war.“

„Ach, Du meinſt den Vetter! — Pah — Der!“ —

„Nun, was hat’s gegeben? Tante Helene, hat ſie
Ihnen vielleicht ſchon ihr Herz ausgeſchüttet?“

„Nein!“ ſagt die Tante. Haben ſie ſich wieder ge-
zankt?“

„Es ſcheint ſo! Fräulein Henriette, Sie wiſſen ge-
wiß etwas Näheres davon?“

„Soll ich’s ſagen, Lischen?“ fragt kichernd Henriette,
ihre Freundin am Ohr zupfend.“

„Meinetwegen!“ ſagt Eliſe, mit einem Geſicht wie
Menſchenhaß und Reue einen Nachtſchmetterling ver-
ſcheuchend, der ihr um den Kopf flattert und mit aller
Gewalt ſich in ihren Locken fangen will.

„Er hat — Herr Guſtav hat geſagt: — wenn er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0217" n="207"/>
zuzuhören &#x017F;cheinen und doch ganz wo anders &#x017F;ind! Kurre,<lb/>
kurre, kurre, Fräulein Eli&#x017F;e, mein Täubchen, was hat<lb/>
Ihnen denn ein gewi&#x017F;&#x017F;er &#x2014; hm &#x2014; gewi&#x017F;&#x017F;er &#x201E;Theeke&#x017F;&#x017F;el&#x201C;<lb/>
gethan?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer?&#x201C; &#x2014; fragt Lischen, die &#x017F;ich dicht an die Tante<lb/>
gedrängt hat und von ihr mit einem gewaltigen Tuche<lb/>
umwickelt i&#x017F;t, während Henriette an ihrer andern Seite<lb/>
em&#x017F;ig &#x017F;ich mit ihrer Theeta&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;chäftigt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer? frag&#x017F;t Du!&#x201C; nehme ich das Wort. &#x201E;Nun<lb/>
wir begegneten eben Jemand, der ziemlich nahe am &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ueberkochen&#x201C; war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, Du mein&#x017F;t den Vetter! &#x2014; Pah &#x2014; <hi rendition="#g">Der</hi>!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, was hat&#x2019;s gegeben? Tante Helene, hat &#x017F;ie<lb/>
Ihnen vielleicht &#x017F;chon ihr Herz ausge&#x017F;chüttet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein!&#x201C; &#x017F;agt die Tante. Haben &#x017F;ie &#x017F;ich wieder ge-<lb/>
zankt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es &#x017F;cheint &#x017F;o! Fräulein Henriette, Sie wi&#x017F;&#x017F;en ge-<lb/>
wiß etwas Näheres davon?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Soll ich&#x2019;s &#x017F;agen, Lischen?&#x201C; fragt kichernd Henriette,<lb/>
ihre Freundin am Ohr zupfend.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meinetwegen!&#x201C; &#x017F;agt Eli&#x017F;e, mit einem Ge&#x017F;icht wie<lb/>
Men&#x017F;chenhaß und Reue einen Nacht&#x017F;chmetterling ver-<lb/>
&#x017F;cheuchend, der ihr um den Kopf flattert und mit aller<lb/>
Gewalt &#x017F;ich in ihren Locken fangen will.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er hat &#x2014; Herr Gu&#x017F;tav hat ge&#x017F;agt: &#x2014; wenn <hi rendition="#g">er</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0217] zuzuhören ſcheinen und doch ganz wo anders ſind! Kurre, kurre, kurre, Fräulein Eliſe, mein Täubchen, was hat Ihnen denn ein gewiſſer — hm — gewiſſer „Theekeſſel“ gethan?“ „Wer?“ — fragt Lischen, die ſich dicht an die Tante gedrängt hat und von ihr mit einem gewaltigen Tuche umwickelt iſt, während Henriette an ihrer andern Seite emſig ſich mit ihrer Theetaſſe beſchäftigt. „Wer? fragſt Du!“ nehme ich das Wort. „Nun wir begegneten eben Jemand, der ziemlich nahe am — „Ueberkochen“ war.“ „Ach, Du meinſt den Vetter! — Pah — Der!“ — „Nun, was hat’s gegeben? Tante Helene, hat ſie Ihnen vielleicht ſchon ihr Herz ausgeſchüttet?“ „Nein!“ ſagt die Tante. Haben ſie ſich wieder ge- zankt?“ „Es ſcheint ſo! Fräulein Henriette, Sie wiſſen ge- wiß etwas Näheres davon?“ „Soll ich’s ſagen, Lischen?“ fragt kichernd Henriette, ihre Freundin am Ohr zupfend.“ „Meinetwegen!“ ſagt Eliſe, mit einem Geſicht wie Menſchenhaß und Reue einen Nachtſchmetterling ver- ſcheuchend, der ihr um den Kopf flattert und mit aller Gewalt ſich in ihren Locken fangen will. „Er hat — Herr Guſtav hat geſagt: — wenn er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/217
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/217>, abgerufen am 18.05.2024.