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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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gasse?! Heda, -- da ist ein Hundefuhrwerk in einen
Victualienkeller herabgepoltert und ich -- ich der Kari-
katurenzeichner Ulrich Strobel sitze hier und schmiere Un-
sinn zusammen! -- Hol' der Henker auch die Chronik
der Sperlingsgasse! -- Adieu Wachholder! -- --



Es giebt ein Märchen -- ich weiß nicht, wer es
erzählt hat -- von Einem, der nach großem Unglück sich
wünschte, die Erinnerung zu verlieren, und dem in einer
dunkeln Nacht sein Wunsch gewährt ward. Er empfand
von da an keinen Schmerz, keine Freude mehr; er ver-
lernte zu weinen und zu lachen; es ward ihm einerlei,
ob er Blumenknospen oder Menschenherzen zertrat: alles
das hübsche Spielzeug, welches das Leben seinen Kindern
mitgiebt auf ihrem Wege von der Wiege bis zum Grabe,
zerbrach ihm in den Händen mit der Erinnerung. Das
ist ein schrecklicher Gedanke! -- Ihr Weisen und Predi-
ger der Völker, nicht der Gedanke an Glück oder Unheil
in der Zukunft ist's, der liebevoll, rein, heilig macht;
nie ist dieser Gedanke rein von Egoismus und über
jede Blüthe, die das Menschenherz treiben soll, legt er

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gaſſe?! Heda, — da iſt ein Hundefuhrwerk in einen
Victualienkeller herabgepoltert und ich — ich der Kari-
katurenzeichner Ulrich Strobel ſitze hier und ſchmiere Un-
ſinn zuſammen! — Hol’ der Henker auch die Chronik
der Sperlingsgaſſe! — Adieu Wachholder! — —



Es giebt ein Märchen — ich weiß nicht, wer es
erzählt hat — von Einem, der nach großem Unglück ſich
wünſchte, die Erinnerung zu verlieren, und dem in einer
dunkeln Nacht ſein Wunſch gewährt ward. Er empfand
von da an keinen Schmerz, keine Freude mehr; er ver-
lernte zu weinen und zu lachen; es ward ihm einerlei,
ob er Blumenknospen oder Menſchenherzen zertrat: alles
das hübſche Spielzeug, welches das Leben ſeinen Kindern
mitgiebt auf ihrem Wege von der Wiege bis zum Grabe,
zerbrach ihm in den Händen mit der Erinnerung. Das
iſt ein ſchrecklicher Gedanke! — Ihr Weiſen und Predi-
ger der Völker, nicht der Gedanke an Glück oder Unheil
in der Zukunft iſt’s, der liebevoll, rein, heilig macht;
nie iſt dieſer Gedanke rein von Egoismus und über
jede Blüthe, die das Menſchenherz treiben ſoll, legt er

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[227/0237] gaſſe?! Heda, — da iſt ein Hundefuhrwerk in einen Victualienkeller herabgepoltert und ich — ich der Kari- katurenzeichner Ulrich Strobel ſitze hier und ſchmiere Un- ſinn zuſammen! — Hol’ der Henker auch die Chronik der Sperlingsgaſſe! — Adieu Wachholder! — — Am 21. März. Abend. — Es giebt ein Märchen — ich weiß nicht, wer es erzählt hat — von Einem, der nach großem Unglück ſich wünſchte, die Erinnerung zu verlieren, und dem in einer dunkeln Nacht ſein Wunſch gewährt ward. Er empfand von da an keinen Schmerz, keine Freude mehr; er ver- lernte zu weinen und zu lachen; es ward ihm einerlei, ob er Blumenknospen oder Menſchenherzen zertrat: alles das hübſche Spielzeug, welches das Leben ſeinen Kindern mitgiebt auf ihrem Wege von der Wiege bis zum Grabe, zerbrach ihm in den Händen mit der Erinnerung. Das iſt ein ſchrecklicher Gedanke! — Ihr Weiſen und Predi- ger der Völker, nicht der Gedanke an Glück oder Unheil in der Zukunft iſt’s, der liebevoll, rein, heilig macht; nie iſt dieſer Gedanke rein von Egoismus und über jede Blüthe, die das Menſchenherz treiben ſoll, legt er 15*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/237>, abgerufen am 21.11.2024.