Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."O daß sie ewig grünen bliebe," Schön ist die Zeit der jungen Liebe! Sie ist gleich „O daß ſie ewig grünen bliebe,“ Schön iſt die Zeit der jungen Liebe! Sie iſt gleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0239" n="229"/> <p><hi rendition="#et">„O daß ſie ewig grünen bliebe,“<lb/> „Die ſchöne Zeit der jungen Liebe!“</hi><lb/> ſang der Dichter und überall treffen wir den Spruch an,<lb/> auf Kaffee-Taſſen, in Stammbüchern und auf Pfeifen-<lb/> köpfen. Das ſoll kein Spott ſein! Was das Volk er-<lb/> faßt hat, will es auch vor ſich ſehen, es ſpielt mit ihm,<lb/> es ſpricht den gereimten Gedanken, den es zu ſeinem<lb/> Eigenthum gemacht hat, oft zwar mit einem Lächeln auf<lb/> den Lippen aus, aber es trägt ihn darum doch tief im<lb/> Herzen. Das Volk ſteigt nicht zu dem Wahren und<lb/> Schönen hinauf, ſondern es zieht es zu ſich herab; aber<lb/> nicht, um es unter die Füße zu treten, ſondern um es zu<lb/> herzen, zu liebkoſen, um es im ewig wechſelnden Spiel<lb/> zu drehen und zu wenden und ſich über ſeinen Glanz zu<lb/> wundern und zu freuen. Ueber der Wiege des ewigen<lb/> Kindes „Menſchheit“ ſchweben die guten Genien, die<lb/> großen Weltdichter, ſchütten aus ihren Füllhörnern die<lb/> goldenen Weihnachtsfrüchte herab, und ſind mit ihren<lb/> Wiegenliedern ſtets da, wenn häßliche ſchwarze Kobolde<lb/> erſchreckend dazwiſchen gelugt haben. — —</p><lb/> <p>Schön iſt die Zeit der jungen Liebe! Sie iſt gleich<lb/> der Morgendämmerung, wo der Himmel im Oſten leiſe<lb/> ſich röthet, wo Knospen, Blumen und alles Leben dem<lb/> kommenden Tage in die Arme ſchlummern, und nur hin<lb/> und wieder eine Lerche, den Thau von den Flügeln ſchüt-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0239]
„O daß ſie ewig grünen bliebe,“
„Die ſchöne Zeit der jungen Liebe!“
ſang der Dichter und überall treffen wir den Spruch an,
auf Kaffee-Taſſen, in Stammbüchern und auf Pfeifen-
köpfen. Das ſoll kein Spott ſein! Was das Volk er-
faßt hat, will es auch vor ſich ſehen, es ſpielt mit ihm,
es ſpricht den gereimten Gedanken, den es zu ſeinem
Eigenthum gemacht hat, oft zwar mit einem Lächeln auf
den Lippen aus, aber es trägt ihn darum doch tief im
Herzen. Das Volk ſteigt nicht zu dem Wahren und
Schönen hinauf, ſondern es zieht es zu ſich herab; aber
nicht, um es unter die Füße zu treten, ſondern um es zu
herzen, zu liebkoſen, um es im ewig wechſelnden Spiel
zu drehen und zu wenden und ſich über ſeinen Glanz zu
wundern und zu freuen. Ueber der Wiege des ewigen
Kindes „Menſchheit“ ſchweben die guten Genien, die
großen Weltdichter, ſchütten aus ihren Füllhörnern die
goldenen Weihnachtsfrüchte herab, und ſind mit ihren
Wiegenliedern ſtets da, wenn häßliche ſchwarze Kobolde
erſchreckend dazwiſchen gelugt haben. — —
Schön iſt die Zeit der jungen Liebe! Sie iſt gleich
der Morgendämmerung, wo der Himmel im Oſten leiſe
ſich röthet, wo Knospen, Blumen und alles Leben dem
kommenden Tage in die Arme ſchlummern, und nur hin
und wieder eine Lerche, den Thau von den Flügeln ſchüt-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |