Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.den Winter zurückschaut, mit dem andern jugendlich fröh- Ich wurde diesen Morgen schon ziemlich früh durch den Winter zurückſchaut, mit dem andern jugendlich fröh- Ich wurde dieſen Morgen ſchon ziemlich früh durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0257" n="247"/> den Winter zurückſchaut, mit dem andern jugendlich fröh-<lb/> lich dem nahen Frühling entgegenlächelt. Wie ein Ge-<lb/> dicht Jean Paul’s greift er hinein in ſeine Schätze, und<lb/> ſchlingt ineinander Reif und keimendes Grün, verirrte<lb/> Schneeflocken und kleine Marienblümchen, Regentropfen<lb/> und Veilchenknospen, flackerndes Ofenfeuer und Schnee-<lb/> glöckchen, Aſchermittwochsklagen und Auferſtehungsglocken.<lb/> Ich liebe den April, den ſie den Veränderlichen, den Un-<lb/> beſtändigen nennen, und den ſie mit „Herrengunſt und<lb/> Frauenlieb“ in einen ſo böswilligen Reim gebracht<lb/> haben. —</p><lb/> <p>Ich wurde dieſen Morgen ſchon ziemlich früh durch<lb/> das Geräuſch des Regens, der an meine Fenſter ſchlug,<lb/> erweckt, blieb aber noch eine geraume Zeit liegen und<lb/> träumte zwiſchen Schlaf und Wachen in <choice><sic>diefe</sic><corr>dieſe</corr></choice> monotone<lb/> Muſik hinein. Das benutzte ein ſchadenfroher Dämon<lb/> des Trübſinns und des Aergerniſſes, um mich in ein Netz<lb/> trauriger, regenfarbiger Gedanken einzuſpinnen, welches<lb/> mir Welt und Leben in einem ſo jämmerlichen Lichte<lb/> vorſpiegelte und ſo drückend wurde, daß ich mich zuletzt<lb/> nur durch einen herzhaften Sprung aus dem Bette dar-<lb/> aus erretten konnte. — Aprilwetter! Die Hoſen zog<lb/> ich, — wie weiland Freund Yorik — bereits wieder als<lb/> ein Philoſoph an, und der erſte Sonnenblick, der pfeil-<lb/> ſchnell über die Fenſter der gegenüberliegenden Häuſer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
den Winter zurückſchaut, mit dem andern jugendlich fröh-
lich dem nahen Frühling entgegenlächelt. Wie ein Ge-
dicht Jean Paul’s greift er hinein in ſeine Schätze, und
ſchlingt ineinander Reif und keimendes Grün, verirrte
Schneeflocken und kleine Marienblümchen, Regentropfen
und Veilchenknospen, flackerndes Ofenfeuer und Schnee-
glöckchen, Aſchermittwochsklagen und Auferſtehungsglocken.
Ich liebe den April, den ſie den Veränderlichen, den Un-
beſtändigen nennen, und den ſie mit „Herrengunſt und
Frauenlieb“ in einen ſo böswilligen Reim gebracht
haben. —
Ich wurde dieſen Morgen ſchon ziemlich früh durch
das Geräuſch des Regens, der an meine Fenſter ſchlug,
erweckt, blieb aber noch eine geraume Zeit liegen und
träumte zwiſchen Schlaf und Wachen in dieſe monotone
Muſik hinein. Das benutzte ein ſchadenfroher Dämon
des Trübſinns und des Aergerniſſes, um mich in ein Netz
trauriger, regenfarbiger Gedanken einzuſpinnen, welches
mir Welt und Leben in einem ſo jämmerlichen Lichte
vorſpiegelte und ſo drückend wurde, daß ich mich zuletzt
nur durch einen herzhaften Sprung aus dem Bette dar-
aus erretten konnte. — Aprilwetter! Die Hoſen zog
ich, — wie weiland Freund Yorik — bereits wieder als
ein Philoſoph an, und der erſte Sonnenblick, der pfeil-
ſchnell über die Fenſter der gegenüberliegenden Häuſer
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