Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.über! Als ich eintrat, schritt Franz immer noch auf und Ich weiß nicht wie lange ich da gesessen habe, ich Das leise Weinen des Kindes neben mir erweckte "Gute Nacht, Johannes," sagte er den Kopf an Es waren die ersten Worte die er an dem Tage über! Als ich eintrat, ſchritt Franz immer noch auf und Ich weiß nicht wie lange ich da geſeſſen habe, ich Das leiſe Weinen des Kindes neben mir erweckte „Gute Nacht, Johannes,“ ſagte er den Kopf an Es waren die erſten Worte die er an dem Tage <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="26"/> über! Als ich eintrat, ſchritt Franz immer noch auf und<lb/> ab; er ſchien mich nicht zu bemerken und ſtill ſetzte ich<lb/> mich in den Winkel neben die Wiege, wo Martha, die<lb/> Wärterin über dem Kinde wachte, welches ruhig ſchlief,<lb/> die kleinen Hände zum Mündchen hinauf gezogen.</p><lb/> <p>Ich weiß nicht wie lange ich da geſeſſen habe, ich<lb/> weiß von keinem meiner Gedanken in jener Nacht Rechen-<lb/> ſchaft zu geben. Die tiefe Stille, die auf der großen<lb/> Stadt lag, ließ nur das Gefühl mich überkommen, als<lb/> ob das Leben auch dieſes zuckende bewegte Herz eines<lb/> ganzen großen Landes verlaſſen habe, als ob das leiſe<lb/> Picken der Wanduhr das letzte verklingende Getön des<lb/> Weltenrades ſei und die ewige Stille nun binnen Kur-<lb/> zem alles Leben zurückgeſchlürft haben würde.</p><lb/> <p>Das leiſe Weinen des Kindes neben mir erweckte<lb/> mich endlich; Franz legte mir die Hand auf die Schul-<lb/> ter und fiel dann plötzlich erſchöpft auf einen Stuhl ne-<lb/> ben mir.</p><lb/> <p>„Gute Nacht, Johannes,“ ſagte er den Kopf an<lb/> meine Bruſt legend, „morgen wollen wir ſie begraben!“ —</p><lb/> <p>Es waren die erſten Worte die er an dem Tage<lb/> ſprach! —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [26/0036]
über! Als ich eintrat, ſchritt Franz immer noch auf und
ab; er ſchien mich nicht zu bemerken und ſtill ſetzte ich
mich in den Winkel neben die Wiege, wo Martha, die
Wärterin über dem Kinde wachte, welches ruhig ſchlief,
die kleinen Hände zum Mündchen hinauf gezogen.
Ich weiß nicht wie lange ich da geſeſſen habe, ich
weiß von keinem meiner Gedanken in jener Nacht Rechen-
ſchaft zu geben. Die tiefe Stille, die auf der großen
Stadt lag, ließ nur das Gefühl mich überkommen, als
ob das Leben auch dieſes zuckende bewegte Herz eines
ganzen großen Landes verlaſſen habe, als ob das leiſe
Picken der Wanduhr das letzte verklingende Getön des
Weltenrades ſei und die ewige Stille nun binnen Kur-
zem alles Leben zurückgeſchlürft haben würde.
Das leiſe Weinen des Kindes neben mir erweckte
mich endlich; Franz legte mir die Hand auf die Schul-
ter und fiel dann plötzlich erſchöpft auf einen Stuhl ne-
ben mir.
„Gute Nacht, Johannes,“ ſagte er den Kopf an
meine Bruſt legend, „morgen wollen wir ſie begraben!“ —
Es waren die erſten Worte die er an dem Tage
ſprach! —
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