Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Nun, kleines Volk," sagte er lächelnd, das ist ja Diese diplomatische Wendung der Sache brachte auf "Wird schon gehen, wird schon gehen!" brummte der Die kleine Marie aber führte mich zu ihrem Gar- 4
„Nun, kleines Volk,“ ſagte er lächelnd, das iſt ja Dieſe diplomatiſche Wendung der Sache brachte auf „Wird ſchon gehen, wird ſchon gehen!“ brummte der Die kleine Marie aber führte mich zu ihrem Gar- 4
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„Nun, kleines Volk,“ ſagte er lächelnd, das iſt ja
eine prächtige Freundſchaft zwiſchen Euch, die ſo mit
Heulen anfängt! Wer hat denn dem Andern etwas zu
Leide gethan?“
Dieſe diplomatiſche Wendung der Sache brachte auf
einmal meinen Thränenſtrom zum Stehen, und auch die
kleine Marie lächelte ſogleich wieder durch die hellen
Tropfen, die ihr über beide Backen rollten.
„Wird ſchon gehen, wird ſchon gehen!“ brummte der
alte Scholarch, fuhr mit der Hand über meine Haare
und ging dann zurück in’s Haus, um ſeiner Frau beim
Eierkuchenbacken zuzuſehen.
Die kleine Marie aber führte mich zu ihrem Gar-
ten im Winkel, grub eine keimende Bohne hervor,
zeigte ſie mir jubelnd und verſprach mir ein ähnliches
Feld für meine Thätigkeit. Dann zogen wir uns in
die Geisblattlaube zurück, wo der Tiſch gedeckt war.
Da fand ich neben dem Nähzeuge der Frau Rectorin
ein Buch auf der Bank, — ein Bilderbuch, welches mich
den Wald, das Jägerhaus, den Ohm, den alten Burch-
hard, mein ganzes Heimweh zuerſt vergeſſen ließ. Es
war ein zerleſener und zerblätterter Band des Welt- und
Kinderbekannten Bertuch’ſchen Werks! Welch’ eine neue
Welt ging mir da auf! — Und die kleine Marie lehnte
neben mir; lachte, erklärte und kitzelte mich mit Stroh-
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