Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.neben meinem Freunde; er sprach viel von seinem Tode Und so geschah es! Je heller und sonniger die Far- Am 24. December. -- Weihnachten! -- Welch ein prächtiges Wort! -- neben meinem Freunde; er ſprach viel von ſeinem Tode Und ſo geſchah es! Je heller und ſonniger die Far- Am 24. December. — Weihnachten! — Welch ein prächtiges Wort! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="62"/> neben meinem Freunde; er ſprach viel von ſeinem Tode<lb/> und lächelte oft trübe vor ſich hin. Während ſeiner Er-<lb/> zählung hatte er mit der Reiskohle die Umriſſe eines<lb/> Kopfes auf der Leinwand vor ihm gezogen. „<hi rendition="#g">Das</hi><lb/> Bild male ich dir erſt noch, Johannes,“ ſagte er. Ich<lb/> kannte die milden Züge zu wohl, um ſie nicht ſelbſt in<lb/> dieſen leichten Linien zu erkennen. —</p><lb/> <p>Und ſo geſchah es! Je heller und ſonniger die Far-<lb/> ben auf der Leinwand aufblühten, je lieblicher der Locken-<lb/> kopf Mariens aus dem Grau auftauchte, deſto bleicher<lb/> wurden die Wangen meines Freundes, und eines Mor-<lb/> gens — war er ihr hinabgefolgt und hatte ſein kleines<lb/> Kind und ſeinen Freund allein zurückgelaſſen! —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="1"> <dateline> <hi rendition="#right">Am 24. December. —</hi> </dateline><lb/> <p>Weihnachten! — Welch ein prächtiges Wort! —<lb/> Immer höher thürmt ſich der Schnee in den Straßen;<lb/> immer länger werden die Eiszapfen an den Dachtraufen;<lb/> immer ſchwerer thauen am Morgen die gefrorenen Fen-<lb/> ſterſcheiben auf! Ach in vielen armen Wohnungen thun<lb/> ſie es gar nicht mehr. — Hinter den meiſten Fenſtern<lb/> lugen erwartungsvolle Kindergeſichter hervor; da und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0072]
neben meinem Freunde; er ſprach viel von ſeinem Tode
und lächelte oft trübe vor ſich hin. Während ſeiner Er-
zählung hatte er mit der Reiskohle die Umriſſe eines
Kopfes auf der Leinwand vor ihm gezogen. „Das
Bild male ich dir erſt noch, Johannes,“ ſagte er. Ich
kannte die milden Züge zu wohl, um ſie nicht ſelbſt in
dieſen leichten Linien zu erkennen. —
Und ſo geſchah es! Je heller und ſonniger die Far-
ben auf der Leinwand aufblühten, je lieblicher der Locken-
kopf Mariens aus dem Grau auftauchte, deſto bleicher
wurden die Wangen meines Freundes, und eines Mor-
gens — war er ihr hinabgefolgt und hatte ſein kleines
Kind und ſeinen Freund allein zurückgelaſſen! —
Am 24. December. —
Weihnachten! — Welch ein prächtiges Wort! —
Immer höher thürmt ſich der Schnee in den Straßen;
immer länger werden die Eiszapfen an den Dachtraufen;
immer ſchwerer thauen am Morgen die gefrorenen Fen-
ſterſcheiben auf! Ach in vielen armen Wohnungen thun
ſie es gar nicht mehr. — Hinter den meiſten Fenſtern
lugen erwartungsvolle Kindergeſichter hervor; da und
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