Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Sache ganz anders ausging als wie vor Troja und
in der Iliade? Damals stellte ich dem unberechtigten
Verfolger das Bein und so kam er kopfüber kopfunter
hinunter in den Graben des Prinzen Xaver von
Sachsen, und Du, Tinchen, konntest wieder aus Deinem
Versteck im Keller zum Vorschein kommen und mir
behilflich sein, den armen Teufel fernerweit zu Bette
und zu besserer Besinnung zu bringen."

"Der Vater, der arme Vater! O Gott ja, ja!
aber, Heinrich, so haben wir ja noch niemals hiervon
vor anderen Leuten gesprochen!"

"Ich glaube, ich habe es Dir schon bemerkt,
Schatz, daß wir heute eben auch nicht mit anderen
Leuten, sondern mit einem von uns zu thun haben.
Dieser hier zeigte doch schon in seiner Kindheit Mit-
gefühl, und ging als der letzte, wenn die andern mich
unter der Hecke liegen ließen. Und als Jüngling
-- na, Eduard, nicht wahr, Du nimmst in diskreter
Weise theil an der letzten Entwickelung dessen, was
Dir vor Jahren, als wir nicht mehr unschuldige
Kinder, sondern mehr und weniger schuldenbehaftete
Jünglinge waren, hier -- da drüben jenseits des
Grabens aus dem Gesichte kam?"

Ich nickte, nicht zu dem Dicken, sondern zu seiner
Frau hinüber, wie man nickt, wenn man innigstes
Mitgefühl nicht durch Worte kundgeben kann.

Valentine sagte:

"Als mein Mann, das heißt, damals Heinrich,
auf die Universität abgehen wollte, und Sie, Herr
Eduard mitbrachte am letzten Tage, da drüben hin

Sache ganz anders ausging als wie vor Troja und
in der Iliade? Damals ſtellte ich dem unberechtigten
Verfolger das Bein und ſo kam er kopfüber kopfunter
hinunter in den Graben des Prinzen Xaver von
Sachſen, und Du, Tinchen, konnteſt wieder aus Deinem
Verſteck im Keller zum Vorſchein kommen und mir
behilflich ſein, den armen Teufel fernerweit zu Bette
und zu beſſerer Beſinnung zu bringen.“

„Der Vater, der arme Vater! O Gott ja, ja!
aber, Heinrich, ſo haben wir ja noch niemals hiervon
vor anderen Leuten geſprochen!“

„Ich glaube, ich habe es Dir ſchon bemerkt,
Schatz, daß wir heute eben auch nicht mit anderen
Leuten, ſondern mit einem von uns zu thun haben.
Dieſer hier zeigte doch ſchon in ſeiner Kindheit Mit-
gefühl, und ging als der letzte, wenn die andern mich
unter der Hecke liegen ließen. Und als Jüngling
— na, Eduard, nicht wahr, Du nimmſt in diskreter
Weiſe theil an der letzten Entwickelung deſſen, was
Dir vor Jahren, als wir nicht mehr unſchuldige
Kinder, ſondern mehr und weniger ſchuldenbehaftete
Jünglinge waren, hier — da drüben jenſeits des
Grabens aus dem Geſichte kam?“

Ich nickte, nicht zu dem Dicken, ſondern zu ſeiner
Frau hinüber, wie man nickt, wenn man innigſtes
Mitgefühl nicht durch Worte kundgeben kann.

Valentine ſagte:

„Als mein Mann, das heißt, damals Heinrich,
auf die Univerſität abgehen wollte, und Sie, Herr
Eduard mitbrachte am letzten Tage, da drüben hin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="166"/>
Sache ganz anders ausging als wie vor Troja und<lb/>
in der Iliade? Damals &#x017F;tellte ich dem unberechtigten<lb/>
Verfolger das Bein und &#x017F;o kam er kopfüber kopfunter<lb/>
hinunter in den Graben des Prinzen Xaver von<lb/>
Sach&#x017F;en, und Du, Tinchen, konnte&#x017F;t wieder aus Deinem<lb/>
Ver&#x017F;teck im Keller zum Vor&#x017F;chein kommen und mir<lb/>
behilflich &#x017F;ein, den armen Teufel fernerweit zu Bette<lb/>
und zu be&#x017F;&#x017F;erer Be&#x017F;innung zu bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Vater, der arme Vater! O Gott ja, ja!<lb/>
aber, Heinrich, &#x017F;o haben wir ja noch niemals hiervon<lb/>
vor anderen Leuten ge&#x017F;prochen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich glaube, ich habe es Dir &#x017F;chon bemerkt,<lb/>
Schatz, daß wir heute eben auch nicht mit anderen<lb/>
Leuten, &#x017F;ondern mit einem von uns zu thun haben.<lb/>
Die&#x017F;er hier zeigte doch &#x017F;chon in &#x017F;einer Kindheit Mit-<lb/>
gefühl, und ging als der letzte, wenn die andern mich<lb/>
unter der Hecke liegen ließen. Und als Jüngling<lb/>
&#x2014; na, Eduard, nicht wahr, Du nimm&#x017F;t in diskreter<lb/>
Wei&#x017F;e theil an der letzten Entwickelung de&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
Dir vor Jahren, als wir nicht mehr un&#x017F;chuldige<lb/>
Kinder, &#x017F;ondern mehr und weniger &#x017F;chuldenbehaftete<lb/>
Jünglinge waren, hier &#x2014; da drüben jen&#x017F;eits des<lb/>
Grabens aus dem Ge&#x017F;ichte kam?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich nickte, nicht zu dem Dicken, &#x017F;ondern zu &#x017F;einer<lb/>
Frau hinüber, wie man nickt, wenn man innig&#x017F;tes<lb/>
Mitgefühl nicht durch Worte kundgeben kann.</p><lb/>
        <p>Valentine &#x017F;agte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Als mein Mann, das heißt, damals Heinrich,<lb/>
auf die Univer&#x017F;ität abgehen wollte, und Sie, Herr<lb/>
Eduard mitbrachte am letzten Tage, da drüben hin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0176] Sache ganz anders ausging als wie vor Troja und in der Iliade? Damals ſtellte ich dem unberechtigten Verfolger das Bein und ſo kam er kopfüber kopfunter hinunter in den Graben des Prinzen Xaver von Sachſen, und Du, Tinchen, konnteſt wieder aus Deinem Verſteck im Keller zum Vorſchein kommen und mir behilflich ſein, den armen Teufel fernerweit zu Bette und zu beſſerer Beſinnung zu bringen.“ „Der Vater, der arme Vater! O Gott ja, ja! aber, Heinrich, ſo haben wir ja noch niemals hiervon vor anderen Leuten geſprochen!“ „Ich glaube, ich habe es Dir ſchon bemerkt, Schatz, daß wir heute eben auch nicht mit anderen Leuten, ſondern mit einem von uns zu thun haben. Dieſer hier zeigte doch ſchon in ſeiner Kindheit Mit- gefühl, und ging als der letzte, wenn die andern mich unter der Hecke liegen ließen. Und als Jüngling — na, Eduard, nicht wahr, Du nimmſt in diskreter Weiſe theil an der letzten Entwickelung deſſen, was Dir vor Jahren, als wir nicht mehr unſchuldige Kinder, ſondern mehr und weniger ſchuldenbehaftete Jünglinge waren, hier — da drüben jenſeits des Grabens aus dem Geſichte kam?“ Ich nickte, nicht zu dem Dicken, ſondern zu ſeiner Frau hinüber, wie man nickt, wenn man innigſtes Mitgefühl nicht durch Worte kundgeben kann. Valentine ſagte: „Als mein Mann, das heißt, damals Heinrich, auf die Univerſität abgehen wollte, und Sie, Herr Eduard mitbrachte am letzten Tage, da drüben hin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/176
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/176>, abgerufen am 27.11.2024.