paßt. Ich fiel dabei für meine Natur viel zu sehr vom Fleisch. Es mag der Welt unglaublich erscheinen, aber es ist dessenungeachtet doch lächerlich wahr: auch die vergnüglichste Seite des Universitätslebens war nichts für mich. So eine deutsche alma mater ist doch die reine Amazone. Sie hält Dir die eine Brust hin und Du saugst oder saufst. Sie dreht Dir die andere zu und Du empfindest Dich in der That als das bekannte Thier auf dürrer Haide. Jeder Blick in eure Gerichtsstuben, auf eure Schulkatheder und Kirchenkanzeln und in eure Landtage und vor allem in den deutschen Reichstag zeigt, was dabei herauskommt, soweit es unsere leitenden gelehrten Gesellschaftsklassen anbetrifft. Entschuldige, Tine, ich bin gleich wieder bei Dir; aber wenn man so einem alten lieben gelehrten Afrikaner gegenüber auf sein Studentenleben kommt, geht Einem das Herz auf, wie die Welt sagt. Da ist es denn aber für Dich gleich ein wahres Glück, Tinchen, daß mich der Bursche hier schon auf Schulen da unten in dem Neste im Thal nicht für den Gerichtsstuhl, das Katheder, die Kanzel und das Reichstagsmandat, sondern für die rothe Schanze hat mit erziehen helfen, indem auch er mich unter der Hecke hat liegen lassen, meiner schwachen Füße wegen. Von meinen Fäusten hatte er eben meiner angeborenen Gutmüthigkeit wegen, nicht die genügende Ahnung. Aber es ist einerlei, denn es ist so: was ein Mensch bei mäßigen Geistes- gaben, schwachen Füßen und einer unmäßigen Anlage zum Fettwerden aus sich für die Jungfer Quakatz
paßt. Ich fiel dabei für meine Natur viel zu ſehr vom Fleiſch. Es mag der Welt unglaublich erſcheinen, aber es iſt deſſenungeachtet doch lächerlich wahr: auch die vergnüglichſte Seite des Univerſitätslebens war nichts für mich. So eine deutſche alma mater iſt doch die reine Amazone. Sie hält Dir die eine Bruſt hin und Du ſaugſt oder ſaufſt. Sie dreht Dir die andere zu und Du empfindeſt Dich in der That als das bekannte Thier auf dürrer Haide. Jeder Blick in eure Gerichtsſtuben, auf eure Schulkatheder und Kirchenkanzeln und in eure Landtage und vor allem in den deutſchen Reichstag zeigt, was dabei herauskommt, ſoweit es unſere leitenden gelehrten Geſellſchaftsklaſſen anbetrifft. Entſchuldige, Tine, ich bin gleich wieder bei Dir; aber wenn man ſo einem alten lieben gelehrten Afrikaner gegenüber auf ſein Studentenleben kommt, geht Einem das Herz auf, wie die Welt ſagt. Da iſt es denn aber für Dich gleich ein wahres Glück, Tinchen, daß mich der Burſche hier ſchon auf Schulen da unten in dem Neſte im Thal nicht für den Gerichtsſtuhl, das Katheder, die Kanzel und das Reichstagsmandat, ſondern für die rothe Schanze hat mit erziehen helfen, indem auch er mich unter der Hecke hat liegen laſſen, meiner ſchwachen Füße wegen. Von meinen Fäuſten hatte er eben meiner angeborenen Gutmüthigkeit wegen, nicht die genügende Ahnung. Aber es iſt einerlei, denn es iſt ſo: was ein Menſch bei mäßigen Geiſtes- gaben, ſchwachen Füßen und einer unmäßigen Anlage zum Fettwerden aus ſich für die Jungfer Quakatz
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paßt. Ich fiel dabei für meine Natur viel zu ſehr
vom Fleiſch. Es mag der Welt unglaublich erſcheinen,
aber es iſt deſſenungeachtet doch lächerlich wahr:
auch die vergnüglichſte Seite des Univerſitätslebens
war nichts für mich. So eine deutſche alma mater
iſt doch die reine Amazone. Sie hält Dir die eine
Bruſt hin und Du ſaugſt oder ſaufſt. Sie dreht
Dir die andere zu und Du empfindeſt Dich in der
That als das bekannte Thier auf dürrer Haide. Jeder
Blick in eure Gerichtsſtuben, auf eure Schulkatheder
und Kirchenkanzeln und in eure Landtage und vor
allem in den deutſchen Reichstag zeigt, was dabei
herauskommt, ſoweit es unſere leitenden gelehrten
Geſellſchaftsklaſſen anbetrifft. Entſchuldige, Tine, ich
bin gleich wieder bei Dir; aber wenn man ſo einem
alten lieben gelehrten Afrikaner gegenüber auf ſein
Studentenleben kommt, geht Einem das Herz auf,
wie die Welt ſagt. Da iſt es denn aber für Dich
gleich ein wahres Glück, Tinchen, daß mich der
Burſche hier ſchon auf Schulen da unten in dem
Neſte im Thal nicht für den Gerichtsſtuhl, das
Katheder, die Kanzel und das Reichstagsmandat,
ſondern für die rothe Schanze hat mit erziehen helfen,
indem auch er mich unter der Hecke hat liegen laſſen,
meiner ſchwachen Füße wegen. Von meinen Fäuſten
hatte er eben meiner angeborenen Gutmüthigkeit wegen,
nicht die genügende Ahnung. Aber es iſt einerlei,
denn es iſt ſo: was ein Menſch bei mäßigen Geiſtes-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/185>, abgerufen am 23.11.2024.
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