mit herausgekommen und gab uns die Versicherung: ,Unter guter Pflege, bei freundlichem Eingehen auf seine Schrullen und bei möglichster Vermeidung alles Widerspruchs kann euch der alte Sünder noch lange auf dem Halse liegen.' -- Nun, wir haben ihn gott- lob noch eine geraume Zeit bei uns behalten, und an jenem festlichen Tage als leuchtend psychologisch Exempel des Wandels des Menschen unter Menschen. Was war mir Freund Oberwasser? Ich rieb mir ver- stohlen die Hände, ob meiner eigenen psychiatrischen Be- handlung des Vaters Quakatz! Der nahm, weiß Gott, ganz selbstverständlich, den Honorationenzusammenlauf auf der rothen Schanze, der fröhlich meinetwegen statt- fand, für eine Ehre und Ehrenerklärung, die ihm ange- than wurde. Und das brauchte mir Freund Langdarm wahrlich nicht noch anzuempfehlen, und dem Tinchen auch nicht, daß wir ihn bei seiner Höflichkeit, seinen Komplimenten und seiner innerlichen Genugthuung ließen. Übrigens saß er dann doch auch wieder in seinem Ehrenstuhl wie ein echter Roi des gueux; denn das hatte ich mir auch nicht nehmen lassen, ich hatte ihm auch Die eingeladen, welche ihn niemals aufgegeben hatten. Ein ausnehmend reichhaltiges Lumpenkontingent von unter den Hecken und Land- straßen weg war nicht von dem Wall und Graben seiner kursächsischen und königlich polnischen Hoheit zurückgewiesen worden. Die Fahne mit dem Salve hospes wehte für Alle, und alle Hunde lagen, wenn nicht an der Kette, so doch im fest umfriedeten Hof- raum, für heute und von nun an für immer ihrer
mit herausgekommen und gab uns die Verſicherung: ‚Unter guter Pflege, bei freundlichem Eingehen auf ſeine Schrullen und bei möglichſter Vermeidung alles Widerſpruchs kann euch der alte Sünder noch lange auf dem Halſe liegen.‘ — Nun, wir haben ihn gott- lob noch eine geraume Zeit bei uns behalten, und an jenem feſtlichen Tage als leuchtend pſychologiſch Exempel des Wandels des Menſchen unter Menſchen. Was war mir Freund Oberwaſſer? Ich rieb mir ver- ſtohlen die Hände, ob meiner eigenen pſychiatriſchen Be- handlung des Vaters Quakatz! Der nahm, weiß Gott, ganz ſelbſtverſtändlich, den Honorationenzuſammenlauf auf der rothen Schanze, der fröhlich meinetwegen ſtatt- fand, für eine Ehre und Ehrenerklärung, die ihm ange- than wurde. Und das brauchte mir Freund Langdarm wahrlich nicht noch anzuempfehlen, und dem Tinchen auch nicht, daß wir ihn bei ſeiner Höflichkeit, ſeinen Komplimenten und ſeiner innerlichen Genugthuung ließen. Übrigens ſaß er dann doch auch wieder in ſeinem Ehrenſtuhl wie ein echter Roi des gueux; denn das hatte ich mir auch nicht nehmen laſſen, ich hatte ihm auch Die eingeladen, welche ihn niemals aufgegeben hatten. Ein ausnehmend reichhaltiges Lumpenkontingent von unter den Hecken und Land- ſtraßen weg war nicht von dem Wall und Graben ſeiner kurſächſiſchen und königlich polniſchen Hoheit zurückgewieſen worden. Die Fahne mit dem Salve hospes wehte für Alle, und alle Hunde lagen, wenn nicht an der Kette, ſo doch im feſt umfriedeten Hof- raum, für heute und von nun an für immer ihrer
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mit herausgekommen und gab uns die Verſicherung:
‚Unter guter Pflege, bei freundlichem Eingehen auf
ſeine Schrullen und bei möglichſter Vermeidung alles
Widerſpruchs kann euch der alte Sünder noch lange
auf dem Halſe liegen.‘ — Nun, wir haben ihn gott-
lob noch eine geraume Zeit bei uns behalten, und
an jenem feſtlichen Tage als leuchtend pſychologiſch
Exempel des Wandels des Menſchen unter Menſchen.
Was war mir Freund Oberwaſſer? Ich rieb mir ver-
ſtohlen die Hände, ob meiner eigenen pſychiatriſchen Be-
handlung des Vaters Quakatz! Der nahm, weiß Gott,
ganz ſelbſtverſtändlich, den Honorationenzuſammenlauf
auf der rothen Schanze, der fröhlich meinetwegen ſtatt-
fand, für eine Ehre und Ehrenerklärung, die ihm ange-
than wurde. Und das brauchte mir Freund Langdarm
wahrlich nicht noch anzuempfehlen, und dem Tinchen
auch nicht, daß wir ihn bei ſeiner Höflichkeit, ſeinen
Komplimenten und ſeiner innerlichen Genugthuung
ließen. Übrigens ſaß er dann doch auch wieder in
ſeinem Ehrenſtuhl wie ein echter Roi des gueux;
denn das hatte ich mir auch nicht nehmen laſſen, ich
hatte ihm auch Die eingeladen, welche ihn niemals
aufgegeben hatten. Ein ausnehmend reichhaltiges
Lumpenkontingent von unter den Hecken und Land-
ſtraßen weg war nicht von dem Wall und Graben
ſeiner kurſächſiſchen und königlich polniſchen Hoheit
zurückgewieſen worden. Die Fahne mit dem Salve
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/204>, abgerufen am 27.11.2024.
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