nächtliche Graben, Pflügen und Roden am Schreib- tische. Uh je, Eduard, hätte ich da nicht das Tinchen, das Kind mit seinem Strickzeuge, seiner Welterfahrung, seinen, am Abend öfters recht altklugen, aber am andern Morgen manchmal zum Erstaunen schlauen Zuflüsterungen bei mir gehabt! und die beiden arbeits- harten Bauernpfötchen, wenn sie mir meine zwei weichen Bildungsmenschenhände von den fiebernden Schläfen sanft herniederzog: ,O Heinrich, Du thust es ja mir zu liebe, und, sieh nun mal zu, den fehlenden Rest von Kleynkauers Schuld findest Du vielleicht noch auf seinen Schwiegersohn, der den Ausspann drunten in der Stadt hat, und auf seine zugekaufte Wiese hinter seinem Hause, ins Schuldbuch einge- tragen!' -- Eduard, auch Du hast es im Kaffern- lande zu einem Vermögen gebracht: bitte, überhebe Dich nicht Deiner Anstrengungen dabei! Sieh, da fängt das Kind zu guterletzt auch noch an zu weinen, weil sie es mir überlassen muß, Dir zum Schluß mitzutheilen, daß es uns -- ihr und mir -- gelungen ist, dem Vater ein bißchen von seinem Recht [a]n der Lebenssonne in den Belagerungsaufwurf des Comte de Lusace, den Ofenwinkel hinein und auf das wirre Haupt und über die geschwollenen Kniee und die tauben Füße leuchten zu lassen."
"Ja, ja, ja, Herr Eduard!" schluchzte die Erb- tochter der rothen Schanze, Quakatzens Tochter; doch Heinrich Schaumann schien weniger denn je in diesem Logbuch des Lebens Sinn zu haben für solche Rührung. Er zog bloß die Augenbrauen etwas tiefer herunter
nächtliche Graben, Pflügen und Roden am Schreib- tiſche. Uh je, Eduard, hätte ich da nicht das Tinchen, das Kind mit ſeinem Strickzeuge, ſeiner Welterfahrung, ſeinen, am Abend öfters recht altklugen, aber am andern Morgen manchmal zum Erſtaunen ſchlauen Zuflüſterungen bei mir gehabt! und die beiden arbeits- harten Bauernpfötchen, wenn ſie mir meine zwei weichen Bildungsmenſchenhände von den fiebernden Schläfen ſanft herniederzog: ‚O Heinrich, Du thuſt es ja mir zu liebe, und, ſieh nun mal zu, den fehlenden Reſt von Kleynkauers Schuld findeſt Du vielleicht noch auf ſeinen Schwiegerſohn, der den Ausſpann drunten in der Stadt hat, und auf ſeine zugekaufte Wieſe hinter ſeinem Hauſe, ins Schuldbuch einge- tragen!‘ — Eduard, auch Du haſt es im Kaffern- lande zu einem Vermögen gebracht: bitte, überhebe Dich nicht Deiner Anſtrengungen dabei! Sieh, da fängt das Kind zu guterletzt auch noch an zu weinen, weil ſie es mir überlaſſen muß, Dir zum Schluß mitzutheilen, daß es uns — ihr und mir — gelungen iſt, dem Vater ein bißchen von ſeinem Recht [a]n der Lebensſonne in den Belagerungsaufwurf des Comte de Lusace, den Ofenwinkel hinein und auf das wirre Haupt und über die geſchwollenen Kniee und die tauben Füße leuchten zu laſſen.“
„Ja, ja, ja, Herr Eduard!“ ſchluchzte die Erb- tochter der rothen Schanze, Quakatzens Tochter; doch Heinrich Schaumann ſchien weniger denn je in dieſem Logbuch des Lebens Sinn zu haben für ſolche Rührung. Er zog bloß die Augenbrauen etwas tiefer herunter
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nächtliche Graben, Pflügen und Roden am Schreib-
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das Kind mit ſeinem Strickzeuge, ſeiner Welterfahrung,
ſeinen, am Abend öfters recht altklugen, aber am
andern Morgen manchmal zum Erſtaunen ſchlauen
Zuflüſterungen bei mir gehabt! und die beiden arbeits-
harten Bauernpfötchen, wenn ſie mir meine zwei weichen
Bildungsmenſchenhände von den fiebernden Schläfen
ſanft herniederzog: ‚O Heinrich, Du thuſt es ja mir
zu liebe, und, ſieh nun mal zu, den fehlenden
Reſt von Kleynkauers Schuld findeſt Du vielleicht
noch auf ſeinen Schwiegerſohn, der den Ausſpann
drunten in der Stadt hat, und auf ſeine zugekaufte
Wieſe hinter ſeinem Hauſe, ins Schuldbuch einge-
tragen!‘ — Eduard, auch Du haſt es im Kaffern-
lande zu einem Vermögen gebracht: bitte, überhebe
Dich nicht Deiner Anſtrengungen dabei! Sieh, da
fängt das Kind zu guterletzt auch noch an zu weinen,
weil ſie es mir überlaſſen muß, Dir zum Schluß
mitzutheilen, daß es uns — ihr und mir — gelungen
iſt, dem Vater ein bißchen von ſeinem Recht an der
Lebensſonne in den Belagerungsaufwurf des Comte de
Lusace, den Ofenwinkel hinein und auf das wirre
Haupt und über die geſchwollenen Kniee und die
tauben Füße leuchten zu laſſen.“
„Ja, ja, ja, Herr Eduard!“ ſchluchzte die Erb-
tochter der rothen Schanze, Quakatzens Tochter; doch
Heinrich Schaumann ſchien weniger denn je in dieſem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/210>, abgerufen am 19.05.2024.
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