Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.die Hauptstraßen zu vermeiden, nicht mit in Betracht Es wäre übertrieben, wenn ich sagen wollte, daß Daß man da stehe und auf den Zug warte, um die Hauptſtraßen zu vermeiden, nicht mit in Betracht Es wäre übertrieben, wenn ich ſagen wollte, daß Daß man da ſtehe und auf den Zug warte, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0286" n="276"/> die Hauptſtraßen zu vermeiden, nicht mit in Betracht<lb/> gezogen und mich alſo nicht zu ſehr zu verwundern<lb/> über das Getümmel, in welches ich trotz aller augen-<lb/> blicklichen vorſichtigen Menſchenſcheu gerieth.</p><lb/> <p>Es wäre übertrieben, wenn ich ſagen wollte, daß<lb/> die halbe Stadt auf den Beinen war, um dem Be-<lb/> gräbniß des Landbriefträgers Störzer mit anzuwohnen:<lb/> aber ein gut Theil der Bevölkerung war doch ver-<lb/> ſammelt in den Gaſſen und Gäßchen, um ſeine Be-<lb/> hauſung her. Und darunter nicht bloß Fräulein<lb/> Eyweiß mit ihrer Brunnenkruke, ſondern auch mehrere<lb/> Bekannte aus dem Brummerſumm.</p><lb/> <p>Daß man da ſtehe und auf den Zug warte, um<lb/> dem Alten mit ein ehrenvolles Geleit zu ſeinem Grabe<lb/> zu geben, äußerte Niemand. Aber Jedermann hatte<lb/> gewiß das Recht, ſeiner Morgenbequemlichkeit oder<lb/> ſeinen Geſchäften ein paar Augenblicke abzuzwacken,<lb/> um jetzt, im letzten Augenblick, einen Blick auf die<lb/> ſchwarze Truhe zu werfen, die den augenblicklich<lb/> merkwürdigſten Menſchen, nicht bloß der Stadt<lb/> ſondern auch der Umgegend auf weithin, barg. Sie<lb/> wollten Alle den guten, alten, dummen Kerl, dieſen<lb/> alten Störzer, der in ſeinen vierundfünfzigtauſendein-<lb/> hundertvierundſechzig Amts-Gehſtunden mit ſeinem<lb/> ſchweren Gewiſſen fünfmal um die Erde herum ge-<lb/> weſen war, und der die ganze Stadt von oben bis<lb/> unten ſo lange, lange Jahre hatte reden laſſen, ohne<lb/> ein Wort zu ſagen, — ſie wollten ihn, Kienbaums<lb/> Mörder — ihn oder wenigſtens ſeinen Sarg doch noch<lb/> einmal ſehen!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [276/0286]
die Hauptſtraßen zu vermeiden, nicht mit in Betracht
gezogen und mich alſo nicht zu ſehr zu verwundern
über das Getümmel, in welches ich trotz aller augen-
blicklichen vorſichtigen Menſchenſcheu gerieth.
Es wäre übertrieben, wenn ich ſagen wollte, daß
die halbe Stadt auf den Beinen war, um dem Be-
gräbniß des Landbriefträgers Störzer mit anzuwohnen:
aber ein gut Theil der Bevölkerung war doch ver-
ſammelt in den Gaſſen und Gäßchen, um ſeine Be-
hauſung her. Und darunter nicht bloß Fräulein
Eyweiß mit ihrer Brunnenkruke, ſondern auch mehrere
Bekannte aus dem Brummerſumm.
Daß man da ſtehe und auf den Zug warte, um
dem Alten mit ein ehrenvolles Geleit zu ſeinem Grabe
zu geben, äußerte Niemand. Aber Jedermann hatte
gewiß das Recht, ſeiner Morgenbequemlichkeit oder
ſeinen Geſchäften ein paar Augenblicke abzuzwacken,
um jetzt, im letzten Augenblick, einen Blick auf die
ſchwarze Truhe zu werfen, die den augenblicklich
merkwürdigſten Menſchen, nicht bloß der Stadt
ſondern auch der Umgegend auf weithin, barg. Sie
wollten Alle den guten, alten, dummen Kerl, dieſen
alten Störzer, der in ſeinen vierundfünfzigtauſendein-
hundertvierundſechzig Amts-Gehſtunden mit ſeinem
ſchweren Gewiſſen fünfmal um die Erde herum ge-
weſen war, und der die ganze Stadt von oben bis
unten ſo lange, lange Jahre hatte reden laſſen, ohne
ein Wort zu ſagen, — ſie wollten ihn, Kienbaums
Mörder — ihn oder wenigſtens ſeinen Sarg doch noch
einmal ſehen!
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