Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Und jetzt ballte sie die Hand und schüttelte sie "Aber ich heule nicht. Heinrich hat ganz Recht, "Und weil sie Keinen weiter hatte als mich, Und jetzt ballte ſie die Hand und ſchüttelte ſie „Aber ich heule nicht. Heinrich hat ganz Recht, „Und weil ſie Keinen weiter hatte als mich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0068" n="58"/> <p>Und jetzt ballte ſie die Hand und ſchüttelte ſie<lb/> gegen die glitzernden Fenſter des Provinzialgefangen-<lb/> hauſes:</p><lb/> <p>„Aber ich heule nicht. Heinrich hat ganz Recht,<lb/> es iſt dumm, nur zu weinen. Es beißt mich der<lb/> Glanz auch nur in die Augen, weil ich ſo lange und<lb/> ſo oft hier habe ſtehen müſſen, wenn er dahinter<lb/> ſaß, da unten, hinter den Fenſtern, in ſeinem Ge-<lb/> fängniß, mein Vater, mein lieber, liebſter Vater.<lb/> Und weil ich Keinen hatte —“</p><lb/> <p>„Und weil ſie Keinen weiter hatte als mich,<lb/> Eduard. Und weil ich auch nun wieder gehe, in<lb/> Abweſenheit ihres Alten. Na ja, da ſiehſt Du mal<lb/> wieder, lieber Eduard, was das Leben iſt, und wie<lb/> das Vergnügen denn immer bloß als bloßer Schaum<lb/> droben aufſchwimmt. Jetzt bitte ich Dich, ſetze Dich<lb/> mal in meine Stelle und ſuche mit euch dummen<lb/> Jungen, ſeinen lieben Eltern und was ſonſt dazu<lb/> gehört, zum Trotz, aus ſo 'ner verſchüchterten, zur Feld-<lb/> katze verwilderten Dorfmieze wieder ein niedliches,<lb/> nettes, reinliches, ſchnurrendes, gurrendes, liebes,<lb/> liebſtes kleines Mädchen zu machen. Na, nun thu<lb/> noch mal die Schürze von den Augen und ſieh mich<lb/> mit ihnen an; ſonſt beißt es mich in meinen Augen<lb/> auch, und das möchte ich doch hier des klugen, ge-<lb/> bildeten Eduards wegen lieber vermeiden. So iſt's<lb/> Recht, und nun laß uns die Zähne aufeinanderbeißen.<lb/> Ich kann wahrhaftig nichts dafür, daß andere Leute<lb/> das Recht zu haben behaupten, etwas Anderes aus<lb/> mir, zu machen als was in mir ſteckt. Da haſt Du meine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0068]
Und jetzt ballte ſie die Hand und ſchüttelte ſie
gegen die glitzernden Fenſter des Provinzialgefangen-
hauſes:
„Aber ich heule nicht. Heinrich hat ganz Recht,
es iſt dumm, nur zu weinen. Es beißt mich der
Glanz auch nur in die Augen, weil ich ſo lange und
ſo oft hier habe ſtehen müſſen, wenn er dahinter
ſaß, da unten, hinter den Fenſtern, in ſeinem Ge-
fängniß, mein Vater, mein lieber, liebſter Vater.
Und weil ich Keinen hatte —“
„Und weil ſie Keinen weiter hatte als mich,
Eduard. Und weil ich auch nun wieder gehe, in
Abweſenheit ihres Alten. Na ja, da ſiehſt Du mal
wieder, lieber Eduard, was das Leben iſt, und wie
das Vergnügen denn immer bloß als bloßer Schaum
droben aufſchwimmt. Jetzt bitte ich Dich, ſetze Dich
mal in meine Stelle und ſuche mit euch dummen
Jungen, ſeinen lieben Eltern und was ſonſt dazu
gehört, zum Trotz, aus ſo 'ner verſchüchterten, zur Feld-
katze verwilderten Dorfmieze wieder ein niedliches,
nettes, reinliches, ſchnurrendes, gurrendes, liebes,
liebſtes kleines Mädchen zu machen. Na, nun thu
noch mal die Schürze von den Augen und ſieh mich
mit ihnen an; ſonſt beißt es mich in meinen Augen
auch, und das möchte ich doch hier des klugen, ge-
bildeten Eduards wegen lieber vermeiden. So iſt's
Recht, und nun laß uns die Zähne aufeinanderbeißen.
Ich kann wahrhaftig nichts dafür, daß andere Leute
das Recht zu haben behaupten, etwas Anderes aus
mir, zu machen als was in mir ſteckt. Da haſt Du meine
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